Unter Tage - Resnicks letzter Fall
- Ars vivendi
- Erschienen: Januar 2016
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- London: William Heinemann, 2013, Titel: 'Darkness, Darkness', Originalsprache
- Cadolzburg: Ars vivendi, 2016, Seiten: 308, Übersetzt: Gottfried Röckelein
Packende Zeitreise schließt die Charlie-Resnick-Reihe ab
Zwischen dem März 1984 und dem März 1985 tobte in England ein brutaler Arbeitskampf, der den umstrittenen Wirtschaftskurs der Regierung unter der "Eisernen Lady", Margaret Thatcher, festigte und in einer schweren Niederlage der Arbeiterbewegung endete. Unversöhnlich, geradezu verfeindet, standen sich die konservative Regierung und die National Union of Mineworkers, die Bergbaugewerkschaft, unter Führung des ebenso schillernden wie umstrittenen Arthur Scargill gegenüber. Allein am 18. Juni 1984 standen sich bei der "Schlacht von Orgreave" rund zehntausend Bergleute und viertausend Polizisten gegenüber. Es fehlte nicht viel, um einen Bürgerkrieg zu entfesseln.
"Scab! Scab! Scab!"
"Out! Out! Out"
Der Riss ging damals nicht nur quer durch die Gesellschaft, sondern mitunter durch einzelne Familien. In Bledwell Vale, einem kleinen Ort in Nottinghamshire, ist die Familie Hardwick betroffen. Während sich Bergarbeiter Barry um das Einkommen der Familie bemüht und sich als Streikbrecher und Schlimmeres beschimpfen lassen muss, engagiert sich seine Frau Jenny zunehmend auf Seiten der Streikenden. Sie unterstützt Streikposten und die Wohlfahrt, tritt später als engagierte Rednerin auf. Doch plötzlich, Weihnachten 1984, verschwindet sie spurlos. Lies sie ein weiterer Streit mit Barry die Flucht ergreifen? Gab es einen heimlichen Liebhaber wie gemunkelt wird? Oder wurde sie womöglich das Opfer eines Serienmörders?
Rund dreißig Jahre später soll das inzwischen nahezu ausgestorbene Bledwell Vale dem Erdboden gleichgemacht werden. Beim Abriss einer Häuserzeile entdecken Arbeiter die Leiche einer Frau, die durch starke Gewalteinwirkung zu Tode kam. Schnell wird klar, dass es sich bei der Leiche um Jenny handelt, die damals unter dem Fundament eines im Bau befindlichen Anbaus ihres Nachbarhauses vergraben wurde. Ob sich nach so langer Zeit noch etwas aufklären lässt erscheint fraglich und so darf die noch unerfahrene Catherine Njoroge die Ermittlungen leiten, was freilich nicht jedem gefällt. Eine junge Frau, aus Kenia stammend und somit mit reichlich Migrationshintergrund; kein Wunder also, dass sie die Karriereleiter hinauffiel. Doch Njoroge ist auch eine gute Polizistin und holt sich zu ihrer Verstärkung den erfahrenen Charlie Resnick in ihr Team, der früher einst ihr Chef gewesen war.
"Sollten ständig die Augen offen halten, die Augen und die Ohren. Kameras, gelegentlich auch diese kleinen Handycams. Alles, was wir für nützlich hielten, haben wir an die Direktion weitergeleitet: ein neues Gesicht, das Instruktionen erteilte, Befehle weitergab; Pläne für neue Streikposten. Von dort ging das alles weiter nach London. Zur Special Branch, zum NRC."
"Das National Reporting Centre, New Scotland Yard, Zimmer 1309."
Resnick, eigentlich im Ruhestand, arbeitet nach dem Tod seiner Lebensgefährtin wieder für die Polizei, allerdings als ziviler Ermittler ohne jegliche Amtsbefugnisse. Damals, 1984, war er beim Bergarbeiterstreik dabei, als verdeckter Ermittler. Einige der Beteiligten kennt er noch, aber nicht wenige Menschen sind inzwischen verstorben.
In Deutschland galt John Harvey lange Jahre als Geheimtipp. Fragt man jedoch auf der britischen Insel nach den besten Krimiautoren, so fällt sein Name regelmäßig. Vielfach ausgezeichnet schickt er seinen Protagonisten Charlie Resnick in seinen letzten, seinen inzwischen zwölften Fall. Dieser endet passenderweise für Resnick auf einer Bank mit Blick über den Old Market Place von Nottingham. Ein veritabler Alterssitz für den gewieften Haudegen, den es in Unter Tage noch einmal zu erleben gilt. Gekonnt spielt die Handlung in zwei Zeitsträngen. Njoroge und Resnick versuchen den Fall zu lösen, alte Zeugen ausfindig zu machen und dabei auch ihre privaten Probleme in den Griff zu bekommen. Während die Ermittlungen nach rund dreißig Jahren verständlicherweise nur zäh vorankommen, erfährt der Leser parallel, was sich 1984 ereignet hat und erhält intensive Einblicke in die letzten Monate in Jennys Leben und damit auch über die ausufernden Gewaltexzesse beim Bergarbeiterstreik.
Unter Tage ist beste britische Krimikost vom großen Altmeister John Harvey. Es steht jedoch zu befürchten, dass der 1938 geborene Autor mit dem vorliegenden Roman nicht nur seinen Protagonisten in den endgültigen Ruhestand geschickt hat.
John Harvey, Ars vivendi
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