Blindgang
- Droemer
- Erschienen: Januar 2016
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- Oslo: Gyldendal, 2015, Titel: 'Blindgang', Originalsprache
- München: Droemer, 2016, Seiten: 464, Übersetzt: Andreas Brunstermann
Es ist eklig für den Killer, wenn der Bulle einfach nicht aufgibt
Sofie Lund erbt das Haus ihres ungeliebten Großvaters in Stavern und zieht dort widerwillig mit ihrer Tochter ein. Kurz darauf trifft sie Line, ihre Freundin aus Schulzeiten, die sich ebenfalls in ihrem Heimatort ein Haus einrichtet. Deren Vater, Kommissar William Wisting, hat derweil mit einem seit sechs Monaten ungeklärten Vermisstenfall zu tun, zu dem es jetzt durch seine frühere Freundin Suzanne neue Hinweise gibt.
In einer Scheune wird daraufhin das Fahrzeug des verschwundenen Taxifahrers Jens Hummel gefunden. Im Kofferraum entdeckt die Spurensicherung auch noch Blut des Mannes, und auf dem Bauernhof werden in einem Erdkeller zehn Kilogramm Drogen gefunden. Gemietet war das Gelände von Frank Mandt, einem alten Schmuggler und Drogendealer, den die Polizei aber nie überführen konnte. Er ist bei einem Sturz von seiner Kellertreppe ums Leben gekommen - in dem Haus, das Sofie dadurch von ihm geerbt hat. Sie findet zusammen mit Line Unterlagen und einen Revolver in einem Safe in diesem Keller - und so kommt Schwung in die Ermittlungen der Polizei, denn die Waffe wurde bei einem Mord am Silvesterabend benutzt.
Jørn Lier Horst setzt in seiner Geschichte eher auf die leisen Töne
Von den Lesern der Krimi-Couch ist Jørn Lier Horst für seine Romane um den norwegischen Kommissar William Wisting von Beginn an mit hohen Bewertungen bedacht worden, bei meinen Rezensenten-Kollegen war das nicht der Fall. Nun habe ich seine frühen Werke aus der Reihe nicht gelesen, aber Winterfest und Jagdhunde haben mir ausnehmend gut gefallen, und mit seinem neuen Werk hält der Autor dieses in meinen Augen Niveau mühelos.
Horst ist dabei kein Freund knalliger Action, sondern setzt eher auf die leisen Töne, und so wird auch diese Geschichte langsam, aber sehr zielstrebig entwickelt.
Es geht wieder einmal um einen Fall aus der Vergangenheit, der mit aktuellen Ereignissen in Verbindung steht.
Akribische Polizeiarbeit ist hier gefragt, und wird auch von Wisting und seinem Team geleistet, denn mysteriöse Ereignisse müssen entschlüsselt und in einen sicht- und nachvollziehbaren Zusammenhang gebracht werden.
Die Spannung wird durch ständig neue Rätsel immer weiter hochgeschraubt
Der Autor zeigt sich hier einmal mehr als richtig guter Erzähler, der sich wie sein Protagonist vollkommen in dem Fall festbeißt. Die Rand-Ereignisse, wie die Renovierung des Hauses von Line Wisting, und deren Freundschaft mit der Enkelin eines Verbrechers, werden wunderbar beiläufig geschildert - und ihre Bedeutung für die Lösung der Mordfälle wird nur in kleinen Häppchen serviert, was den Spannungsbogen enorm nach oben treibt.
Jørn Lier Horst präsentiert dem Leser immer neue Fakten und Wendungen - wenn man als Rezensent cool klingen will, nennt man das neuerdings Twists. Auf jeden Fall wird die Spannung durch ständig neue Rätsel immer weiter hochgeschraubt, Horst braucht dafür keine große Action, sondern die immer neuen Erkenntnisse und Indizien, die Wisting und sein Team sammeln, reichen dafür völlig aus. Das unbedarfte Verhalten von Sofie Lund, und das etwas überlegtere Agieren von Line Wisting werden vom Autor geschickt als dramaturgische Stilmittel eingebaut und genutzt.
Ein richtig guter Plot - spannend von Anfang bis Ende
Neben dem alten Haudegen William Wisting sind die zwei Frauen interessante Nebenfiguren, die dem Roman durch ihre spezielle Situation - die eine junge Mutter, die andere kurz vor der Geburt, beide ohne Partner - eine besondere Note geben. Vor allem wenn Horst seine kurzen und knackigen Kapitel immer zwischen ruhigen Episoden mit Wisting oder den Frauen, und neuen Fortschritten bei den Ermittlungen wechseln lässt. Damit erzeugt der Autor zusätzliche Dynamik.
Es geht hier unter anderem um Revierkämpfe im Drogen-Milieu, um ein schwieriges Vater-Tochter-Verhältnis, und vor allem um Polizeiarbeit unter ganz besonderen Umständen. Jørn Lier Horst hat in seinem neuen Roman einen richtig guten Plot erdacht, spannend von Anfang bis Ende.
Auf der Buch-Rückseite wird das Osloer Dagbladet zitiert. In der Zeitung ist Horst als der neue Nesbø bezeichnet worden - intelligent, flott, dicht, unheimlich. Der Charakterisierung kann ich an sich folgen, aber Vergleiche zwischen Autoren finde ich eher problematisch. Deshalb würde ich ihn lieber nicht als den neuen Nesbø bezeichnen, sondern einfach als eine bemerkenswerten Autor, der überaus lesenswerte Bücher schreibt.
Jørn Lier Horst, Droemer
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