Kalte Sonne
- Knaur Taschenbuchverlag
- Erschienen: Januar 2018
- 1
- München: Knaur Taschenbuchverlag, 2018, Seiten: 352, Originalsprache
Stieg Larsson light
Als Maja Lundgren den Bericht über Protestaktionen von Tierschützern an der nördlichen Küste Dänemarks anschaut, stockt ihr der Atem. Der Mann, der arglos im Hintergrund durch das Bild der Fernsehkameras geht, sieht aus wie ihr verstorbener Ehemann Erik. Wie kann das sein? Hatte er einen Zwillingsbruder? Oder spielt ihr die Fantasie einen Streich?
Wie im Wahn macht sich die alleinerziehende Mutter auf die Suche nach Antworten. Sie reist in die kleine Hafenstadt Hirtshals, um endlich für sich Klarheit zu schaffen. Zunehmend stößt sie dabei auf Widerstand - auch aus Reihen der Polizei. Was hat ihr Ehemann Erik mit all dem zu tun? War er in dunkle Geschäfte verwickelt? Maja weiß bald nicht mehr, was sie glauben soll und wem sie trauen kann.
Verschachtelte Jagd nach der Wahrheit
Es ist nicht ganz einfach den Inhalt des Thrillers zu umreißen, ohne dabei bereits den geschickt verstrickten Inhalt preiszugeben. Sven Koch gelingt es, ideenreich mehrere Handlungsstränge zu entwickeln, die mehr und mehr ineinander laufen.
Alles scheint seinen Ausgangspunkt in einem islamistischen Terroranschlag auf das Kopenhagener Opernhaus sechs Jahre zuvor zu haben. Damals töteten die Attentäter in einem wahren Blutrausch 60 Menschen und sprengten sich danach selber in die Luft.
Besonders hier stockt dem Leser der Atem: Der Autor beschreibt minutiös das Vorgehen der Attentäter und erinnert an den Anschlag auf ein Musikkonzert in Manchester. Dadurch, dass Koch diese Szenen aus der Sicht der Islamisten schildert, wird erst das ganze Ausmaß des Schreckens und der Brutalität deutlich, mit der die Attentäter vorgehen. Gilt es Szenerien und Verfolgungsjagden zu beschreiben, so macht dem Autor niemand so schnell etwas vor. Koch legt dann oft ein Tempo vor, dass selbst dem Leser die Luft wegbleibt.
Leider überzeugen nicht alle Figuren
Während der eigentliche Plot zu überzeugen weiß, muss man bei den Figuren einige Abstriche machen. Das gilt besonders für die Hauptfigur Maja. Anfänglich durchaus glaubwürdig und authentisch, wird zunehmend das Bild einer psychisch labilen Persönlichkeit gezeigt, der man ein im späteren Verlauf sehr selbstbewusstes, entschiedenes Auftreten auch gegen Auftragskiller! nicht mehr richtig abzunehmen vermag.
Auch wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Maja noch ein zweites Geheimnis aus ihrer Vergangenheit in sich trägt, unter dem sie bis heute zu leiden hat. Es macht den Anschein, als ob der Autor das lediglich für den eigentlichen Showdown am Ende des Romans eingebaut hat.
Des Weiteren gibt es die undurchsichtige Figur des ehemaligen Polizisten und heutigen Ornithologen Jesper Moeller, der als verschrobener Kauz mit dunklem Geheimnis dargestellt wird. Letzteres hat er in der Tat, allerdings anders als der Leser erwartet.
Ein undurchsichtiges politisches Netzwerk
Nicht zuletzt spielt der Prominentenanwalt Aksel Olsen eine wichtige Rolle: Er muss nicht nur einen Sprössling eines Wirtschaftsbosses herausboxen, der im Drogenrausch ein Mädchen vergewaltig hat. Er ist auch Handlanger krimineller Wirtschaftsgrößen, die gerne im Hintergrund bleiben und mit ihrem Vorgehen einen perfiden Plan verfolgen, der im Laufe des Romans immer deutlicher zum Vorschein tritt.
Den Mächtigen des Landes geht es um Geld, politische Interessen und Macht. Hier ist es fast schade, dass Koch den Schwerpunkt seines Romans so ausschließlich auf die Hauptfigur Maja ausrichtet und nicht auch tiefer auf die Geschehnisse und politischen Motive im Hintergrund eingeht, mit denen der Roman ein aktuelles, hochbrisantes und heikles Thema aufgreift: den Umgang mit Fremdenhass und Fremdenfeindlichkeit.
Kein Ermittlerteam nötig
Anders als bei Krimis zumeist üblich, gibt es hier kein Ermittlerteam, das im Zentrum der Handlung steht. Mit Knud Nissen und Tine Kjær werden zwar zwei Figuren der Kriminalpolizei Holstebro eingeführt. Diese bleiben jedoch eher blass und treten trotz ihrer besonderen Rolle beim Fall Erik Lundgren eher ungeschickt und unprofessionell auf. Aber und das ist das Positive: Der Leser vermisst auch keine Ermittler, sondern bleibt dem Fokus des Autors folgend bei den beiden zentralen Figuren des Romans: Maja und Erik. Es geht in diesem Thriller mehr darum, wie Menschen unverschuldet in ein kriminelles Netz verstrickt werden und wie sie damit umgehen als um die polizeiliche Ermittlungsarbeit.
Fiktiver Roman mit wahrem Hintergrund
Auch wenn der Thriller Fiktion ist, so sind die realen Bezüge der Handlung offensichtlich: 2015 verübt ein Mann auf Teilnehmer einer Veranstaltung mit dem Karikaturisten Lars Vilks ein Attentat, bei dem ein Mann stirbt und mehrere Polizisten verletzt werden. Vilks wurde damals bekannt durch seine Mohammed-Karikaturen, die den Propheten unter anderem als Hund zeigten. Derselbe Attentäter soll später eine Synagoge angegriffen und dort einen jungen Wachmann niedergeschossen haben.
Wer jetzt glaubt, einen True Crime Krimi zu lesen, der irrt. Koch geht es primär nicht um das Ereignis des Anschlags an sich und auch nicht um dessen Hintergründe. Vielmehr steht das Einzelschicksal einer Familie im Vordergrund. Damit hebt sich der Autor wohltuend von anderen Thrillern ab.
Spannender Krimi mit kleinen Schwächen
Sven Kochs aktueller Thriller Kalte Sonne ist ein spannender und lesenswerter Roman. Sicherlich reicht der Autor noch nicht an die Werke eines Stieg Larsson heran, auch wenn eine gewisse Nähe zu erkennen ist. Aber ihm gelingt eine atmosphärisch dichte Handlung, die bis zum Schluss mit Überraschungen aufwartet. Leider fällt das Ende des Thrillers etwas ab, da Koch hier einfach zu viel Dramatik einbaut. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, da die Figurenkonstellation genügend Brisanz mit sich bringt.
Alle Liebhaber der skandinavischen Krimi- und Thrillerlektüre dürfen auch hier gerne zugreifen. Besonders Fans von Autoren wie Eric Berg, Danielsson/Voosen oder aber auch Stieg Larsson kann dieser Thriller empfohlen werden.
Sven Koch, Knaur Taschenbuchverlag
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