Tödliche Teestunde

  • Bastei Lübbe
  • Erschienen: Januar 1992
  • 2
  • Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 1992, Seiten: 205, Originalsprache
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Jörg Kijanski
55°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Friesischer Lokalkolorit - Fehlanzeige!

Vor der Abiturprüfung geht es bei Oberstudienrat Warringa um die Literatur Kafkas. Während die meisten Schüler eher gelangweilt dem Unterricht folgen liefern sich die hübsche Dagmar von den Höfen und die ebenfalls gut aussehende, allerdings im Rollstuhl sitzende Türkin Sevda Yildizlar ein wortreiches Duell, bei dem gewisse "deutschfreundliche" Tendenzen bei Dagmar herauszuhören sind. Als sich Sevda in einer Pause dazu verleiten lässt ihren Lieblingslehrer Warringa zu küssen, was in der Tradition ihres Heimatlandes in diesem Fall als Zeichen der Dankbarkeit verstanden wird, gerät Warringa unfreiwillig in die Schusslinie seines Kollegen und Widersachers Dehart sowie des Schuldirektors Dr. Sandmann.

Wenig später besucht Warringa bei einer Fahrradtour Dagmar auf dem elterlichen Bauernhof, woraufhin ihn diese zu einer Tasse Tee einlädt. Kurz darauf wird Dagmar tot von ihren Eltern aufgefunden, die allerdings auch gesehen haben, wie eine Türkin den Bauernhof auf ihrem Fahrrad verlies. Kommissar Lehnartz und sein Assistent Sperber erkennen schnell, dass es sich bei der Türkin um Sevdas Mutter handelte, die Dagmar zur Rede stellen wollte. Sie beschwört jedoch, dass Dagmar bereits tot gewesen sei, als sie deren Wohnung betrat. Kurz darauf wird Warringa, dessen Fingerabdrücke überall zu finden sind, festgenommen. Nur Sevda glaubt an seine Unschuld und beginnt mit eigenen Ermittlungen.

Dann wird in einem nahe gelegenen Waldstück ein Schwarzer aufgefunden, der sich offenbar erhängt hat. Doch wie passen der Mord an einer Abiturientin und der vermeintliche Selbstmord eines - wie sich herausstellt - Journalisten aus Kenia zusammen? Schnell erkennen Lehnartz und Sperber, dass Dagmar ein sehr lebenslustiges Mädchen mit zahlreichen Männerbekanntschaften war und das eine heiße Spur in die "Sielbar", einen exklusiven Nachtclub, führt, in dem vor einigen Wochen junge Mädchen aus Kenia ihre "Auftritte" hatten...

Wenn Sie selber einmal mit dem Gedanken gespielt haben, eine Rezension für die Krimi-Webseite Ihres Vertrauens zu schreiben, hier ein Beispiel wie einfach dies sein kann.

S. 183 (Mitte): "Lehnartz zahlte bei der barbusigen, niedlichen japanischen Puppe, die ihm gerade bis zu seinen Ellbogen reichte."

S. 184 (Mitte): "Lehnartz zahlte bei der barbusigen, niedlichen japanischen Puppe, die ihm gerade bis zu seinen Ellbogen reichte."

Noch Fragen?

So einfach könnte es sein, wohlgemerkt könnte, denn neben diesem peinlichen Fauxpas gibt es ja noch ein wenig mehr zu bewerten. Zum Beispiel den Inhalt, der den Leser aus dem friesischen Städtchen Norden geradewegs nach Kenia katapultiert. Denn was als "einfacher Mord" an einem schönen jungen "Ding", das es offenbar mit fast allen Männern trieb die interessiert waren, beginnt, nimmt beeindruckende Ausmaße an. LKA, BKA, Kenianische Botschaft, Prostitution, kulturelle Differenzen usw... Zwischendrin besagte junge, im Rollstuhl sitzende Türkin, die den Beamten immer wieder Hinweise gibt, in welche Richtung sie doch bitte schön zu ermitteln haben, denn ihr Lieblingslehrer Warringa könne einfach nicht der Täter sein.

Und was ist mit Warringa selbst? Der wird auf den Seiten 64/65 verhaftet, sagt keinen Ton zu seiner Entlastung ("Nee, is' klar"; Anmerkung des Rezensenten) und taucht erst wieder auf der vorletzten Seite (205) auf, als er aus der Untersuchungshaft entlassen wird ("Nee, is' klar"). Warum sollte man Warringa, den Hauptverdächtigen, auch einem Verhör unterziehen, man hat ja seine Fingerabdrücke. Danach schwenkt die Handlung bzw. Ermittlung konsequenterweise fast ausschließlich in Richtung des toten Kenianers.

Kurze, einfache Sätze, alles leicht verständlich und dennoch schlägt die Handlung an mancher Stelle ihre Kapriolen. Bedingt durch Dagmars Männerbekanntschaften fehlt es nicht an Verdächtigen und durch die "Kenia-Geschichte" wird die Verwirrung keineswegs geringer. Wer einfach nur mal drei, vier Stunden abschalten und den (die?) Täter erraten will, der darf hier zugreifen, sofern ein oberflächlicher Plot nicht stört.

Okay, ich gebe es zu. Ich habe zuerst gelesen, dass dieses Buch als "Tatort" verfilmt wurde ("Mord hinterm Deich", 1996, mit Manfred Krüger und Charles Brauer) und dann erst das Buch gelesen. Vielleicht kam ich mir deswegen wie in einem Drehbuch vor. Die Story wechselt von Befragung zu Befragung, wobei sich auch die (Dreh-)Orte ständig ändern. Alles wird nur ganz grob skizziert, damit man weis, wo man sich befindet und das war es schon. Ebenso plötzlich enden viele Zeugenbefragungen. Friesischer Lokalkolorit - Fehlanzeige! Gerade mal ein einsam verlassener Satz in Plattdeutsch.

Die "Minuspunkte" überwiegen deutlich, aber angesichts des geringen Buchumfanges kann man dennoch zugreifen, um die Rätsel (Mord an Dagmar, Tod des Journalisten) zu lösen. "Sensationelles" hinsichtlich der Auflösung darf man aber nicht erwarten, vielmehr kommt einem das/die Motiv/e bestens bekannt vor. Wie ein "Tatort" eben.

Tödliche Teestunde

Theodor J. Reisdorf, Bastei Lübbe

Tödliche Teestunde

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