Wolfsspinne
- Wunderlich
- Erschienen: Januar 2016
- 9
- Reinbek bei Hamburg: Wunderlich, 2016, Seiten: 496, Originalsprache
Schlapphüte, Drogen-Dealer und der braune Sumpf
Melli Franck wird in ihrem Düsseldorfer Restaurant vergewaltigt und ermordet. Nach anfangs mühseligen Ermittlungen führt die Spur Vincent Veih und seine Kollegen in das Drogenmilieu der Rhein-Metropole. Dort trifft der Kommissar zufällig auf seinen entfernten Verwandten Ronny Vogt. Der war einst - was Veih nicht weiß - an der Aktion Wolfsspinne des thüringischen Verfassungsschutzes beteiligt. Als Undercover-Ermittler wurde Vogt in die rechtsextreme Szene eingeschleust, und drang sogar bis in den Dunstkreis des Nationalsozialistischen Untergrunds vor. Als die Gefahr zunahm, dass die Polizei die Aktion des Geheimdienstes aufdecken könnte, musste Ronny eine Lösung finden.
Vier Jahre später arbeitet er in einer Düsseldorfer Frittenbude - und ermittelt wieder für den Verfassungsschutz unter Neonazis. Vincent Che Veih muss ein ganzes Paket an Rätsel und Geheimnissen aufschnüren, um der Lösung des komplizierten Falls auch nur näher zu kommen.
Rezensenten loben authentische Charaktere und realistische Geschichte
Die Thriller von Horst Eckert werden mit Lobeshymnen förmlich überhäuft. Die Homepage des Autors sowie sein Facebook-Account sind voll mit positiven Rezensionen und Kommentaren. Gelobt werden vor allem die authentischen Charaktere und die realistisch anmutende Geschichte. Dem ist zuzustimmen, und mir gefallen auch noch ganz besonders die erstklassigen Dialoge.
Der private Hintergrund der Ermittler spielt diesmal wieder eine besondere Rolle, vor allem, weil Vincent Veih seiner Mutter aus dem Terror-Milieu und auch seiner Freundin wieder näher gekommen ist. Die weiterhin ungeklärte Frage, wer sei Vater ist, wird hier aufgelöst - allerdings nur in Andeutungen. Die privaten Dinge baut Horst Eckert immer recht geschickt in seine Romane ein, so dass sie kein lästiges Beiwerk sind, sondern für die eigentliche Geschichte durchaus wichtig.
Roman ist eine Anklage gegen die Verfassungsschutzbehörden
Den Titel des Buches liefert die fiktive Aktion des thüringischen Verfassungsschutzes im Jahr der Todes der beiden NSU-Protagonisten. Wolfsspinnen sind bekannt für ihre Schnelligkeit, Unnachgiebigkeit und ihre perfekte Tarnung. Sie warten, bis ein Insekt vorbei kommt, um dann blitzschnell zuzuschlagen. Ein solches Codewort für eine Geheimdienst-Aktion ist durchaus denkbar. Überhaupt hat sich Horst Eckert - wie man es bei seinen Büchern gewohnt ist - intensiv in die komplexen Vorgänge um den Nationalsozialistischen Untergrund eingearbeitet, und sein Roman ist eine einzige Anklage gegen die Verfassungsschutzbehörden.
Natürlich ist es reines Marketing, wenn Eckert auf seiner Facebook-Seite zum NSU-Prozess in München sinngemäß schreibt, Wolfsspinne gäbe Antworten auf offene Fragen. Aber wer das Buch "Heimatschutz" von Stefan Aust und Dirk Laabs gelesen hat, wird bei der Lektüre von Wolfsspinne so einige Male zusammenzucken. Ein Roman ist Fiktion, aber Horst Eckert ist es gelungen, seine ausgedachte Geschichte in Teilen wie einen Tatsachen-Roman wirken zu lassen. Das hat seine Polit-Thriller bisher schon ausgezeichnet, aber hier hat er sich fast selbst übertroffen - es ist starker Tobak, was er dem Leser präsentiert.
Rapide Szenenwechsel fordern die Aufmerksamkeit des Lesers
Wolfsspinne ist ebenso komplex aufgebaut wie die ersten zwei Bände mit Vincent Che Veih. Der Autor arbeitet mit zwei Zeitebenen und führt den Leser immer wieder zurück ins Jahr 2011, um die Rolle von Ronny Vogt beim Ende des NSU zu beleuchten. Das Bild der damaligen Vorgänge wird dadurch immer schärfer, und es werden auch - zumindest teilweise - Erklärungen für die aktuellen Vorgänge geliefert.
Zur Dramaturgie des Romans gehört selbstverständlich, dass dem Leser etliche Ereignisse bekannt vorkommen. Das ist zweifellos vom Autor so beabsichtigt. Eckert hat wieder einmal gut recherchiert, und erhöht die Glaubwürdigkeit seiner Geschichte durch das Einflechten realer Fakten, die er natürlich leicht verfremdet hat.
Dialoge mit schnellen Wortwechseln lassen den Leser die Seite überfliegen. Rapide Szenenwechsel fordern die Aufmerksamkeit des Lesers, und sorgen für Dynamik und Spannung. Das wird auch nicht durch die Abschweifungen zu Vincents Mutter und ihren Ansichten gemildert, und auch die Episode mit der Demo-Teilnahme des Kommissars rundet den Gesamteindruck positiv ab.
Intensive Recherche und gute Kenntnis der Fakten als Basis für den Plot
Horst Eckert ist Politikwissenschaftler und Journalist mit vielen Jahren Berufserfahrung. Und diese Kombination merkt man seinen brillanten Polit-Thrillern einfach positiv an. Intensive Recherche und gute Kenntnis der Fakten sind dabei offenbar die Basis für seinen Plot, den er dann flüssig und sehr lesenswert ausarbeitet. Es ist schon ein Lesevergnügen, Vincent Veih bei seinen Ermittlungen zu folgen - wobei der Protagonist in diesem Roman nach meinem Empfinden eine durchaus zurückhaltende Rolle spielt. Was sich aber positiv auswirkt, weil die Geschichte so noch glaubhafter wirkt.
Ein Roman als Anklageschrift gegen die fragwürdige Rolle der "Schlapphüte" in der rechtsextremen Szene ist schon ungewöhnlich genug. Die These lautet zusammen gefasst: Der Verfassungsschutz wusste vom NSU und hat sogar aktiv mitgemischt. Wenn das Buch dann noch so komplex und spannend ist wie Wolfsspinne, sollte man das Werk mehrfach lesen, um alle Nuancen zu erfassen. Im Fernsehen gab es schon eine mehrteilige Doku zum NSU - hier liegt das Drehbuch für einen Spielfilm vor. Ich würde mich darauf freuen.
Horst Eckert, Wunderlich
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