Das Labyrinth der Spiegel (Commissario Montalbano 18)
- Lübbe Audio
- Erschienen: Januar 2016
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- Palermo: Sellerio Editore, 2011, Titel: 'Il gioco degli specchi', Originalsprache
- Köln: Lübbe Audio, 2016, Seiten: 4, Übersetzt: Bodo Wolf
Eine Falle für Montalbano
Als Commissario Montalbano eines Morgens von Marinella nach Vigàta zur Arbeit fahren will, sieht er, dass seine neue Nachbarin Liliana Lombardo Probleme mit ihrem Wagen hat. Jemand hat den Motor demoliert. Montalbano eilt zu Hilfe. Er vermutet die Rache eines abgewiesenen Liebhabers, denn er hat bereits beobachtet, dass die hübsche Liliana häufig Besuch empfängt, während ihr Ehemann Adriano ständig auf Geschäftsreise ist. Liliana, deren Ehe angeblich nur noch auf dem Papier besteht, macht Montalbano so heftige Avancen, dass sein Widerstand in dem Maße bröckelt, wie sein Misstrauen steigt.
Liliana und Adriano, Vertreter einer Computerfirma, sind ihm ein Rätsel, ebenso der Bombenanschlag auf eine leere Lagerhalle in Vigàta. Als Hintergrund vermutet er, dass der Eigentümer Angelino Arnone eine Schutzgeldzahlung an die Mafia verweigert hat. Vielleicht galt der Anschlag aber auch einem der Bewohner des benachbarten Mietshauses. Denn dort wohnen unter anderem der Mafioso Nicotra vom Clan der Sinagra und die beiden Vorbestraften Giannino und Tallarita. Letzterer hat für Nicotra Drogen verdealt, sitzt derzeit in Haft und will gegen die Drogenmafia aussagen, glaubt man den Gerüchten. Zur Zeit leben seine Frau und sein erwachsener Sohn Arturo in der Wohnung.
Eine weitere Bombenexplosion in einer leeren Lagerhalle und ein Schuss auf seinen Wagen lassen Montalbano ahnen, dass es um weit mehr als Schutzgelderpressung geht oder darum, jemanden zum Schweigen zu bringen. Er vermutet einen Zusammenhang zwischen den Anschlägen und den Lombardos, zumal Lilianas Liebhaber Arturo Tallarita war und vielleicht immer noch ist. Beide arbeiten zusammen in einem Modegeschäft in Vigàta. Wenig später tauchen Liliana und Arturo ab, und auf einem einsamen Feldweg bei Spinoccia wird ein ausgebrannter Wagen mit einer verkohlten Leiche auf dem Rücksitz gefunden.
Montalbano blickt nicht mehr durch
Im achtzehnten Fall der Serie, 2011 unter dem Titel "Il gioco degli specchi" (Das Spiel der Spiegel) erschienen, lässt Andrea Camilleri seinen Helden Salvo Montalbano an die Grenzen gehen. Er blicke nicht mehr durch, gibt der Commissario verzweifelt zu und fühlt sich an einen Film von Orson Welles erinnert ("Die Lady von Shanghai"), in dem es eine Szene mit einem Spiegelkabinett gibt, so dass man bald die Orientierung verliert und nicht mehr weiß, mit wem man spricht. Ihm ist rätselhaft, warum jemand vor zwei leeren Lagerhallen eine Bombe deponiert, die lediglich das Rollgitter beschädigt. Noch rätselhafter ist das Verhalten Lilianas, die ihn mit einer raffinierten Strategie zu verführen versucht. Auch die Tatsache, dass in seinem Wagen eine Kugel steckt, wirft drängende Fragen auf, beispielsweise wann, wo und von wem geschossen wurde, ob der Schuss nur ein Querschläger infolge einer wilden Schießerei oder Montalbano das Opfer eines missglückten Attentats war. Scheinbar unerklärliche Ereignisse sowie eine Reihe einander widersprechender anonymer Briefe und Gerüchte sorgen dafür, dass Montalbano sich in einem Labyrinth aus falschen Fährten verirrt.
Erst ein Geistesblitz nach einem Restaurantbesuch führt ihn auf die richtige Spur. Doch je näher er der Wahrheit kommt, desto gefährlicher wird seine Lage. Bald fühlt er sich an den Film "Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger" erinnert, mit ihm in der Titelrolle und dem Journalisten Ragonese als willigem Erfüllungsgehilfen seines unsichtbaren Gegners. Wenn dessen Plan aufgeht, droht ihm weit mehr als eine öffentliche Blamage.
Die Schlinge zieht sich immer enger um Montalbano, der sich mit seinen Gegnern ein irres Katz-und-Maus-Spiel mit einigen überraschenden Wendungen und ein paar Leichen am Ende liefert. Nicht nur Montalbano ist verwirrt. Auch der Leser ist es und bleibt es lange Zeit, denn als Montalbano anfängt, die Wahrheit zu durchschauen, teilt er sie nicht mehr wie zuvor mit seinen Kollegen Fazio und Domenico "Mimì" Augello sowie dem Leser, sondern behält sie bis kurz vor Schluss für sich, um dann allerdings noch eine weitere clevere Überraschung zu präsentieren, die so brillant wie kompromisslos ist.
Camilleri jongliert seine Figuren und Erzählstränge virtuos, der Erzählstil ist knapp und präzise. Sein Protagonist Salvo Montalbano glänzt dabei mit bühnenreifen Improvisationen, schamlosen Lügen und Cleverness - so gibt er sich am Telefon als Abgeordneter aus -, was ihn aber nicht daran hindert, von seiner Verlobten Livia, mit der er eine Fernbeziehung führt, hereingelegt zu werden. Jedes Telefonat mit ihr mündet in den Satz: Es musste zum Streit kommen. Seine Frage, ob er ebenso hilfsbereit wäre und sich kümmern würde, wenn Liliana alt und hässlich wäre, beantwortet der kompromisslose Macho mit einem entschiedenen Ja, um noch entschiedener zu ihr hinüberzugehen und zu klingeln. So groß ist seine Selbstkritik. Für Montalbano gibt es zwei Gefilde, die ihm gefährlich werden können: die Mafia und die Frauen. Diesmal bekommt er es mit beiden zu tun.
In seiner Anmerkung verweist Camilleri darauf, dass er nicht wie so oft bei der Serie von einer Verbrechensmeldung inspiriert wurde, sondern Namen, Ereignisse und Situationen fiktiv sind. All das soll sich allerdings im Sommer 2010 nach Beendigung des Romans tatsächlich ereignet haben.
Fazit: Spannender Krimi, der auf knappen 252 Seiten ein mörderisches Komplott mit geistreichen Dialogen und sizilianischer Lebensart verbindet, mit einem eigensinnigen und dreisten Montalbano in einem ebenso irrsinnigen wie glaubwürdigen Verwirrspiel.
Andrea Camilleri, Lübbe Audio
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