Hölle auf Erden

  • Droemer
  • Erschienen: Januar 2017
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  • London: Orion, 2015, Titel: 'I know who did it', Originalsprache
  • München: Droemer, 2017, Seiten: 432, Übersetzt: Ulrike Clewing
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Michael Drewniok
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2017

 Tut Buße - sonst kommen wir!

Vor zwei Jahren starb Charlotte Matheson bei einem Autounfall. Nun taucht sie wieder auf - lebendig, aber desorientiert und mit den Narben schwerer Schnittverletzungen im Gesicht. In der Hölle sei sie gelandet, teilt sie der Polizei mit, wo man sie ordentlich gepiesackt habe, bis der Teufel sie mit einem Auftrag zurück auf die Erde schickte: Matheson soll dem ehemaligen Polizisten John Mercer eine Nachricht übermitteln.

Doch der Teufel hat Pech: Matheson ist nach jahrelanger Folter so verwirrt, dass sie ihre Botschaft nur verstümmelt übermitteln kann; niemand versteht sie, erst recht nicht Mercer, der nach einem Nervenzusammenbruch vor Jahren den aktiven Dienst verlassen musste: Der "50/50"-Killer hatte ihn in den Wahnsinn getrieben.

Zwar ist der Killer tot, doch seine Identität konnte nie geklärt werden, weshalb die Polizei alarmiert ist, als an den Schauplätzen neuer Verbrechen Spuren zurückbleiben, die auf die Taten eines Mörders hinweisen, der den "50/50"-Killer gekannt haben muss. Auch Detective David Groves hegt diesen Verdacht. Seit vor Jahren sein zweijähriger Sohn entführt und ermordet wurde, sucht er fieberhaft nach den Tätern. Nun finden Männer und Frauen, die offenbar einem nie aufgedeckten Kreis von Kinderschändern angehörten, grausame Tode. Weil der psychisch labile Groves den Kollegen nicht alles mitteilte, was seine Ermittlungen ergaben, stellt sich diesen die Frage, ob sich womöglich Groves an den Mördern seines Sohnes rächt.

Die Suche nach dem "Teufel", hinter dem die Polizei einen religiösen Fanatiker und seine ihm ergebenen Helfer vermutet, geht parallel dazu weiter. John Mercer wird aus dem Ruhestand geholt. Obwohl er gesundheitlich stark angeschlagen ist, ist sein Spürsinn ungetrübt, weshalb es Mercer ist, der herausfindet, dass zwischen allen aktuellen Mordfällen ein bizarrer Zusammenhang besteht &

Die Wahrscheinlichkeit im Würgegriff der Hochspannung

Man muss sich den Arbeitsalltag von Autoren, die sich auf "sensationelle" Thriller spezialisiert haben, besonders anstrengend vorstellen. Sie wollen nicht "nur" eine Handlung ersinnen, die spannend und wendungsreich, sondern darüber hinaus schockierend, überraschend und schneller twistend als ein Hund ist, der seinen eigenen Schwanz jagt - sie müssen ihn tatsächlich erwischen.

Deshalb ist es kein Wunder, dass den meisten Autoren, die diesen Weg eingeschlagen haben, nach einigen dieser Thriller die Luft ausgeht. Schmal ist der Grat zwischen Hochspannung und Übertreibung, und wer stürzt, fällt tief und schlägt hart auf: Das nach immer neuen Sensationen süchtige Publikum wendet sich enttäuscht ab und der nächsten Sau = dem nächsten Verfasser zu, die bzw. der von der Werbung durch das lesende Dorf getrieben wird.

Steve Mosby gehört zu jenen, die auf besagtem Grat ins Schwanken geraten sind. Mit "Der 50/50"-Killer hat er sein Publikum aufhorchen lassen, doch dabei die Latte so hoch aufgelegt, dass ihm der Sprung darüber zunehmend schwieriger fällt. Nicht grundlos kehrt Mosby deshalb in die Welt des 50/50-Killers zurück. Der ist zwar tot, kann aber auch nachträglich einem Gespinst munkelgrauer Verschwörungen und Geheimgruppen zugeschlagen werden, die sogar noch irrer = für den Leser interessanter sind als besagter Killer.

Mysteriöse Bösewichte oder arme Irre?

Allerdings geht diese Rechnung nur bedingt auf. Was sich Mosby als Plot ausdenkt, wirkt bei näherer Betrachtung erschreckend logikschwach. Selbst nach den in dieser Hinsicht nicht sehr stark ausgeprägten Vorgaben des Spannungsthrillers wollen sich die Handlungselemente nur deshalb zu einer Gesamtstory fügen, weil Mosby sie dazu zwingt. Es funktioniert, wenn sich der Leser zurücklehnt und einfach konsumiert, was der Verfasser ihm (oder ihr) vorsetzt.

In "Hölle auf Erden" erweist sich der Wink mit dem 50/50-Killer, der dem Leser wie die Möhre dem lastenschleppenden Esel vor die Nase gehalten wird, als Augenwischerei. Falls Verbindungen zwischen dem Killer und dem "Teufel" bestehen, lässt sie Mosby unerwähnt: Offensichtlich denkt er an die Zukunft und deutet eine kriminelle Super-Verschwörung mit Sekten-Hintergrund an, die er in weiteren Thrillern nutzen und ausführen kann.

Hoffentlich fallen ihm dann überzeugendere Schurken als der "Teufel" und seine Handlanger ein. Sie sollen ebenso wahnsinnig wie genial wirken, um die Leser in Angst und Schrecken zu versetzen. Stattdessen fragt man sich, wie solche Wirrköpfe ein ohnehin umständliches Verbrechen überhaupt realisieren konnten. Nicht nur die Polizei, sondern auch der Rest der Welt muss mit Blind- und Blödheit geschlagen sein, um zu übersehen, was sich an einem Ort abspielt, der nicht nur wie die Kulisse für einen Horrorfilm aussieht. Zwar darf man die Realität nicht unterschätzen, unerhörte Scheußlichkeiten haben sich nachweislich in direkter Nachbarschaft ahnungsloser (oder gleichgültiger) Mitmenschen ereignet. Nichtsdestotrotz ist sind die von Mosby geschilderten Teufeleien gar zu übertrieben.

Polizisten mit Problemen

Dem einen ist die Geliebte im Meer versunken, die neue Gefährtin argwöhnt, nur eine Lückenbüßerin zu sein; dem anderen wurde der Sohn entführt und umgebracht, woraufhin die Ehe zerbrach, und der letzte hatte sich so in einen Fall hineingesteigert, dass ihn seine Nerven im Stich ließen: Thriller wie "Hölle auf Erden" werden mit Ermittlern bevölkert, denen das Schicksal heftige Kopfnüsse verpasst hat. Auch in diesem Punkt geht Mosby lieber auf Nummer Sicher und flutet sein Figurenpersonal mit negativen Erfahrungen, die seitenstark beschrieben werden.

In der richtigen Dosierung sorgen solche Schwächen für den gewünschten Effekt: Das "Gute" kämpft quasi mit einem auf den Rücken gebundenen Arm bzw. wird durch private Probleme abgelenkt. Gleichzeitig sollen Konflikte die beschriebenen Figuren "menschlicher" wirken lassen. Nachweislich gibt es Leser/innen, denen solches Beiwerk mindestens ebenso wichtig ist wie der eigentliche Plot. Selbst sie müssten freilich merken, dass es Mosby schon wieder übertreibt, bis der Effekt ins Gegenteil - Augenrollen und Verdruss - umschlägt.

Das ist schade, denn jenseits der Stolpersteine, die Mosby legt, wartet eine solide Geschichte. Dass die Ereignisse sich auf zwei Zeitebenen abspielen, weiß der Verfasser geschickt und erstaunlich lange verborgen zu halten. Der daraus resultierende Twist dürfte dem Genre-Kenner übrigens nicht unbekannt sein. So hat ihn Regisseur und Drehbuchautor George Sluizer (1932-2014) gleich zweimal in einen Film verwandelt ("Spoorloos", 1988, dt. "Spurlos verschwunden" bzw. "The Vanishing", 1993, dt. "Spurlos"). Das lässt sich verschmerzen, gipfelt aber in einem Höhepunkt - dem Showdown in der "Hölle" -, der abermals nur halbgar wirkt , weil Mosby auf Effekte schielt, statt diese einer stringenten Auflösung unterzuordnen: Schon wieder erzeugt ein Thriller vor allem (von der Werbung verstärkten) Donner, während der auslösende Blitz recht kraftlos bleibt.

Hölle auf Erden

Steve Mosby, Droemer

Hölle auf Erden

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