Tod mit Zinsen

  • Rotbuch
  • Erschienen: Januar 2002
  • 1
  • New York: Dutton, 1996, Titel: 'Black Alley', Seiten: 234, Originalsprache
  • Hamburg: Rotbuch, 2002, Seiten: 282, Übersetzt: Lisa Kuppler
  • Berlin: Aufbau, 2004, Seiten: 281
Tod mit Zinsen
Tod mit Zinsen
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Michael Drewniok
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Mit Blei im Bauch dem Bösen hinterher

Privatdetektiv Mike Hammer wird alt. Er weiß es, nachdem ihn zwei Bauchschüsse fällten und deutlich mehr Zeit als früher verstreicht, bis er halbwegs auf den Beinen und den nichtswürdigen Strolchen hinterher ist, die ihn so rüde aus dem Weg schaffen wollten. Seinen Beinahe-Mörder, den Mafia-Kronprinzen Azi Ponti, hat Hammer zwar mit seiner alten .45er den Schädel vom Hals geschossen. Doch dessen Bruder, der verrückte Ugo, ist noch sehr lebendig und hat Blutrache geschworen.

Eigentlich wollte Hammer sich in Florida auskurieren. Doch in New York erwischt es seinen alten Armee-Kumpel Marcus Dooley, der als Buchhalter für den Mafia-Paten Lorenzo Ponti - Azis und Ugos Vater - gearbeitet hat. Voller Reue über seinen Absturz ins Verbrechen hat Dooley dessen größten Coup sabotiert: Lorenzo hat seine Konkurrenten aus dem Weg räumen lassen. Außerdem ließ er Gewinne der Mafia einsammeln. Die stolze Summe von 89 Milliarden Dollar ist dabei zusammengekommen, die Lorenzo für schlechte Zeiten bunkern wollte.

Wo blieben 90.000 Kisten voller Geld?

Das ist auch geschehen, doch hat Dooley das Geld in ein nur ihm bekanntes Versteck umgeleitet. Der wütende - und strohdumme - Ugo hat ihn dafür über den Haufen geschossen. Aber Dooley hält lange genug durch, um seinem alten Kumpel Mike Hammer auf dem Totenbett ein paar Hinweise zuzuraunen. Der Detektiv im Fast-Ruhestand begibt sich daraufhin noch einmal auf den Kriegspfad. Er will das Rätsel lösen, wohin knapp 90.000 große Kisten mit Bargeld verschwunden sind. Außerdem gilt es Freund Dooley zu rächen; das war dessen letzter Wunsch.

Die Mafia schätzt Hammers Rückkehr gar nicht. Lorenzo Ponti sucht sein Geld, Sohn Ugo will es selbstverständlich auch. Außerdem möchte er endlich selbst die Macht übernehmen und konspiriert gegen den eigenen Vater. Die Staatsanwaltschaft würde Hammer ebenfalls gern ausschalten. Aber der alte Mike schert sich einen Dreck um das Gesetz und plant einen seiner üblichen Ein-Mann-Feldzüge gegen die Mafia ...

Zum 50. schlägt's 13

Da ist er also, der 13. und wohl letzte Mike Hammer-Roman, dem erstaunten Publikum präsentiert zum 50-jährigen (!) Jubiläum dieses vielleicht rüdesten Krimi-Klassikers aller Zeiten. 1947 erschien Hammer in "I, the Jury” wahrlich mit einem Donnerschlag auf der Bildfläche. Ein reaktionärer Kotzbrocken war er, der glühend hasste, was jenseits seiner arg beschränkten Weltsicht lag. Verbrecher aller Art gehörten dazu, aber Hammer verließ sich nie auf das Gesetz, sondern definierte persönlich, was es zu bestrafen galt. Deshalb traf sein Bannstrahl ebenfalls Politiker (stets korrupt) wie Anwälte (macht- und geldgeiles Gesindel), Schwule, Schwarze, Emanzen oder sonstwie widerspenstige Frauen; die Liste war schier unendlich.

Mit den Jahren wurde Hammer immer verbohrter, bösartiger und brutaler, bis ihn die Zeit endlich einholte und er 1971 untertauchte. Aber die Zeit heilt alle Wunden, die Erinnerung an den bösen Burschen vergoldete sich, Gut & Böse produzierten sich in Literatur und Film in den folgenden Jahrzehnten in einer Weise, die Mike Hammer wie einen Waisenknaben dastehen ließ.

Als er sich 1989 wieder zurückmeldete, war er einerseits erschreckend und belustigend nostalgisch geworden. Zum Erstaunen der Hammer-Feinde (sowie zum Kummer seiner Fans, die den irren König der Selbstjustiz liebten und vermisst hatten) schaltete Autor Spillane in "The Killing Man” (dt. "Tote kennen keine Gnade”) einen Gang herunter und legte einen rasanten, sich einen Dreck um Logik scherenden Thriller vor. Erstaunlich gut geschrieben war dieses Buch auch. Spillane versteht sein Handwerk; dies geht nur immer wieder im Medienrummel unter. "Tod mit Zinsen” geht sogar noch einen Schritt weiter. Die Geschichte ist keine Abfolge wüster Schießereien und Morde. Es gibt eine Handlung. Wieder einmal überrascht Spillane mit atmosphärischen Bildern aus New York.

Es bleibt sogar Zeit für raue Gags: "Mit einer beiläufigen Geste griff Dr. Morgan nach der Bierdose und zerdrückte sie ... ´Die waren früher härter’, meinte er. ´Früher waren sie aus Stahl. Sie haben die Umwelt nicht belastet, sondern sind einfach weggerostet.’ ´Warum macht man sie heute aus Aluminium?’ ´Es gibt weniger davon, es ist teuer und es belastet die Umwelt mehr.’” (S. 21) Mickey Spillane gibt sich politisch weiterhin betont unkorrekt, aber er hat gelernt, seine notorisch empörten Kritiker subtiler zu piesacken ...

Plot mit Ali-Baba-Touch ...

Da fällt es leichter, den nicht nur absurden, sondern schwachsinnigen Plot zu verzeihen. Welchen Sinn macht es, 89 Milliarden Dollar Bargeld aufzuhäufen? Spillane geht davon aus, dass Alt-Mafiosi wie Lorenzo Ponti einen Hang zum Sparstrumpf haben. Doch dies ist einfach grotesk! Man benötigt eine Lagerhalle (oder Höhle), um so viel Geld zu horten. Das gibt Spillane offen zu. Er ist halt kein Krimi-Autor, der seine Verbrechen digitalisiert. Beute muss sich mit den Händen fassen lassen. Hier ist Spillane freilich über sein Ziel hinausgeschossen.

Die Vorstellung des Mickey Spillane von der Mafia gleicht etwa dem Ernst, mit dem George Lucas die imperialen Sturmtruppen Darth Vaders schildert. "Mafia” - das ist für Spillane ein böses Spiegelbild der "richtigen” Welt, ein kriminelles Schattenreich, das sich auf pure Brutalität gründet und von ebenso schlauen wie brutalen Unholden geleitet wird. So argumentierte einst J. Edgar Hoover, der paranoide Diktator-Direktor des FBI, wenn er seine polizeistaatlichen Aktivitäten rechtfertigen wollte. Mit der Realität hatten und haben solche Spukgeschichten für ängstlich-dumme Bürger wenig zu tun. Sie eignen sich indessen wunderbar für einen typischen Spillane-Reißer. Wir müssen uns nur daran gewöhnen, dass ein Autor die Chuzpe besitzt, solche Uralt-Feindbilder einzusetzen ...

Macht alles nichts, denn realitätsnah waren die Hammer-Reißer nie. Sie dienten der puren Unterhaltung und ermöglichten es dem Leser, ordentlich Dampf abzulassen, wenn Mike Hammer in seiner Vertretung allerlei Schurken in die Ärsche trat, hochmütige Respektspersonen beleidigte und schöne Frauen flachlegte. In abgeschwächter (= gereifter?) Form setzt Hammer dies in "Tod mit Zinsen” fort. Dass er dabei ein wenig leiser auftritt als sonst, ist keineswegs von Nachteil. Hand aufs Herz: Der Wüterich vergangenen Zeiten könnte nur mehr peinlich berührtes Grinsen erzeugen. Den Mike Hammer aus "Tod mit Zinsen” hingegen würden wir gern noch einmal wiedersehen!

Mr. Hammer tritt mit Stil ab

Was wohl ein unheiliger Wunsch bleiben wird, denn Mike Hammer nimmt Abschied. Er ist sich vollauf der Tatsache bewusst, ein Anachronismus zu sein. (Nicht umsonst ist übrigens der Schlupfwinkel eines alten Schnapsschmugglers ein Schauplatz von entscheidender Bedeutung.) Darüber hinaus ist er ernsthaft geschwächt durch seine schweren Verletzungen. Er kann dieses Mal nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern muss taktieren, seine zahlreichen Gegner täuschen, statt sie zusammenzuschlagen und abzuschießen. Dass er darin wenig Übung hat, bringt ihn immer wieder in ernsthafte Schwierigkeiten, aus denen ihm vor allem der eigene Mythos rettet. Mike Hammer schießt erst und fragt - vielleicht - dann; das imponiert auch dem Lumpenpack der Neuzeit.

Diese Altersweisheit steht Hammer erstaunlich gut zu Gesicht. Zum Zeitpunkt unserer Geschichte muss er die 70 bereits überschritten haben. (Spillane negiert das für langjährig agierende Krimihelden lästige Altern nicht völlig. Dass Hammer am II. Weltkrieg teilgenommen hat, ist wichtiger Bestandteil der Handlung.) Er hat sich bisher gut gehalten, aber die Uhr tickt auch für beinharte Eisenfresser. Ein bisschen zu stark tritt Spillane dennoch auf die Bremse. Die Wandlung vom Saulus zum Paulus erfolgt recht flott. Soviel Einsicht in die Realität hat Mike Hammer bisher niemals unter Beweis gestellt!

Jetzt will er sogar seine "Sekretärin” und Dauergeliebte Velda heiraten! Für sie gilt das Diktat der Zeit übrigens nicht, denn weiterhin lässt ihr Anblick allen Männern dieser Welt die Knie weich & andere Körperteile steif werden. Im Laufe vieler Jahrzehnte hat Velda stets geduldig Mikes Sturmläufe gegen das Böse unterstützt und seine Wunden verbunden. So hat sie sich diese Ehe weidlich verdient, zumal Spillane allerlei einfällt, um dem feierlichen Anlass die Sentimentalitäten zu nehmen.

Denkt daran: Schurken sind Abschaum!

Politisch erfreulich unkorrekt nimmt sich der Verfasser wieder seiner Schurken an. Kriminelle sind und bleiben Abschaum. Mit Don Lorenzo führt Hammer zwar ein fast philosophisches Gespräch über das Wesen des organisierten Verbrechens, aber dann will ihn der alte Mafiagangster gleich wieder umlegen lassen. Geld regiert die Welt, dazu kommt die Macht, gegen die auch die "Guten” nicht immun sind, was Spillane genüsslich für arge Respektlosigkeiten gegen die Regierung, die Justiz oder andere Sesselfurzer, die nicht an der Front dem wahren Recht Geltung verschaffen!

Ja, wir werden ihn wirklich vermissen, diesen Mike Hammer - rüde & roh, aber ehrlich in seiner Selbstgerechtigkeit, die zwar stets auch kalkuliert, aber oft genug Herz erfrischend war!

Tod mit Zinsen

Mickey Spillane, Rotbuch

Tod mit Zinsen

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