Fake
- Tropen
- Erschienen: Januar 2018
- 6
- Stuttgart: Tropen, 2018, Seiten: 352, Übersetzt: Ulrike Wasel & Klaus Timmermann
Wenn die falschen Nachrichten von der Realität getoppt werden
Eine per Drohne gesteuerte amerikanische Hellfire-Rakete tötet ein wichtiges Mitglied des islamischen Staates, weit im syrischen Hinterland. Catherine Finch, zunächst als freiwillige Ärztin in Krankenhäusern, seit einigen Jahren schon als Geisel des IS in Syrien, war auch in dem Haus und gehört offenbar ebenfalls zu den Opfern.
Sie hat in Auftritten auf Youtube gegen die amerikanische Rolle in diesem Konflikt gewettert, gilt als populäre Friedensaktivistin.
Der Angriff war offenbar nicht von höchster Stelle autorisiert, denn die Nachricht von ihrem Tod würde die aktuelle Friedensinitiative des amerikanischen Präsidenten gefährden.
Pete Town, CIA-Agent in Rente, soll dafür sorgen, dass die Welt noch ein paar Tage glaubt, Catherine Finch sei am Leben. Er macht sich auf den Weg, ohne zu wissen, worauf er sich genau einlässt. Der Auftrag ist nicht nur schwierig, sondern lebensgefährlich, denn Town trifft auf mächtige Gegner ohne jeden Skrupel.
"Fake news" ist mehr als ein politischer Kampfbegriff
Seit Roger Smith als James Rayburn unterwegs ist, hat er offenbar Gefallen daran gefunden, seine Geschichten nicht nur im Süden von Afrika, sondern auch an anderen Brennpunkten der Welt anzusiedeln. "Sie werden dich finden" hatte einen Showdown auf einer Insel in der Andaman-See zu bieten, jetzt geht es in die syrische Wüste. Smith fährt einiges auf, was derzeit in der politischen Debatte um Krieg und Frieden im Nahen Osten eine Rolle spielt.
Per Drohne gesteuerte und ausgeführte Raketenangriffe auf die Führungsebene des IS, eine amerikanische Ärztin, die in einer speziellen Ausprägung des Stockholm-Syndroms auf Youtube gegen den Westen und seine Rolle im syrischen Krieg wettert. Waffenhändler und ihre Handlanger, die in der Politik nicht nur durch Bestechung mitmischen. Und die nicht erst seit Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus überaus brisante Frage: Welche Nachrichten sind echt - und welche eben nicht? Fake news ist mittlerweile nicht nur in den USA mehr als ein politischer Kampfbegriff.
Es ist schon ein sehr spezieller Plot, den der Autor hier vorlegt. Und es ist immer wieder erschreckend, in einem Thriller zulesen, was alles inszenierbar ist und wie Menschen getäuscht werden. Wobei speziell in der Öffentlichkeit etliche Täuschungen auch deshalb funktionieren, weil sich die Menschen täuschen lassen (wollen).
Gealterter Agent spielt gerne noch einmal mit
Rayburn schildert nachvollziehbar, dass die Friedensaktivistin mit ihren Auftritten im Internet unbedingt wieder der Öffentlichkeit präsentiert werden muss, um die Verhandlungen nicht zu torpedieren. Hier tritt Pete Town auf den Plan, ein früherer CIA-Agent, der als Rentner bestrebt ist, mit seiner Frau Anne ein ruhiges Leben zu führen. Pete ist nur zu gerne bereit, den Job zu übernehmen, denn irgendwie fehlt ihm in seinem Pensionärsdasein etwas.
Die Aufgabe ist jedoch nicht so einfach, wie er sich das vorgestellt hat. Pete gerät schnell zwischen die Fronten, weil mächtige Interessengruppen mitspielen, die keinerlei Skrupel haben.
Der Autor zeigt hier deutlich, wie amoralisch der internationale Waffenhandel und die damit verbundene Politik - oder die gekauften Politiker - sind.
Town ist eine überaus interessante Figur. Seine Frau war - bevor die beiden sich kennenlernten - für den KGB tätig. Nach dem Kollaps der Sowjetunion ist sie nie enttarnt worden, und glaubt, dass ihr Ehemann nichts von ihrer Vergangenheit weiß. Es gibt dann einige familiäre Überraschungen - eine nette Nebengeschichte in diesem spannenden Thriller.
Loyalität hat ihren ganz speziellen Preis
Rayburn nutzt die ziemlich lange Ouvertüre in seinem Buch, um einige Inhalts-schwere Dinge zu präsentieren, bevor es mit der Action so richtig losgeht. Der Autor zeigt, wie Waffen-Produzenten und Händler außerhalb des Rechts agieren. Da wird sich einfach eine Familie gekauft, die man wieder entsorgen lässt, wenn es doch nicht so funktioniert. Und zwar vom Personal, einem Verbrecher-Ehepaar aus Südamerika, das sich in Amerika auf skurrile Weise seinen Ruhestand verdient.
Neben den Lobbyisten und ihren perfiden Handlangern gibt es dann noch vermeintlich starke Männer in verschiedenen Geheimdiensten, die kaum noch Loyalität für ihr Land verspüren, und sich ohne Skrupel an den meistbietenden Interessenten verkaufen. Da muss Pete Town schon froh sein, auf einen alten Widersacher zu treffen, mit dem er immerhin eine kollegiale Verbundenheit hat. Der frühere Führungsoffizier seiner Frau mischt aus russischer Seite immer noch mit - und hilft dem Amerikaner aufgrund gleich gelagerter Interessen.
Es wirkt erholsam, wenn jemand knapp und präzise schreibt
Lügen für den Frieden, Waffen-Schieber, die das verhindern wollen, käufliche Polizisten und Geheimdienstler - und dann noch der Ehemann der entführten Ärztin, der aus der ganzen Situation seinen persönlichen Profit schlägt. James Rayburn macht daraus einen spannenden und gut lesbaren Thriller, der vor allem in der zweiten Hälfte mächtig Fahrt aufnimmt.
Dabei pflegt der Autor einen in meinen Augen recht lakonischen Erzählstil, lässt überflüssiges Beiwerk weg.
Er hätte das Buch locker auf 500 Seiten aufpusten können, der Plot hätte das sicher hergegeben. Aber die 383 Seiten machen das Werk kompakt - und sind völlig ausreichend. Autoren und Rezensenten brauchen zuweilen viele Worte, um sich ausdrücken zu können. Da wirkt es erholsam, wenn sich jemand knapper und präziser ausdrückt.
Im rasanten Finale hält James Rayburn noch einige Überraschungen für den Leser bereit, die nicht allen gefallen werden. Aber, so finde ich jedenfalls, dabei ist er irgendwie konsequent, und bleibt beim roten Faden seiner Geschichte. Inhalt, Schreibstil, kurze und knappe Kapitel - Roger Smith weiß auch als James Rayburn seine Leser hervorragend zu unterhalten.
Roger Smith, Tropen
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