Durch Nacht und Wind
- Tropen
- Erschienen: Januar 2017
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- Stuttgart: Tropen, 2017, Seiten: 236, Originalsprache
- Berlin: DAV, 207, Seiten: 4, Übersetzt: Oliver Kalkofe
Clevere Literaten jagen skrupellosen Mörder
Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe und Staatsrat Schiller werden in eine Behelfsresidenz geschickt. Dort sollen sie zu einem angeblich von einem Fluch belasteten Ring Stellung beziehen. Die beiden gehen von einem Fall von Aberglauben aus, werden dann aber in einen Kriminalfall verwickelt, der ihren ganzen Scharfsinn erfordert. Die von Schiller aufgezeichnete, schier unglaubliche Geschichte, soll erst nach 150 Jahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wenn keiner der direkten Nachfahren der Beteiligten mehr lebt.
Der mehr als verwickelte Kriminalfall fordert unglaublichen Einsatz von Schiller und Goethe, aber die beiden in einer Art Hass-Liebe verbundenen Dichterkollegen zeigen sich hier als kongeniales Ermittlerduo. Allerdings benötigen die beiden zuweilen auch Hilfe von fachkundigen Experten, wenn ihre Recherchen ins Stocken geraten. Am Ende gibt es eine Auflösung, die mehr als überraschend ist.
Verlag nutzt den aktuellen Hype um Sherlock Holmes
Stefan Lehnberg ist Schauspieler und Regisseur, als Autor ist er bisher im humoristischen Genre unterwegs gewesen. Nun ist er auf die - nur auf den ersten Blick schräg wirkende - Idee gekommen, zwei deutsche Literatur-Ikonen als Ermittler in einen Kriminalfall zu versetzen. Der Verlag nutzt - wenig überraschend - den aktuellen Hype um Sherlock Holmes, und wirbt mit dem Aufdruck: "Goethe und Schiller: Das scurrilste Ermittlerduo vor Sherlock Holmes und Dr. Watson."
Naja, mag mancher Kritiker denken, was soll davon schon zu halten sein? Aber immerhin, vor Stefan Lehnberg ist - meines Wissens - niemand auf diese Idee gekommen. Dabei gibt es verblüffende Übereinstimmungen zwischen den literarischen Vorbildern Holmes und Watson einerseits, sowie - laut den überlieferten Fakten und Mythen - Goethe und Schiller andererseits.
Schiller erträgt mit Langmut den arroganten Goethe
Friedrich Schiller gibt bei Lehnberg sozusagen den Watson. Er erzählt die Geschichte und steht hinter Goethe in der zweiten Reihe. Auch Schiller wirkt leicht angekränkelt, ist gelernter Militärarzt, und mit seinem Literaten-Kollegen in inniger Freundschaft verbunden, die allerdings zuweilen durch ihre Konkurrenz in vielerlei Hinsicht überlagert wird. Schiller erträgt es aber mit Langmut, dass Goethe gerne den intellektuell überlegenen Ermittler gibt. Zuweilen pariert Schiller aber auch glänzend die Arroganz seines Freundes.
Goethe zeigt diese Arroganz ungeschminkt, ist vor allem aber eitel und selbstverliebt - und ähnelt darin der Kunstfigur des Meisterdetektivs Holmes ebenso wie mit beider Vorliebe für naturwissenschaftliche Experimente. Komplettiert werden die Übereinstimmungen durch die unorthodox-eigenwillige Lebensweise, die Goethe noch stärker als Sherlock kultiviert.
Durch die vielen Wendungen bleibt es außerordentlich spannend
Stefan Lehnberg hat diese Parallelen genutzt und einen spannenden und unterhaltsamen Kriminalfall in Weimar daraus zusammen gesponnen. Und natürlich hat er zahlreiche Anspielungen auf die Werke von Arthur Conan Doyle eingebaut. Fans von Sherlock Holmes, die dessen Welt, aber auch die von Goethe und Schiller kennen, werde außerordentlichen Spaß an der Lektüre haben. Aber das ist keine Voraussetzung, um die gut lesbare und spannende Geschichte zu genießen.
Die beiden Dichterfürsten haben hier einen Fall zu lösen, der ziemlich verwickelt ist, und durch die viele überraschenden Wendungen bleibt es stets außerordentlich spannend.
Zuweilen greift der Autor ziemlich tief in die Trickkiste, etwa als er Goethe und Schiller einen Heißluftballon der Brüder Montgolfier kapern lässt, um den fliehenden Verbrecher zu verfolgen. Aber wer will bei einem Kriminalfall zu den Lebzeiten dieser beiden Dichter schon genau auf den Realitätsgehalt der Handlung schauen? Ich habe mich auf den prall gefüllten 237 Seiten vortrefflich und kurzweilig unterhalten gefühlt. Möglicherweise werde ich den Faust jetzt mit ganz anderen Augen lesen.
Stefan Lehnberg, Tropen
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