Atlas - Frei zum Abschuss

  • Grafit
  • Erschienen: Januar 2016
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  • Dortmund: Grafit, 2016, Seiten: 221, Originalsprache
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Andreas Kurth
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2016

Das Spiel mit dem Feuer hinterlässt immer ein Brandzeichen

Andreas Atlas steckt in einer üblen Zwickmühle. Zwar hat er sich bei seiner spielsüchtigen BKA-Vorgesetzten Marita Bauer mit einem Teil der von ihm bei seinem Undercover-Einsatz in einem Drogen-Kartell unterschlagenen Millionen gewissermaßen frei gekauft - aber er weiss noch immer nicht, wo Lars den Rest der 40 Millionen versteckt hat. Der autistische Sohn seiner Freundin Grete will nicht, dass Andreas wieder aus Ostwestfalen verschwindet, und schaltet deshalb auf stur, wenn Atlas ihn nach dem Geld fragt.

Der frühere Undercover-Ermittler gerät enorm unter Druck, als sich untrügliche Anzeichen häufen, dass ihm die Häscher des mexikanischen Kartells im Süden des Osnabrücker Landes auf den Fersen sein. Atlas will seine Familie und seine Freunde in Bad Iburg auf keinen Fall in Gefahr bringen, und sucht verzweifelt nach einem Ausweg. Als ihm dann jedoch Marita Bauer offenbart, dass sie ihren Job beim BKA aufgeben will, eskaliert die dramatische Lage innerhalb weniger Stunden.

Calsows Romane gehören nicht in die Schublade "Regio-Krimi"

Martin Calsow hat sich mit seinen zwei Roman-Reihen um den bajuwarischen LKA-Ermittler Max Quercher und den westfälischen BKA-Fahnder Andreas Atlas bei den Lesern der Krimi-Couch einen festen Kreis von Fans erarbeitet. Einer der Romane wurde mit einem Durchschnitt von 80 Grad bewertet, ansonsten lagen die Leser-Voten immer bei 90 Grad und mehr. Allerdings sollte man seine Werke nicht einfach in die Schublade Regio-Krimi stecken, was bei Lesern und Rezensenten zuweilen ja - der Einfachheit halber - durchaus beliebt ist. Dann muss man sich nämlich mit den Inhalten nicht auseinander setzen. Dabei geht Calsow mit seinen zwei Reihen im Tegernseer Tal und in Ostwestfalen in meinen Augen weit über die üblichen Inhalte der so genannten "Regio-Krimis" hinaus.

An dieser Stelle muss ich ein Versäumnis einräumen. Den zweiten Atlas-Band hätte ich vor dem fünften Quercher lesen sollen. Es geht auch anders herum, aber irgendwie wäre es passender gewesen. Denn in beiden Bücher gibt es Ankündigungen und Querverweise. Ich kann also nur raten, die Bücher in der Reihenfolge ihres Entstehens zu lesen. Und ich freue mich jedenfalls schon auf die angedeutete Fortsetzung.

Calsow schildert eindringlich die seelische Zerrissenheit von Atlas

Andreas Atlas ist - wie sein Kollege aus dem Tegernseer Tal - ein ziemlich spezieller Charakter. Einfach kann und will Martin Calsow offenbar nicht. Aber wer weiss schon, wieviel biografische Elemente er in seinen beiden Protagonisten verarbeitet hat? Der Westfale Atlas ist jedenfalls geprägt von seiner Zeit als Undercover-Ermittler in Mexiko. Sieben Jahre unter steter Lebensgefahr in einem Drogen-Kartell agieren - das formt die Persönlichkeit. Ebenso prägend ist allerdings das seelische Dilemma, in dem sich Atlas befindet. Eigentlich wollte er in Bad Iburg nur kurz auftanken, um sich dann über die Niederlande irgendwie nach Südamerika abzusetzen. Einerseits kommt er nun nicht an das dafür benötigte Geld ran, andererseits ist ihm sein Leben mit Grete und Lars irgendwie auch ans Herz gewachsen. So ohne weiteres abhauen könnte er wohl schon nicht mehr. Diese innere Zerrissenheit des nach außen so coolen Mannes wird vom Autor eindringlich geschildert. Der einsame Wolf will heimisch werden - und das ganz anders, als zunächst geplant.

Martin Calsow liefert hier mal wieder allerbestes Kopfkino

Neben den Bemühungen von Atlas, seine Familie und Freunde zu schützen, geht es noch um einige andere Themen. Korruption in den höheren Ebenen der Polizei war bei Calsow schon öfter ein Thema. Eine spielsüchtige Abteilungsleiterin beim BKA passt da gut ins Bild. Der Autor zeichnet gerne ein kritisches Bild der übergeordneten Ermittlungsbehörden. Es wäre mal interessant, zu erfahren, ob das auf Recherchen und Hintergrundgesprächen beruht - oder vollkommen der Phantasie entsprungen ist. Ich tippe auf eine gesunde Mischung - und schon das wäre mehr als erschreckend.

Und die Frage, wie weit würde der Arm eines mexikanischen Drogenkartells reichen, wenn es einen Verräter sucht, der sich als Polizist entpuppt hat - diese Frage gibt dem ganzen Plot erst die richtige Würze. Ich will nicht spoilern. Aber Calsow hat hier wieder einmal richtig tief in die Kiste gegriffen. Er liefert allerbestes Kopfkino - nach geradezu ruhigem Beginn ist die zweite Hälfte des Buches so dynamisch wie gewohnt bei diesem Autor. Dabei nutzt er zuweilen auch bekannte Elemente aus dem Werkzeugkasten für Thriller-Autoren. Das mag ihm der eine oder andere vorwerfen, ich finde, die Gesamtkomposition ist entscheidend. Und die ist gelungen - spannende und gute Unterhaltung bis zum Cliffhanger am Ende.

Atlas - Frei zum Abschuss

Martin Calsow, Grafit

Atlas - Frei zum Abschuss

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