Insomnia
- Argon
- Erschienen: Januar 2016
- 2
- Berlin: Argon, 2016, Übersetzt: Andrea Sawatzki, Bemerkung: gekürzte Ausgabe
Bestialisches Kopfschmerzmittel
Die siebzehnjährige Hauptfigur Mallory Knight, nicht verbandelt mit Mickey Knox, ist verliebt in den coolsten Schüler ihrer High School. Der ist Kontrolleur, soll heißen, er meint im Handlungsfeld des Promiskuitiven alles unter Kontrolle zu haben, weshalb er ungeschützten sexuellen Verkehr mag und mit Mallorys bester Freundin Sex hat, als Mallory noch glaubt, er liebe sie. Natürlich spielt bei derlei Aktivitäten auch das Internet eine ebensolche Rolle wie die Informationspolitik über sexuelle Aktivitäten. Man feiert Partys, säuft, solange man Alkohol in den Körper fließen lassen kann, bleibt schon mal länger weg, weshalb die Polizei bei von besorgten Eltern gemeldeter Teenager-Absenz nicht gleich in der geforderten Weise hyperaktiv wird. So kann es auch viele Ursachen für das von der Polizei als vorübergehend angenommene Wegbleiben Mallorys von ihrem zeitgemäß dysfunktionalen Zuhause geben. Nachdem das Setup konstruiert ist, werden im Wald die Jacke und das Portemonnaie Mallorys gefunden.
Der Hammermann, nicht zu verwechseln mit dem deutschen Hammermörder, geht um. Er hat Kopfschmerzen und tötet auf grausame Weise junge Frauen.
Es folgen ein paar Kapitel prozeduraler Polizeiarbeit. In den Fall einbezogen wird Bobby Dees, Special Agent des Florida Department of Law Enforcement (FDLE), deutschen Fernsehzuschauern bekannt aus der US-Krimiserie "The Glades", Leserinnen und Lesern der Bücher Jilliane Hoffmans bekannt aus dem vorhergehenden Roman Mädchenfänger, Insomnia ist der zweite Roman mit diesem Ermittler. Bobbys Tochter Katy ist vor zwei Jahren verschwunden, sein Leben seitdem ein Alptraum. Er leitet das Dezernat für Verbrechen an Kindern und Jugendlichen.
Den Fall Mallory bearbeiten drei Polizeibehörden Stadt, County und Staat unter kritischer Beobachtung durch die Medien, die die Ermittler ständig "mitdenken" und mit Informationen füttern müssen. Die Medien sind natürlich daran interessiert, dass sie eine Geschichte über den Hammermann bekommen, in Kürze: sie hoffen, dass Mallory Opfer des Serienmörders wurde. Aber Bobby stellt schnell fest, dass es Abweichungen gibt, die gegen den Hammermann sprechen. Dann erhält er Twitter-Mitteilungen und eine E-Mail mit einem Foto eines Opfers, das Mallory sein könnte.
Während die Echtheit des Fotos überprüft wird, taucht Mallory halbnackt und völlig durcheinander in einem Biker-Treff auf. Es gibt Gratisblicke und jemand macht ein Video mit dem Smart Phone, das er meistbietend verkaufen will. Reporter kommen in die Bar, interviewen das Personal.
Mallory behauptet, der Hammermann hätte sie entführt und vergewaltigt, sie aber habe fliehen können. Bobby verstrickt sie in Widersprüche und findet heraus, dass Mallory ein Motiv hat, den Hammermann ins Spiel zu bringen. Damit schadet sie sich nicht nur direkt, sondern weckt darüber hinaus das Interesse des Killers. Es passieren einige Dinge, Mallory und ihre Familie ziehen um und erhalten eine neue Identität.
Vier Jahre später studiert Mallory unter dem Namen Callie Monahan an der Florida State University in Tallahassee Jura. Es gibt ein paar kleinere Vorfälle und Aufregungen, ihr Ex kommt ungewünscht vorbei, ihre Autoreifen werden zerstochen. Dann wird die 19-jährige Claudia Coba entführt. Bobby Dees wird in die Bearbeitung des Falls einbezogen, Mallory rutscht immer tiefer hinein. Der Hammermann spielt das Szenario, welches vor vier Jahren von Mallory präsentiert wurde, mit ihr durch und hat danach entweder wesentlich schlimmere Dinge mit ihr vor, um seinem Ruf zu entsprechen, oder er hat ein ganz anderes und sehr schräges Anliegen. Dieses Szenario erinnert an Pedro Almodóvars Film "Fessle mich!".
Jilliane Hoffman präsentiert einige kulturelle Links, unter anderem zu Fernsehprogrammen wie "Criminal Minds", "Friends", "Full House" und "The Office". Wir erfahren etwas über das Verhältnis heutiger Studenten und Studentinnen zum Studium, die geringe Neigung, sich sogar ein für das Jurastudium fundamentales Werk wie Blacks Juristisches Wörterbuch anzuschaffen, das es nur im Original gibt, als "Black's Law Dictionary", mit über 2.000 Seiten Umfang vermutlich eine ebenso wichtige wie ungeliebte Lektüre. Weiter erfahren wir etwas über das Verhältnis mancher Dozenten zu ihren Studenten, so wird schon zu Beginn des Studiums der ungefähre Abrieb seitens einer Dozentin bekanntgegeben. Hoffman gibt wiederholte Verweise auf den Fall ihres ersten Buches über Bobby Dees, darauf, wie der Picasso genannte Serienmörder die Wahrnehmung des Falls durch Behörden und Öffentlichkeit beeinflusst.
Im Vorgänger Mädchenfänger ist der Kapitän der Football-Mannschaft seiner High School Bearbeiter einer weiblichen Warteschlange - in Insomnia wurden der Name und die Sportart geändert. In Mädchenfänger schnappt sich ein wahnsinniger Serientäter weibliche Teenager. In Insomnia schnappt sich ein wahnsinniger Serienkiller weibliche Teenager. Deren Umgang mit neuen Medien wird so inszeniert, dass sie als heute so genannte digital natives erscheinen, die gefährlich nahe daran sind, digital naives zu sein. Das soziale Umfeld der Teenager ist je nach Sichtweise klischiert oder gut beobachtet oder beides. Studenten wie Teenager sind bei Hoffman naiv, dumm, errichten sich eine kleine Nachbarschaft und ignorieren, sobald dies gelungen ist, die Welt außerhalb ihres gedanklichen Zauns, der den schlecht gepflegten geistigen Vorgarten umgibt. Wer damit zufrieden ist, dürfte eine einigermaßen spannende clockwork novel zu lesen bekommen. Ob der Roman besser oder schlechter als, vielleicht auch ebenso gut ist wie sein Vorgänger Mädchenfänger? Make your choice!
Vergangenheit holt Siebzehnjährige ein, die sich am Supertypen der High School rächen will und die Entführung durch einen Serienkiller als fake news inszeniert. Man kommt ihr auf die Schliche. Als sich der Serienkiller tatsächlich bei ihr meldet, greift das bekannte Sprichwort: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht... Auch in einer leidlich spannenden Geschichte, die Lichtjahre entfernt ist von der wiederholt genannten Serie "Criminal Minds".
Jilliane Hoffman, Argon
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