Im Grab schaust du nach oben
- Argon
- Erschienen: Januar 2017
- 4
- Berlin: Argon, 2017, Übersetzt: Jörg Maurer, Bemerkung: gekürzte Autorenlesung
Gipfel-Gegner, Senf-Produzenten und ein toter Polizist
Polizei-Obermeister Johann Ostler wird zu Grabe getragen. Eine traurige Angelegenheit für die Kollegen um Hubertus Jennerwein, und für den ganzen Ort, schließlich war Ostler ein beliebter Bürger und verdienter Polizist. Viele Vereine kommen mit ihren Delegationen, sieben Schuss Ehrensalut sollen abgefeuert werden, aber es gibt eine Panne. Das frühere Bestatter-Ehepaar Grassegger echauffiert sich über den Pfusch ihres Nachfolgers, und Jennerwein kommt die ganze Sache komisch vor.
In einem ausführlichen Rückblick erfährt der Leser von den Ereignissen, die zu dieser Bestattung geführt haben.
Rund um den G7-Gipfel im Kurort gibt es einige Turbulenzen, in die auch Ostler verwickelt wird. Und so erfährt der Leser, dass der Polizist noch lebt. Aber wer liegt dann im Sarg? Und hat es weitere Tote gegeben? Jennerwein und seine Truppe ermitteln akribisch, und stoßen schnell auf eine Familie, bei der der Lack längst ab ist. Es bedarf aber weiterer Recherchen, bis die ganze Dimension des Falles endlich klar wird.
Das Pendel schlägt zu weit in Richtung Klamauk aus
Jörg Maurer ist als Musik-Kabarettist eine feste Größe in Süddeutschland. Dieses Talent ist ihm auch beim Schreiben seiner Roman-Reihe um Hubertus Jennerwein und sein buntes Team zugute gekommen. Um es gleich zu sagen, ich schätze die Reihe um Jennerwein und seine Truppe außerordentlich, aber in seinem neunten Roman dieser bei den Lesern höchst erfolgreichen Reihe hat Maurer das Pendel zu sehr in Richtung Klamauk ausschlagen lassen.
Die Handlung ist wie gewohnt voller Überraschungen, teilweise gar absurd, die Dialoge witzig bis skurril. Damit hat der Autor schon immer zu Recht gepunktet, aber in aller Regel den eigentlichen Kriminalfall nicht so ganz aus den Augen verloren. Im neuen Roman ist er da zwischen G 7-Gipfel und Mafia-Hypnotiseur doch deutlich vom Weg abgekommen.
Swoboda und sein Mafia-Liebchen irren auch durch die Handlung
Mit den Verstrickungen und Wirrungen wird auch der Leser wirklich gefordert, um nicht gänzlich den Faden zu verlieren - auch wenn die Geschichte hohen Unterhaltungswert hat. Aber auch Kommissar Jennerwein muss sich in dem Gewirr aus Demonstranten, Toten, möglichen Tätern und Verdächtigen mühevoll zurechtfinden. Was nicht schlimm ist, aber der im Kurort - so umschreibt Jennerwein nach wie vor seinen Geburtsort Garmisch-Partenkirchen - stattfindende G7-Gipfel bietet dem Autor offenbar zu viele Verlockungen.
Er kann es nicht lassen, eine Nebengeschichte um den österreichischen Gangster Karl Swoboda und sein Mafia-Liebchen Giacinta einzubauen. Die beiden haben einen Hypnotiseur dabei, der für allerlei Unsinn gut ist. Die Alt-Ganoven und ehemaligen Bestatter, das Ehepaar Grasegger, taucht ebenso auf. Und dann gibt es noch andere Nebengeschichten, beispielsweise um Nina 2, eine als Bloggerin getarnte Auftragskillerin. Alles ganz nett, aber für meinen Geschmack diesmal etwas zu viel, zu dick aufgetragen, zu weit ausgewalzt.
Der Autor hätte sich mehr auf den Plot konzentrieren sollen
Seine treuen Fans wird Jörg Maurer mit dieser Mischung möglicherweise abermals begeistern, aber wer zum ersten Mal einen Roman aus der Reihe in der Hand hat, wird sich verwundert am Kopf kratzen. Zu viel Insider-Wissen ist gefordert, um alle Anspielungen und Witze zu verstehen, Immerhin, das Setting ist authentisch, Klatschbasen heizen die Gerüchteküche an, die Einheimischen beäugen misstrauisch die Demonstranten, die herbei geholten Polizisten drehen am Rad, Jennerwein und seine Truppe wissen nicht, wo ihnen der Kopf steht.
Der Plot um Johann Ostler und sein vermeintliches Ableben hätte einiges hergegeben, aber dann hätte sich der Autor etwas mehr darauf konzentrieren müssen.
Immerhin, Maurer pflegt seine Charaktere. Psychologin Dr. Maria Schmalfuß gibt wieder den Ruhepool in der hektischen Polizei-Truppe. Kommissar Jennerwein steht in diesem Band der Reihe aus verschiedenen Gründen ziemlich neben sich. Hölleisen widmet sich der Bürokratie - und Ostler wird eben zur tragischen Figur.
Insgesamt ist der neunte Fall im Kurort also nicht ganz so überzeugend. Die Auflösung ist am Ende nicht wirklich prickelnd, zudem auch lange vorhersehbar. Spannung kommt - im Gegensatz zu den früheren Fällen von Jennerwein - nicht so wirklich auf. Dennoch gute Unterhaltung - die allerdings nur sehr bedingt im Genre Spannungsliteratur anzusiedeln ist.
Jörg Maurer, Argon
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