Ragdoll - Dein letzter Tag
- Ullstein
- Erschienen: Januar 2017
- 9
- Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2017, Seiten: 2, Übersetzt: Wolfram Koch
Ist der Bulle jetzt der Psycho - oder doch der Killer?
Wenn man aus einer psychiatrischen Klinik zurück in den Polizeidienst kommt, ist es ein denkbar schwieriger Start, vor einer aus Leichenteilen von sechs verschiedenen Mordopfern zusammen genähten "Lumpenpuppe" zu stehen. Genau das passiert Detective Sergeant William-Oliver Layton-Fawkes, genannt Wolf, der mit seinen Kollegen von der Londoner Metropolitan Police einen Fall lösen muss, der ziemlich schnell persönlich wird. Nicht nur, dass die "Ragdoll" in der Nachbarschaft seiner neuen Wohnung gefunden wird, es gibt zudem eine Todesliste von Personen, die der Killer auch noch umbringen will - und Wolf steht als Letzter darauf. Der Kopf der Ragdoll gehört zu allem Überfluss zu dem Fall, der für Wolf wegen eines Ausrasters im Gerichtssaal zur Suspendierung und in die psychiatrische Klinik führte.
Das Ermittlerteam versucht, unter allen Umständen die Menschen auf der Todesliste zu schützen, aber der Killer schlägt mehrfach überaus brutal zu, und scheut dabei auch nicht davor zurück, Unbeteiligte zu töten. Die Zeit tickt runter, und die Aufmerksamkeit der Medien sorgt dafür, dass die Öffentlichkeit zunehmend hysterisch wird.
Ragdoll ist ein Thriller im besten Sinne des Wortes
Daniel Cole ist Sanitäter, Tierschützer und für die britische Seenotrettung aktiv. Angesichts dessen ist sein Debüt-Roman mehr als gelungen, denn Cole offenbart darin eine kriminelle Fantasie, die hoffentlich nicht in Zusammenhang mit seiner Arbeit als Sanitäter steht. Allein die grausige Inszenierung um die Lumpenpuppe sorgt dafür, dass die Geschichte von Beginn an die volle Aufmerksamkeit des Lesers genießt. Der junge Autor hat für sein Erstlingswerk einen ausgezeichneten Plot entwickelt, der sogar schon im Prolog von Null auf Hundert durchstartet.
Die Bedeutung des kleinen Vorspiels für den Rest der Handlung wird, wie üblich, erst viel später komplett verständlich, aber der Auftakt vermag schon zu fesseln. Ein Thriller also im besten Sinne des Wortes - spannend, viele Überraschungen und Sackgassen für die Ermittler.
Und da fühlt sich der Verlag dennoch bemüßigt, im Klappentext zu erwähnen, dass die Rechte an dem Buch bereits in 34 Länder verkauft wurden, und die Filmrechte auch schon optioniert sind. Das sind natürlich Informationen, die man dem Leser keinesfalls vorenthalten sollte.
Keineswegs prädestiniert für die Rolle des sympathischen Helden
Wolf ist auf den ersten Blick der im Vordergrund stehen Protagonist dieser verwickelten Geschichte, aber seine Rolle wird im Laufe der Handlung durchaus relativiert. William-Oliver Layton-Fawkes ist ein kantiger Ermittler, den der Leser erst ganz zum Schluss des Romans wirklich kennenlernt. Positiv ausgedrückt hat er einen überaus stark entwickelten Gerechtigkeitssinn. Gleichzeitig neigt er allerdings zu impulsiven, ja geradezu unkontrollierbaren Ausbrüchen. Das prädestiniert ihn keineswegs für die Rolle des sympathischen Helden, aber man respektiert zunächst seine Leistungen als Ermittler, denn er hat eine ausgenommen sichere Spürnase - zumindest wird dieser Eindruck erweckt. Wolf ist auf jeden Fall für einige der Überraschungen in diesem Buch verantwortlich. Insgesamt finde ich Wolf als Figur höchst interessant, denn er hebt sich von vielen Ermittlern ab, die teilweise mit ungeeigneten Mitteln in den Fokus ihrer Geschichten gerückt werden. Das geschieht hier auf eher clevere Art und Weise.
Die Ex-Frau ist Karriegeil, die beste Kollegin eine Säuferin
Anderen Protagonisten werden von Daniel Cole die gängigen Klischees angeheftet, oder sie müssen eine bestimmte Schublade ausfüllen. Das ist bei der Lektüre für den routinierten Leser zwar leicht zu erkennen, aber für die Komposition dieser Geschichte durchaus förderlich und nachvollziehbar, zumal der Autor für individuelle Nuancierungen gesorgt hat. Da ist beispielsweise Wolfs Ex-Frau Andrea, eine überaus ehrgeizige Fernseh-Journalistin, die unbedingt Karriere machen möchte - und dabei gerne mal die Grundsätze ihrer Zunft über Bord wirft. Schlagzeile geht vor Ethik - so wird in ihrem Privatsender gehandelt, und das hat auch Andrea verinnerlicht. Von Wolf hat sich sich auch deshalb getrennt, weil sein temporärer Absturz ihrer Karriere schaden könnte. Jetzt hat sie einen wohlhabenden Mann geheiratet, der sie in Ruhe machen lässt.
Wolfs alkoholkranke Kollegin Emily Baxter ist da ein ganz anderes Kaliber. Eine Polizistin mit Leib und Seele, und sie muss hier die Rolle der kaputten Ermittlerin übernehmen - auch weil Wolf offenbar in vielerlei Hinsicht zunächst intakt wirken soll. Baxter und Wolf haben ein irgendwie ambivalentes Verhältnis - Andrea unterstellt den beiden schon länger weitaus mehr, als da wirklich ist. Auf alle Fälle spielt Baxter für die hochkomplexe Geschichte eine wichtigere Rolle, als man ihr zunächst zutraut. Eine weitere interessante Figur.
Cleverer Newcomer geht seinen Kollegen richtig auf die Nerven
Der heimliche Star war für mich Detective Constable Edmunds - der Youngster im Team, dessen Vornamen man während der gesamten Geschichte nicht erfährt. Aber der Neuling im Team der Metropolitan Police ist ein cleveres Kerlchen. Manchmal - meistens - so clever, dass er seinen Kollegen gehörig auf die Nerven geht mit seiner Klugscheißerei. Aber er ist eben nicht nur eifrig, sondern geht auch interessante Wege in der Ermittlungsarbeit, was die Altgedienten oft erst mit dem dritten Blick sehen - und dann auch anerkennen.
Ich will nicht zu viel verraten, aber Edmunds ist am Ende nicht nur der heimlich Star, sondern wird enorm wichtig für die Lösung des Falls.
Daniel Cole versteht es hervorragend, seine verwickelte Geschichte zu erzählen. Er fügt Rückblicke in die Vergangenheit ein, in denen es um Wolfs Zeit in der Klinik geht. Die Bedeutung dieser Szenen bleibt lange verborgen, ebenso wie mögliche Motive oder Täter. Inhaltliche Klammer ist irgendwie der Prozess gegen Naguib Khalid, den so genannten "Feuerbestatter". Daran beißen sich die Ermittler lange die Zähne aus - und der Leser darf vortrefflich miträtseln. Ragdoll ist mal wieder ein Buch, bei dem ich empfehle, die Lektüre am Wochenende oder im Urlaub zu beginnen. Wenn es einen richtig gepackt hat, fällt es extrem schwer, den Schmöker wieder zur Seite zu legen, so spannend ist er. Ein saustarkes Debüt - beste Unterhaltung mit knalligen Überraschungseffekten.
Daniel Cole, Ullstein
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