Tiefer denn die Hölle
- Ullstein
- Erschienen: Januar 2018
- 10
- Berlin: Ullstein, 2018, Seiten: 400, Originalsprache
Solider Spannungsaufbau mit kleinen Mängeln
Dunkler Einstieg
Schon der Beginn des Romans lässt nichts Gutes erhoffen. Ein Baby ist in Gefahr, und Bauer versucht es zu retten. Ob es ihm gelingen wird, bleibt offen, ebenso wie die zeitliche Einordnung der Szene in die Gesamthandlung. Dadurch fragt man sich unwillkürlich, ob es Bauers eigenen Kind sein könnte, denn seine Frau Sarah ist schwanger.
Zunächst aber folgt ein verzweifelter Brief eines Kindes, bei dem man nicht weiß, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Im Verlauf der Geschichte werden mehrere Briefe eingestreut, deren Herkunft aber lange verborgen bleibt, weshalb der Leser zwischen mehreren Personen raten kann, was die Spannung erhöht. Auch die kurzen Sätze erzeugen Spannung und Atemlosigkeit, so dass selbst eine Fährüberfahrt über den Rhein zu einem aufregenden Erlebnis wird.
Das Ruhrgebiet in all seinen (grauen) Facetten
Die Autoren, beide nicht fern vom Ruhrgebiet beheimatet, fügen interessante Fakten zum Bergkohleabbau ein, wie zum Beispiel die Beschreibung der Pumpen, die die Stollen vom Grubenwasser frei halten sollen und als "Ewigkeitslasten" bezeichnet werden. Ebenso kennen sie sich im Polizeialltag aus, wenn sie von einer "Fußstreifenwache" erzählen. Das macht die Geschichte sehr greifbar und gibt entscheidende Impulse.
Leider wird die ausführliche Beobachtung der Gegend und der Geschichte des Landstriches nicht auf die Charaktere übertragen, die ein wenig zu eindimensional in ihren Aktionen und Meinungen wirken wie der intrigante Kollege, der in all seinen Eigenschaften negativ ist oder die neue Kollegin, die nur ehrgeizig auf den Beruf fixiert scheint. Da hätten wenige Sätze zum Privatleben oder spezielle Handlungen schon gereicht, um mehr Tiefe zu bewirken, wie es bei den Hauptprotagonisten auch geschehen ist (als Bauer beispielsweise Vaals' Wohnung durchsucht).
Kleine Fauxpas
Nur langsam entwirren sich die beiden parallel laufenden Handlungsstränge zu einem komplexen Geschehen, was durchaus anregend geschrieben ist. Es werden Hinweise gesetzt, aufgegriffen und in Zusammenhang gebracht. So wünscht sich der Leser einen Kriminalroman.
Einzig dass die Sprache zuweilen etwas holperig ist ("dabei schien er sich wirklich anzustrengen nachzudenken.") und auch dass sich einige logische Fehler eingeschlichen haben (zunächst heißt die Mutter von Julian Slomka Doris, eine Seite weiter Marion), trübt ein wenig die Lesefreude.
Solide Krimiunterhaltung
Nichtsdestotrotz gibt es am Ende eine kleine Aufklärungsüberraschung, mit der man nicht unbedingt gerechnet hat. Alles in allem ist der zweite Teil um Polizeiseelsorger Martin Bauer - den ersten muss man nicht zwangsläufig kennen, aber es gibt einige Hinweise darauf, weshalb es hilfreich wäre - bodenständige Krimikost, ähnlich wie die Gegend, in der er spielt.
Peter Gallert, Ullstein
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