Bleiche Knochen
- Festa
- Erschienen: Januar 2016
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- London: Head of Zeus, 2013, Titel: 'White Bones', Originalsprache
- Leipzig: Festa, 2016, Seiten: 448, Übersetzt: Doris Hummel
Hard-Boiled für Irland-Fans
John Meagher bewirtschaftet nach dem Tod seines Vaters die Familienfarm in Knocknadeenly im Bezirk North Cork. Eines Tages werden dort bei Erdarbeiten mehrere Menschenknochen gefunden. Während einer seiner Mitarbeiter die Sache auf sich beruhen lassen will, da es ja immerhin sein könnte, dass sein republikanischer Vater einst der IRA einen Gefallen getan haben könnte, wendet sich John pflichtbewusst an An Garda Siochána, die die Ermittlungen aufnimmt. Das Team unter Leitung von Katie Maguire, der einzigen Frau Irlands im Rang eines Detective Superintendent, findet insgesamt elf weibliche Leichen. Deren Knochen wurden allesamt vollständig entbeint, an den durchbohrten Oberschenkelknochen finden sich zudem kleine Stoffpuppen. Wie sich herausstellt, sind die Leichen schon Jahrzehnte alt, der Fall wird zu den Akten gelegt, es gibt aktuellere Fälle. So das Verschwinden von Charlie Flynn, einem windigen Geschäftsmann, mit dem auch Katies Ehemann Paul dubiose Geschäfte machte. Doch dann taucht plötzlich eine aktuelle Leiche auf. Eine junge Amerikanerin wird auf Meagher's Farm gefunden. Auch ihr wurde sämtliches Fleisch von den Knochen geschabt.
Mystik, Mythologie, Feenwelt, IRA und der Untergang der Lusitania
"Wenn Lesen zur Mutprobe wird" lautet das Motto beim Festa-Verlag, in dem der vorliegende erste Fall für Katie Maguire erschienen ist. Graham Masterton ist kein Unbekannter, sondern ein auflagenstarker Autor, der sich vor allem im Genre Horror einen Namen gemacht hat, was sich auch in Bleiche Knochen nicht verleugnen lässt. Die detaillierte Beschreibung, wie der Täter die (lebende) Amerikanerin für ein rituelles Opfer zubereitet (siehe oben) ist äußerst harter Stoff. Der Begriff "Gewaltpornografie" kommt einem spontan in den Sinn. Wer sich von derartig brutalen Szenen nicht abschrecken lässt, findet einen ebenso blutigen wie actionreichen Krimi, bei dem vor allem Irland-Fans auf ihre Kosten kommen.
"Was für ein Chaos. Aber sehen Sie, wie fein säuberlich diese Muskeln abgetrennt wurden? Wer immer das erledigt hat, verfügt definitiv über Geschick im Umgang mit Messern, richtig?"
"Ich hör mich mal in den Krankenhäusern um. Man kann ja nie wissen. Vielleicht stoßen wir dort auf einen geisteskranken Chirurgen. Dr. Frankenstein, nur umgekehrt."
Getragen wird der Roman von seiner eigenwilligen Protagonistin Katie Maguire, die ihr Leben zunehmend ihrem Job widmet, nicht zuletzt zum Leidwesen ihres Mannes Paul. Nach dem Tod des gemeinsamen Sohnes und einer Pleite seiner Firma, versucht Paul mit illegalen Geschäften und noch zwielichtigeren Geschäftspartnern wieder auf die Füße zu kommen. Dass er dabei den Bossen der Unterwelt auf die Füße tritt und mächtig Ärger heraufbeschwört nimmt er dabei in Kauf. Die Folgen lassen nicht lange auf sich warten und so ist auch Katie zu ungewöhnlichen Schritten gezwungen, schließlich will sie ihren Job behalten.
Zudem muss sich Katie mit der zu Irland passenden Mystik und Mythologie herumschlagen, denn offenbar dienen die Ritualmorde dazu, die böse Zauberin Mor-Rioghain herbeizurufen, die der Legende nach, einem nach dem dreizehnten Opfer jeden Wunsch erfüllt. Dreizehn streng ausgewählte Jungfrauen müssen es sein. Elf gab es bereits in den Jahren 1915/16, es handelt sich dabei um die ersten Leichenfunde auf der Farm wie Recherchen ergeben. Schon meldet sich ein republikanischer Journalist, dass damals ein englischer Offizier irische Jungfrauen entführt habe. Es drohen einmal mehr politische Konflikte zwischen Dublin und London, derweil ein neues Opfer in Lebensgefahr schwebt. Bemerkenswert ist, wie es Graham Masterton in diesem Zusammenhang schafft, dem Untergang der Lusitania im Jahr 1915, bei dem bekanntlich 1.195 Menschen ihr Leben verloren, eine neue Facette abzugewinnen. Unheimlich ja, aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Es lebe die Verschwörungstheorie.
Wer sich für Irland und dessen Legenden und Geschichte interessiert, der mag hier zugreifen, sollte aber über einen starken oder besser leeren Magen verfügen.
Graham Masterton, Festa
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