Per Adresse Mörder X / Es klingelte an der Tür

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 1968
  • 6
  • New York: Viking, 1965, Titel: 'The doorbell rang', Seiten: 186, Originalsprache
  • Frankfurt am Main; Berlin: Ullstein, 1968, Titel: 'Per Adresse Mörder X', Seiten: 154, Übersetzt: Brigitte Weitbrecht
  • Berlin: Volk und Welt, 1971, Titel: 'Per Adresse Mörder X', Seiten: 182
  • München; Wollerau: Goldmann, 1974, Titel: 'Per Adresse Mörder X', Seiten: 186
  • Stuttgart: Klett-Cotta, 2017, Seiten: 242, Übersetzt: Conny Lösch
Per Adresse Mörder X / Es klingelte an der Tür
Per Adresse Mörder X / Es klingelte an der Tür
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Peter Kümmel
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Ein origineller und humorvoller Plot

Ein Scheck über 100.000 Dollar allein als Vorschuss für einen Auftrag ist auch für Nero Wolfe schon mal ein Grund zum Nachdenken. Es ist Januar und damit hätte er genug verdient, um mindestens bis zum Sommer keinen Auftrag mehr annehmen zu müssen. Denn der schwergewichtige Detektiv tut nie mehr als unbedingt notwendig ist. Lieber kümmert er sich um seine Orchideenzucht und ernährt sich mit exquisiten Speisen, die von seinem Privatkoch Fritz zubereitet werden. Und dienstlich seine Wohnung zu verlassen, das kommt schon mal überhaupt nicht in Frage.

Doch was seine potentielle Klientin Rachel Bruner, eine reiche ältere Dame, als Gegenleistung für ihren Scheck verlangt, das macht Wolfe schon einiges Kopfzerbrechen. Denn diese hat sich mit niemand geringerem angelegt als dem FBI. Seit sie die ausgefallene Idee hatte, ein Buch mit dem Titel "Hinter den Kulissen des FBI" an 10.000 namhafte Bürger zu verschicken, weil sie der Meinung war, dessen Inhalt einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu müssen, wird sie auf Schritt und Tritt von den Behörden überwacht.

Obwohl sein Assistent Archie Goodwin dringend davon abrät, den Fall zu übernehmen, kann sich Wolfe dem Reiz des Geldes nicht entziehen. Doch dann steht man vor der Frage, wie man die Sache überhaupt anpacken kann und soll. Mit Hilfe eines Reporters kümmert man sich zunächst mal um die neuesten Gerüchte und die aktuellsten Fälle des FBI, doch kommt man damit kaum voran. Goodwin wird vom FBI beschattet, sobald er die Wohnung verlässt und Wolfe vermutet, dass auch seine Wohnung abgehört wird.

Überraschenderweise bringt dann Inspektor Cramer, normalerweise dem Detektivbüro nicht so sehr zugetan, Bewegung in den Fall. Bei einem geheimen Treffen mit Archie spendiert er diesem nicht nur eine Tüte Milch, sondern teilt ihm großzügigerweise auch noch mit, dass Wolfe laut Anweisung des FBI die Lizenz entzogen werden soll und daß er Goodwin gerne behilflich wäre. Als Gegenleistung für seine Offenheit verspricht er sich Hilfe in einem Mordfall. Der Journalist Morris Althaus wurde vor zwei Monaten in seiner Wohnung erschossen. Es fand sich jedoch keine Kugel, und kurz nach dem Mord beobachtete ein Zeuge, wie drei FBI-Männer das Haus verließen, in dem der Mord geschah. Pikanterweise schrieb Althaus gerade an einem Artikel über das FBI, doch wurden in seiner Wohnung keinerlei Unterlagen darüber gefunden.

Also beginnt man im Hause Wolfe, sich auf den Mordfall Althaus zu stürzen. Doch Wolfe ist noch nicht ganz klar, welches Ziel er anstreben soll. Beweisen, dass das FBI den Journalisten ermordet hat oder nachzuweisen, dass der Täter jemand anderes war?

Rex Stout hat mit Nero Wolfe eine der schillernsten Persönlichkeiten der Kriminalgeschichte geschaffen, die einem auch dank der überzeugenden Darstellung von William Conrad in der Fernsehserie in seiner brummigen, doch gemütlichen Art lebhaft vor Augen schwebt. Mit seinem Minimalismus steht er den anderen großen Detektiven absolut konträr gegenüber. Ihm zur Seite steht mit Archie Goodwin einer der neben Dr. Watson wohl bekanntesten Assistenten berühmter Detektive. Dies liegt vor allem auch darin begründet, dass der Autor den Leser immer so klug sein lässt wie Archie Goodwin, denn dieser fungiert als Erzähler der Kriminalgeschichten.

Mit "Per Adresse Mörder X" - ein relativ belangloser und nichtssagender Titel - hat Stout einen recht humorvollen und überaus raffinierten Krimi in seiner Nero-Wolfe-Reihe veröffentlicht, der mal nicht nach dem üblichen "Whodunit-Prinzip" aufgebaut ist. Bei dem Spielchen, das der Detektiv mit dem FBI treibt, tut man sich zuweilen schon mal schwer, folgen zu können. Denn keine der beiden Parteien weiß sicher, was der andere weiß, und in dem festen Glauben, abgehört zu werden, versorgt man das FBI wechselweise mit richtigen und falschen Informationen.

Es gehört für einen Autor schon ein recht verzwicktes Denken dazu, seine Protagonisten eine solch raffiniert konstruierte Falle entwickeln zu lassen, so daß das Ganze auch noch einigermaßen realistisch bleibt, denn es sollte schon ein gewisses Maß Logik enthalten sein, um die Reaktionen der Gegenspieler soweit voraus planen zu können. Mangelnder Realitätssinn und eine etwas zu konstruierte Story bleiben für mich auch die einzigen Kritikpunkte an diesem Roman, doch dürfte Rex Stout sicherlich auch nicht sein Hauptaugenmerk auf eine 100%ig glaubhafte Geschichte gelegt haben, sondern mehr daran gelegen gewesen zu sein, mit einem originellen Plot und humorvollen Seitenhieben auf die Behörden sein Publikum zu unterhalten.

Rex Stout ist mit "The Doorbell rang" - der Originaltitel erklärt sich erst auf der letzten Seite - ein unterhaltsamer Kriminalroman gelungen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Dialoge von Wolfe und Goodwin, an denen der Leser garantiert seinen Spaß findet.

Per Adresse Mörder X / Es klingelte an der Tür

Rex Stout, Ullstein

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