Schwindelfrei ist nur der Tod

  • Argon
  • Erschienen: Januar 2016
  • 14
  • Berlin: Argon, 2016, Übersetzt: Jörg Maurer, Bemerkung: ungekürzte Ausgabe
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Andreas Kurth
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2016

Was geschah wirklich in der Prinzregentenstraße?

Der achte Fall für Kommissar Jennerwein und sein bunt gemischtes Team. Aber es ist zunächst für Leser und Ermittler völlig unklar, ob es sich überhaupt um einen Fall handelt. Ein Heißluftballon ist verschwunden, und mit ihm alle Passagiere. An Bord war ein irgendwie prominenter Unbekannter. Im Polizei-Team gibt es derweil einige Rätsel. Jennerwein hat einen Gefängnis-Insassen nach dem Ende von dessen Strafe abgeholt, und schnell wird deutlich, dass er zu diesem Mann eine ganz spezielle Beziehung hat.

Es gibt außerdem Hinweise von Zeugen auf einen Explosion am Himmel, und die Polizei sucht nach einer Passagierliste der Ballonfahrt. Die ganze Angelegenheit gestaltet sich für die Ermittler allerdings mehr als rätselhaft, ebenso die überaus seltsamen Vorgänge um den ehemaligen Häftling. Bis zur Lösung müssen Hubertus Jennerwein und seine munteren Kollegen einige Rätsel knacken.

Klamauk-Faktor dürfte für Krimi-Fans etwas zu groß geraten sein

Jörg Maurer schickt mit Schwindelfrei ist nur der Tod den bodenständigen Alpenländer Hubertus Jennerwein - mit seinem überaus gemischten Team - zum achten Mal ins Rennen. Während der Autor dafür von den KC-Lesern stabil hohe Bewertungen bekam, waren meine Rezensenten-Kollegen nicht immer von den Fabulier-Künsten Maurers überzeugt. Und nun geht auch beim Publikum die Bewertungskurve nach unten. Dabei hat der Autor hier keineswegs ein schlechtes Buch vorgelegt, aber angesichts der hohen Ansprüche an seine Romane ist er unter seinen Fähigkeiten geblieben.

Ich habe bei der Lektüre den Einruck gewonnen, seine Fabulierlust ist irgendwie mit ihm durchgegangen, und an einigen Stellen hat er den roten Faden etwas verloren. Das schmälert den gewohnt hohen Unterhaltungswert im Grunde nicht, aber für Freunde der Spannungsliteratur dürfte hier der Klamauk-Faktor zu groß geraten sein. Dabei hätte der Plot das Zeug zu einem herausragenden Krimi gehabt.

Fantastisch anmutende Einzelheiten beeinträchtigen den Gesamteindruck

Maurer hat nämlich einen tollen Einstieg in die Handlung gewählt. Den Banküberfall mit Geiselnahme hat es am 4. August 1971 tatsächlich gegeben. Das Rätsel um die Beteiligung des nur am Anfang geheimnisvollen Gefängnisinsassen an dem Vorfall macht einiges von der Spannung in diesem Roman aus. Leider gleitet Maurer gerade bei dieser wichtigen Neben-Geschichte stark in fantastisch anmutende Einzelheiten ab, was den Gesamteindruck stark beeinträchtigt. Da hätte er ausnahmsweise etwas ernster bleiben sollen, das hätte seiner insgesamt durchaus lesenswerten Erzählung an dieser Stelle gut getan.

Ansonsten präsentiert der Autor wie gewohnt ein buntes Personal-Tableau, verschiedene Handlungsebenen, ständig wechselnde Schauplätze, und seine zuweilen chaotische Ermittler-Truppe - in der sich einige Protagonisten noch seltsamer verhalten als sonst. Die Alpen mit ihren Gipfeln, Graten und Tälern bilden wie immer die passende Kulisse, spielen im Zusammenhang mit dem Ballon-Unglück außerdem noch eine besondere Rolle.

Interessanter Neuling hat einige Überraschungen zu bieten

Neben dem typischen Humor von Jörg Maurer, der in diesem Roman noch stärker als sonst ins Skurrile abgleitet, sind vor allem die Figuren einmal mehr hochinteressant. Es dürfte für Neueinsteiger, die noch keinen Band aus der populären Reihe gelesen haben, allerdings etwas schwierig sein, alle Protagonisten richtig einzuordnen. Wenn man die Rollen von Padrone Spalanzani und seinem Handlanger Karl Swoboda nicht aus den anderen Geschichten kennt, wird man sie hier kaum richtig einordnen können. Das gilt auch für das Ehepaar Grasegger, das in dieser Geschichte plötzlich zum Auftragnehmer von Jennerwein emporsteigt.

Für alle Leser neu ist dagegen die Figur des Ex-Häftlings und Berufsverbrechers Dirschbiegel. Ein hoch interessanter Protagonist, der einiges an Überraschungen zu bieten hat.

Ihm kommt im Verlaufe der Erzählung eine tragende Rolle zu - mehr sei hier aus dramaturgischen Gründen nicht verraten. Jennerwein selbst und auch die Mitarbeiter aus seinem Team kommen in diesem Roman eher kurz weg - aber diese schöpferische Teilpause kann man verschmerzen.

Das kriminalistische Element kommt hier etwas zu kurz

Das Finale wirkt leicht überhastet und unfertig, was für Maurer eher untypisch ist. Einige Schicksale lässt er relativ offen. Positiv könnte man sagen, der Fantasie des Lesers wird viel Raum gegeben. Der Roman ist dennoch ein lesenswertes Buch, aber für Jörg Maurer in der Gesamt-Komposition ungewöhnlich. Dennoch hat das Buch einen hohen Unterhaltungswert, wenn auch das kriminalistische Element etwas zu kurz kommt - was dann auch eine höhere Bewertung verhindert hat. Aus dem Plot hätte der Autor mehr machen können, ja müssen. Gespannt darf man sein, ob Dirschbiegel in den kommenden Romanen erneut auftaucht. Die knorrige Figur würde der Szenerie im beschaulichen Kurort überaus gut tun.

Schwindelfrei ist nur der Tod

Jörg Maurer, Argon

Schwindelfrei ist nur der Tod

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