Falscher Zauber
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2003
- 1
- New York: G. P. Putnam’s Sons, 1999, Titel: 'Shell Game', Seiten: 374, Originalsprache
- München: Goldmann, 2003, Seiten: 508, Übersetzt: Berthold Radke
Fünf alte Zaubermeister kommen noch einmal zusammen, um dem Publikum die größten Tricks eines verstorbenen Kollegen zu präsentieren. Leider ist nicht mehr ganz genau bekannt, wie diese funktionieren, was fatale Auswirkungen hat: Magier Oliver Tree entkommt nicht wie geplant seiner sorgfältig konstruierten Todesfalle, sondern wird von gleich vier Armbrustpfeilen aufgespießt. Er ist das erste Opfer, aber er wird nicht das letzte bleiben.
Ein Unfall - so die Polizei. Mord - so Kathleen Mallory, die Kriminalistin mit dem rasiermesserscharfen Verstand, aber ohne Herz oder Seele. Gegen den Widerstand ihres Partners Charles Riker oder ihres Mitstreiters Charles Butler und ohne Rücksicht auf die Medien macht sich Mallory an die Aufklärung des Falls.
Die fünf alten Männer teilen ein düsteres Geheimnis
Denn die fünf alten Männer teilen ein düsteres Geheimnis: Vor mehr als einem halben Jahrhundert lebten und zauberten sie im von den Deutschen besetzten Frankreich. Stets wurden sie von den Nazis bedroht, mit denen sie wahlweise kollaborierten, die sie betrogen oder im Widerstand bekämpften.
1942 brach der Freundeskreis nach dem Mord an der schönen und blutjungen Louisa Malakhai auseinander. Einer der ihren muss sie umgebracht haben, so Mallory, und nun ist der Tag der Abrechnung gekommen. Doch wieso ließ die Rache so lange auf sich warten? Mallory verdächtigt Malakhai, dem eine Krankheit nur noch wenig Zeit zur Rache lässt und der sich außerdem nach 1942 als Heckenschütze verdingte, bis er sogar der Armee zu unheimlich wurde.
Zwei psychotische Seelen haben sich gefunden
Es beginnt ein Duell zwischen Mallory und Malakhai, das unterschwellig durchaus erotische Züge aufweist: Zwei psychotische Seelen haben sich gefunden und können voneinander nicht lassen. Dieses Feld wird nur eine/r lebendig verlassen, aber selbst das ist nicht sicher ...
Die Thriller der Carol O´Connell waren schon immer ein wenig anders. Zum solide fundamentieren, komplexen und sorgfältig entwickelten Plot kommen Figuren, die ihresgleichen suchen. Die Hauptperson ist eine lupenreine Soziopathin. "Maschine Mallory" gilt als Frau ohne Seele. Ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber als "normal" kann man sie wirklich keinesfalls bezeichnen.
O´Connell schafft jedoch etwas Größeres: eine fremde, seltsame Welt
Nun tummeln sich im modernen Thriller geistig deformierte Übeltäter rudelweise. Sie waten jedoch in der Regel nur durch Blut und Gedärme und erzeugen im Leserhirn (wohligen) Ekel. O´Connell schafft jedoch etwas Größeres: eine fremde, seltsame Welt - die Welt von Mallory, die neben der unseren existiert, aber nur wenige Berührungspunkt aufweist.
Was das genau bedeutet, vermag uns die Autorin dieses Mal leider nicht mehr ganz so deutlich zu machen wie in den ersten vier Bänden der Mallory-Serie, die auch eine Odyssee der Heldin in die eigene Vergangenheit bedeuteten. Im fernen Lousiana kam es zum Showdown mit Mallorys Dämonen (Der steinerne Engel). Damit war ihr persönlichen Passionsweg zunächst zu Ende.
Einen Gang zurück
"Falscher Zauber" schaltet notgedrungen einen Gang zurück. Wir sind erneut in New York, der Alltag hat unser Dreigestirn Mallory - Riker - Charles Butler wieder. Der Fokus hat sich leicht verschoben. Nicht mehr Mallory und ihr bizarres Schicksal stehen zunächst im Mittelpunkt. Der auf seine Art seelisch beschädigte Malakhai nimmt diesen Platz ein. Er ist eine Art älterer Mallory, was die Anziehungskraft zwischen dem ungleichen Paar erklärt.
Erst das Schlusskapitel spielt wieder in Mallorys privater Schattenwelt. Sie zeigt inzwischen Schwachpunkte und Gefühle, aber die ebenso ausgeklügelte wie unbarmherzige seelische Hinrichtung von Louisas vor dem Gesetz, aber nicht vor Mallory unbestraft bleibendem Mörder zeigt, dass sie wohl niemals ein ordentliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft werden kann.
Über Kathleen Mallory haben wir an dieser Stelle schon ausführlich gesprochen; ihre Geschichte ist integraler Teil der Handlung. Einige Worte sollten aber auch über ihre Begleiter verloren werden.
Eine menschlichen Zeitbombe
Kollege Riker bemüht sich weiterhin, das Vermächtnis seines Freundes Markowitz zu erfüllen und dessen Pflegetochter väterlich oder wenigstens freundschaftlich von einer menschlichen Zeitbombe in eine tragbare Polizei-Kollegin und womöglich in eine zivilisierte Zeitgenossin zu verwandeln. Ein undankbarer Job, der mit ständigem Ärger und Frustrationen verbunden ist. Riker gibt dennoch nicht auf und lässt dabei Einblicke in einen Charakter zu, der sich längst nicht auf den ausgebrannten, zynischen Klischee-Bullen beschränken lässt.
Charles Butler bemüht sich ebenfalls um Mallory, in die er weiterhin hoffnungslos verliebt ist. Das wird noch Stoff für einige Romane geben, denn diese Lovestory kann kaum ein Happy-End finden. "Falscher Zauber" zeigt den hoch intelligenten, aber allzu menschlichen und daher verletzlichen Butler von einer neuen Seite. Er begibt sich in Lebensgefahr, doch statt sich wie gehabt von Mallory retten zu lassen, behält er dieses Mal das Heft selbst in der Hand.
Der charismatische Killer mit der Geisterfrau
Malakhai, der charismatische Killer mit der Geisterfrau, ist eine typische, d. h. schwer zu fassende oder einzuschätzende O´Connell-Figur. Niemals erklärt die Verfasserin wirklich, wie seine erstaunlichen Tricks funktionieren. Sie impliziert dadurch, dass Malakhai womöglich wirklich zaubern kann. Vielleicht finden einige seiner Tricks aber auch nur in Mallorys außerhalb der Norm arbeitendem Geist statt.
Großartig auch die Idee, Malakhais Gedächtnis sich selbst allmählich löschen zu lassen. Der Rächer steht nicht nur im Wettlauf mit der Polizei, sondern auch mit dem eigenen Hirn, denn mordet er nicht rasch genug, vergisst er darüber seine Rache. (Keine Sorge, dies ist kein "Spoiler" - O´Connell erzählt uns bereits auf den ersten Seiten, wer hinter den magischen Morden steckt - ihr geht es um das Warum und Wie, weniger um das Wer.)
Carol O'Connell, Goldmann
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