In deinem Namen
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2018
- 3
- New York: Dutton, 2017, Titel: 'Don't let go', Seiten: 351, Originalsprache
- München: Goldmann, 2018, Seiten: 420, Übersetzt: Gunnar Kwisinksi
Ein cooler Held, der die Welt retten will
Das verlorene „Früher“
Es ist eine mehr oder weniger bekannte Tatsache, dass der Pinsel der Erinnerung immerzu golden malt. Ob es danach also eine gute Idee ist, die Gegenwart mit der Vergangenheit zu vergleichen und zu behaupten, dass doch früher sowieso alles besser war, ist zumindest fraglich. Dennoch gibt es nachvollziehbare Gründe für die Unfähigkeit, sich nicht aus der Vergangenheit lösen zu können.
Wer unvermittelt aus einer glücklichen Zeit mit einem harmonischen Familien- und Freundeskreis herauskatapultiert wurde, der tut sich möglicherweise nach diesen traumatischen Erfahrungen sehr schwer damit, in die Zukunft zu sehen und das neue Leben anzunehmen. Der verliert sich möglicherweise in seiner Trauer – auch wenn er vordergründig funktioniert.
Wenn die Welt urplötzlich zerbricht
Für Napoleon Dumas hat die Zukunft mit dem tragischen Tod seines Zwillingsbruders und dem gleichzeitigen Verschwinden seiner Jugendliebe Maura aufgehört zu existieren. Alles zerbrach, sein zweites Ich, seine zweite Hälfte – wen wundert es, dass er nicht nach vorne schauen kann und immer noch in Dialogen mit seinem Bruder gefangen ist. Dennoch ist es nicht so, dass er nicht sein Leben meistert.
Hier aber sieht er es als seine Aufgabe, Katastrophen zu verhindern. Es überrascht daher nicht, dass er Polizist geworden ist – wenn er auch das Gesetz nach eigenen Maßstäben auslegt – verwundern muss auch nicht, dass er wildfremde Menschen, die rauchend an der Ecke stehen, ihrer Gesundheit zuliebe bittet damit aufzuhören. Ein Psychologe braucht man hier nicht zu sein – Nap konnte seine Familie nicht retten – jetzt macht er das bei Anderen.
Dennoch muss er sich mit der Vergangenheit und dem tragischen Abend erneut auseinandersetzen, als die Fingerabdrücke seiner damaligen Freundin in einem brandaktuellen Mordfall wieder auftauchen. Hin- und hergerissen zwischen der aufflammenden Hoffnung, Maura wieder zu sehen, und der stetig wachsenden Erkenntnis, dass der Freundeskreis seines Bruders mehr als ein „Rätselclub“ war, der möglicherweise auch jetzt noch seine Mitglieder in Gefahr bringt.
Ein Held ohne Rüschen und Lametta
Harlan Coben schildert das Leben und die Ermittlungen seines Helden Nap Dumas in einer Sprache, die an den Stil des berühmten Privatdetektivs Philipp Marlowe erinnern. Erzählt wird in der Gegenwart, Schnörkel oder Rüschen sind nicht seine Sache, Geradlinigkeit und Unbestechlichkeit dagegen schon und somit vermittelt der Ich-Erzähler seine eigene entspannte Coolness. Im ruhigen Tempo entspinnt sich daher die Geschichte, die sich nicht nur die Tragödie der Vergangenheit widmet, sondern auch schildert, wie Verleumdungen im Internet ein Leben zerstören können.
Coben führt seine Leser geschickt auf unterschiedliche Spuren: Was hatte es mit der alten Raketen-Basis auf sich? Ist es ein Zufall, dass alle Mitglieder eines Jugendclubs, der sich mit unerklärlichen Vorkommnissen auf der Basis befasste, verstarben – und zwar nicht friedlich in ihren Betten? Mit der Aufklärung aller Rätsel behält der Autor seinen ruhigen und geradlinigen Stil bei, wenn auch angemerkt werden kann, dass man die Urheberin oder den Urheber der Todesfälle recht zeitig erahnen kann.
Aber immerhin – erahnen ist nicht wissen. Als Fazit bleibt, dass auch dem Pinsel der Erinnerung im Licht neuer Erkenntnisse manchmal die goldene Farbe ausgeht – aber dass das auch im Angesicht der Gegenwart und der Zukunft, die auch zu leben ist, auch eine gute Sache sein kann.
Harlan Coben, Goldmann
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