Die Vermissten
- Der Hörverlag
- Erschienen: Januar 2016
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- Stockholm: Bokförlaget Forum, 2015, Titel: 'De Försvunna', Originalsprache
- München: Der Hörverlag, 2016, Übersetzt: Jessica Schwarz, Nina West, Gabriele Blum, Bemerkung: gekürzte Ausgabe
Außergewöhnlicher Psychothriller mit einigen Längen
Die Sommerferien sind zu Ende und so sind Greta, Alex und die vierjährige Smilla ganz allein in ihrer Ferienhaussiedlung in Marhem. Der kleine Ort liegt direkt am Maransee, über den man sich unheimliche Geschichten erzählt. Hier gibt es eine Insel, die das Ziel des ersten gemeinsamen Ausfluges ist. Während Alex und Smilla die Insel erkunden, bleibt Greta zurück auf dem Boot. Als es anfängt dunkel zu werden, wird Greta misstrauisch und macht auf die Suche, doch von den Beiden fehlt jede Spur. Verstört fährt Greta zurück in ihr Ferienhaus, setzt am nächsten Tag erneut über zur Insel, aber Alex und Smilla bleiben verschwunden. Lediglich ein mit einem Messer aufgeschlitztes Eichhörnchen findet Greta, die wenig später die unerfreuliche Begegnung mit ein paar aggressiven Jugendlichen macht.
"An was für eine Gefahr habe ich da eigentlich gedacht? Von wem ging sie aus? Ich kann mich nicht mehr entsinnen. Es entzieht sich meiner Erinnerung."
Bei mehreren Versuchen, Alex telefonisch zu erreichen, meldet sich nur dessen Mailbox, so dass sich Greta am übernächsten Tag entscheidet, die nächstgelegene Polizeistation aufzusuchen, um ihren Mann und ihre Tochter als vermisst zu melden. Ein Blick in das Melderegister irritiert jedoch die Polizistin, denn Greta war nie verheiratet, geschweige denn, dass sie eine Tochter hätte ...
Erniedrigung und Macht als Lebenselixier
Die Vermissten war ein Überraschungserfolg in Schweden und ist nun auf dem deutschen Buchmarkt erschienen. Vor allem der Einstieg in die Handlung setzt ein höheres Maß an Geduld voraus, denn schnell wird klar, dass mit der Protagonistin Greta einiges nicht zu stimmen scheint. Diese freute sich auf ein Wochenende mit ihrem Geliebten (Alex) als unerwartet dessen kleine Tochter auftaucht. Aber kaum hat man sich kennengelernt verschwinden Alex und Smilla auf seltsame Weise. Genau so seltsam erscheint, dass Greta erst zwei Tage später zur Polizei geht und die Polizei keine Versuche unternimmt, dem mysteriösen Verschwinden auf die Spur zu kommen.
Stattdessen entführt uns die Ich-Erzählerin (Greta) in ihre Vergangenheit und damit insbesondere in ihr Familienleben, welches für Greta im Alter von acht Jahren aus den Fugen geriet. Die Beziehung ihrer Eltern war zu jenem Zeitpunkt bereits zerrüttet, der Vater betrog seine Frau regelmäßig und machte sie selbst für sein Verhalten verantwortlich. Eines Tages rauchte und trank er dann nach einem erneuten Streit auf der Fensterbank des Schlafzimmers sitzend und verabschiedete sich für immer ... mit einem Sturz aus dem achten Stock.
"Dann werde ich eben Klartext reden: Ich glaube, Ihnen könnten dieselben Dinge einfallen wie in Ihrer Kindheit, wenn Sie unter Schock standen oder Misserfolge erleiden mussten."
"Dass ich lüge?"
"Ja. Oder Schlimmeres."
Auch die Beziehung zu Alex ist mehr als mysteriös und so erfährt man nach und nach, dass Alex alles andere als ein gefühlvoller Liebhaber ist. Ihm geht es um Machtfantasien, Schmerz und Erniedrigung. Doch wieso sind er und Smilla unauffindbar? Haben die zur Gewalt neigenden Jugendlichen aus der Gegend damit zu tun? Oder ist womöglich Greta selbst verantwortlich?
Gretas Gedankengänge sind verstörend, sie kann selbst kaum zwischen Realität und Träumen unterscheiden. Verdrängung gehört seit ihrer Kindheit zum festen Programm. So ist der Einstieg in den Plot verwirrend, vor allem aber langatmig, da er von Wiederholungen strotzt. Immer wieder wird ein kleines Detail (zum Tod des Vaters, zum Verhalten der Mutter, zu Alex Machtspielen) mehr vorgetragen bis sich das Puzzle langsam zusammensetzt, wobei das Finale mit einigen Überraschungen aufwartet. Einige Längen und der Umstand, dass es einem anfangs schwer fällt mit der Erzählerin mitzufühlen, trüben den Lesespaß ein wenig. Das Verhalten Gretas ist über weite Strecken unverständlich und kaum erklärbar, denn welche "Mutter" würde nicht am gleichen Tag die Polizei anrufen, um die vierjährige (!) Tochter als "vermisst" zu melden?
Caroline Eriksson, Der Hörverlag
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