Wolf Road
- Arctis
- Erschienen: Januar 2017
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- London: Harper Collins, 2016, Titel: 'The wolf road', Seiten: 400, Originalsprache
- Hamburg: Arctis, 2017, Seiten: 4, Übersetzt: Leonie Landa
Flucht vor einem mordenden Ziehvater - und vor sich selbst
Einen Genre-Mix zu schreiben, ist immer riskant. Zu groß ist die Gefahr, dass man die Fans des einen oder anderen Genres oder sogar beide enttäuscht. Ein Genre-Mix als Debüt zu schreiben, ist sogar noch riskanter, denn der Autor oder die Autorin hat da noch keine Fangemeinde, die eine eventuelle Enttäuschung verzeihen könnte. Beth Lewis ist das Wagnis mit ihrem ersten Roman eingegangen und ob ihr Mut belohnt werden wird, wird die Zeit und die Meinung der Leser zeigen. Wolf Road kämpft auf jeden Fall mit dem oben genannten Dilemma, es ist weder Fisch noch Fleisch, weder reiner Thriller noch reine Dystopie, sondern eben eine Mischung aus beidem. Für überzeugte Dystopie-Fans dürfte die dort beschriebene Welt zu wenig detailreich sein, zu wenig Hintergrund-Informationen über die immer wieder beschriebene Riesendummenheit enthalten. Die eingefleischten Thriller-Fans dürften hingegen den Spannungsbogen als zu flach empfinden und - je nach persönlicher Vorliebe - mit der dystopischen Umgebung wenig anfangen können.
Abgeflachter Spannungsbogen
Während eines Unwetters verliert Elka mit sieben Jahren ihre Großmutter, bei der sie bisher aufgewachsen ist, weil ihre Eltern sich den Norden aufgemacht haben, um ihr Glück als Goldsucher zu finden. Bis auf einen Brief hat Elka nie wieder etwas von ihnen gehört. Nach dem Gewittersturm steht sie plötzlich ganz alleine - bis sie auf einen einsamen Jäger trifft, der alleine im Wald lebt und sie überraschenderweise bei sich aufnimmt. Trapper, wie Elka ihn nennt, bringt ihr alles bei, was sie zum Überleben in der Wildnis braucht und wird mehr und mehr zur Vaterfigur für sie. Als sie siebzehn ist, erfährt sie durch Zufall, dass ihr Trapper Kreagar Hallet heißt und ein gesuchter Mörder ist. Entsetzt flieht sie vor ihm in den Norden in der Hoffnung, ihre Eltern zu finden.
Den größten Teil der Geschichte nimmt Elkas Flucht ein, und es dauert nicht lange, bis sie ahnt, dass Kreagat Hallet ihr folgt und sie jagt. Die im Umschlagtext versprochene Verfolgungsjagd auf Leben und Tod findet in der Form allerdings nicht statt. Zum einen, weil während Elkas langer Reise ihr Verfolger nur sehr wenige Auftritte hat, zum anderen weiß man schon durch das erste Kapitel, wie es enden wird und wer siegen wird. Hier hat Lewis den Spannungsbogen von Anfang an deutlich abgeflacht, daher treten immer wieder Längen auf, in denen man das Gefühl hat, es geht nicht richtig weiter, das Geschehen plätschert nur so vor sich hin. Doch Elkas Begegnungen mit diversen Personen auf ihrem Weg sind interessant genug, um den Leser bei der Stange zu halten.
Spannende Einsichten in die Psyche
Was jedoch die immer wieder fehlende Spannung der äußeren Handlung ausgleicht, ist die innere Handlung, konkret die psychologische Zeichnung Elkas. Denn sie läuft nicht nur vor ihrem Ziehvater sondern auch vor ihren eigenen Dämonen davon. Wie kann es sein, dass sie nichts von Kreagars Doppelleben mitbekommen hat? Hätte sie nicht mehr mitbekommen können, sollen, müssen? Oder hat sie sogar mehr gewusst und nur verdrängt?
Auch wenn Elka gerade zu Anfang teilweise inkonsistent gezeichnet wirkt - mal als das naive, ungebildete Mädchen, das sie ist, mal dann doch als sehr viel reifere und weisere Frau, als sie ist - macht sie über das gesamte Buch gesehen eine schöne Entwicklung durch und wird nach und nach immer ehrlicher sich selbst gegenüber. Neben Verdrängungsmechanismen und Verlustängsten zeigt Lewis anhand ihrer Protagonistin ganz deutlich, dass man sich zwar entscheiden kann, allein zu leben, dass jedoch Einsamkeit weit mehr ist als das und dass dafür die menschliche Spezies nicht geschaffen ist. Somit versucht gerade, aber nicht nur, die kindliche Psyche alles, um möglichst stabile Verhältnisse aufrechtzuerhalten und Verlust und Einsamkeit zu vermeiden.
Fazit
Wolf Road ist sicherlich ein spezielles Buch, das nicht den Massengeschmack bedient. Wer keine Angst vor einem Genremix hat und mehr Wert auf die innere Handlung als auf die äußere Handlung legt und auch mit einem abgeflachteren Spannungsbogen gut leben kann, der kann es mit diesem Buch guten Gewissens versuchen. Es sei jedoch an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, dass die Details über Kreagars Taten nichts für schwache Nerven sind, man muss doch an der ein oder anderen Stelle kräftig schlucken.
Beth Lewis, Arctis
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