Blutrausch - Er muss töten
- Ullstein
- Erschienen: August 2018
- 22
Original-Titel: The Gallery of The Dead
Aus dem Englischen übersetzt von Sybille Uplegger.
Tiefsinnige Botschaften auf nackter Haut
Robert Hunter und Carlos Garcia haben einen neuen, wieder einmal beunruhigenden Fall zu lösen. Das ist für die beiden Sonderermittler der Polizei von Los Angeles nichts besonderes. Sie bilden schließlich die Ultra-Violett-Einheit, das Team für besonders brutale Gewaltverbrechen und Morde. Und um solch einen Fall handelt es sich hier ohne jeden Zweifel.
Der Mörder hat die Leiche seines Opfers wie ein Kunstwerk drapiert. Linda Parker wurden die Hände und die Füße abgetrennt, ihr Körper gehäutet - bis auf ein kleines Areal auf dem Rücken. Dort wurde ein lateinischer Spruch in die Haut geschnitten: “Schönheit umgibt sie.” Um die Verwirrung komplett zu machen, liegt im Kühlschrank eine schwarz-weiße Katze.
Wie gewohnt tragen Hunter und Garcia zunächst die Fakten zusammen und recherchieren im Umfeld von Linda Parker. Die These, der Täter habe mit dem Arrangement der Leiche ein Kunstwerk schaffen wollen, findet Captain Blake, die Vorgesetzte von Hunter und Garcia, ziemlich gewagt.
Der deutsche Titel des Romans ist völlig irreführend
Von Kritikern wird Chris Carter gerne mal vorgeworfen, seine Romane seien einerseits zu brutal, andererseits sprachlich zu schlicht. Dazu mögen Literaturwissenschaftler ihre ganz spezielle Meinung haben. Für mich ist Carter weit vom Splatter-Niveau entfernt, zumal bei ihm die exzessive Gewalt keineswegs im Vordergrund steht. Die negativen Urteile werden möglicherweise durch die in aller Regel ziemlich reißerischen deutschen Titel der Romane befördert.
Hier wird allerdings - mutmaßlich von der Marketing-Abteilung des Ullstein-Verlags - durch eine unpassende Titelwahl aufs Verkaufen gesetzt, weniger auf Korrektheit bei der Übersetzung. “Gallery of the Dead”, also “Galerie der Toten”, gibt den Inhalt des Buches deutlich besser wieder, als “Blutrausch”. Davon kann nämlich gar keine Rede sein, wie sich bei der Lektüre ziemlich schnell herausstellt.
Aufbahrung der Leichen hat eine ganz besondere Bedeutung
Die Detectives finden vielmehr heraus, dass Augen, Hände oder Füße bei den verschiedenen Opfern - es gibt weitere Tote - post mortem entfernt wurden. Und Linda Parker wurde auch erst gehäutet, als sie bereits tot war. Die Opfer werden jeweils erstickt, nachdem sie betäubt wurden. Es handelt sich also um eine eher schonende Tötung, wenn man es so ausdrücken will.
Die Aufbahrung der Opfer, und die lateinischen Sprüche, die bei allen in die Haut auf dem Rücken eingeritzt werden, haben eine spezielle Bedeutung, dessen sind sich die Forensiker schon bald sicher. Es dauert allerdings einige Zeit, bis die Ermittler herausfinden, was es mit der Präsentation der Leichen auf sich hat.
Plötzlich tauchen die “großen Jungs” vom FBI auf
Wenn sich die “großen Jungs” vom FBI, also der amerikanischen Bundespolizei, in einen Fall einklinken, gibt es in aller Regel Frust bei den lokalen Ermittlern und in der Folge entsprechenden Zoff. Als es wegen der Morde in Los Angeles Alarm bei einer Sondereinheit des FBI gibt, verläuft es nicht anders. Hunter reagiert zurückhaltend, als die Bundesagenten auftauchen, Garcia fühlt sich auf den Schlips getreten. Es ist aber spezieller als sonst, denn es gibt eine persönliche Betroffenheit bei Adrian Kennedy, dem Leiter der Sondereinheit. Und weil er und Hunter sich gut kennen, raufen sich die Ermittler des LAPD und des FBI schneller zusammen, als das sonst üblich ist. Das klingt alles glaubwürdig, denn persönliches Vertrauen hilft immer dabei, Animositäten und Zuständigkeitsstreitereien zu überwinden.
Die Bundesagenten nennen den gesuchten Serienmörder den “Chirurgen”, weil er offenbar medizinische Fachkenntnisse hat. Das hat sich zumindest aus den forensischen Untersuchungen ergeben. Die akribische Untersuchung der Tatorte und der Leichen spielt - wie in den Romanen von Chris Carter üblich - eine überaus wichtige Rolle bei der Ermittlungsarbeit.
Wer hoch-literarische Krimis sucht, ist bei Carter falsch
Schon in meiner Rezension zu “Death Call” habe ich angemerkt, dass Chris Carter von meinen auf hohe literarische Ansprüche fixierten Kollegen heftig verrissen wurde. Die Leser sehen das im Durchschnitt anders, die jüngsten Werke wurde alle mit 80 Grad und mehr im Durschnitt bewertet. Einige ältere Bücher lagen um 70 Grad. “Blutrausch” hat von den Lesern überwiegend mehr als 90 Grad bekommen, dem kann ich mich allerdings bei diesem Werk nicht ganz anschließen.
Aber spannend und kurzweilig ist das Buch, auch wenn es möglicherweise wieder zu “stromlinienförmig” ist, zu viele Klischees bedient, und nur auf den Erfolg der Serie orientiert geschrieben wurde. Wer nur hoch-literarische Kriminalromane lesen möchte, ist bei Carter sicherlich falsch. Aber es gibt eben auch viele Leser, die mit einer spannenden und kurzweiligen Geschichte einfach unterhalten werden wollen.
Carters Geschichten sind spannend, und seine Beschreibung der kniffligen Überlegungen der Ermittler in “Blutrausch” finde ich bemerkenswert. Möglicherweise sind seine Bücher im Laufe seiner Arbeit als Autor durchdachter und besser geworden. Irgendwie muss sich sein Studium der forensischen Psychologie ja mal auswirken. Völlig egal - wer einen rasanten und spannenden Thriller sucht, ohne Poesie und sonstige literarische Höhenflüge, der wird hier mehr als gut bedient.
Chris Carter, Ullstein
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