Neuntöter
- Random House Audio
- Erschienen: Januar 2016
- 7
- Köln: Random House Audio, 2016, Seiten: 2, Übersetzt: Friederike Kempter , Bemerkung: gekürzte Ausgabe
- München: Heyne, 2018, Seiten: 496, Originalsprache
Cocooning in der tödlichen Variante
Ein spektakulärer Leichenfund versetzt die Berliner Polizei in helle Aufregung. Im Herzen der Stadt, am Potsdamer Platz, hängen drei Tote in einem Baugerüst - in so genanntes Panzertape eingewickelt wie in einen Kokon. Schnell wird deutlich, dass der Fundort nicht der Tatort ist. Die Abteilung für "Operative Fallanalyse" - im Volksmund als Profiler bekannt - soll die Ermittler des Landeskriminalamtes bei der Aufklärung unterstützen. Emma Carow, eine eher eigenbrötlerische und nur in beruflichen Zusammenhängen kommunikative Fall-Analystin, entwickelt zum gesuchten Mörder schnell andere Theorien als ihre Kollegen.
Da sich ihre Chefin demnächst in eine Kinderpause zurück ziehen wird, entwickelt sich der Fall für Emma zu einer ungeahnten Weichenstellung im Hinblick auf ihre weitere Karriere bei der Polizei. Es werden noch mehr eingewickelte Leichen in der Stadt gefunden, und Emmas Überlegungen zum Täter und seinem Motiv verfestigen sich. Parallel dazu muss sie gegen schlimme Dämonen aus ihrer eigenen Vergangenheit ankämpfen, und ein Konkurrent in den eigenen Reihen versucht ihr daraus auch noch einen Strick zu drehen. Doch die ungewöhnliche junge Frau bleibt ihren Überzeugungen treu, riskiert mehrfach gefährliche Alleingänge - und bringt sich selbst dadurch in tödliche Gefahr, je näher sie der Lösung kommt.
Emma Carow ist eine höchst ungewöhnliche Protagonistin
Astrid Ule und Eric T. Hansen haben unter ihrem gemeinsamen Pseudonym ihren ersten Thriller vorgelegt. Das Duo zeigt sich dabei als gutes, aber auch eigenwilliges Erzählerpaar. Die beiden haben nämlich mit Emma Carow eine ziemlich ungewöhnliche Protagonistin geschaffen. Es geht in dem Roman in sehr langen Passagen um Emmas Vergangenheit und um ihre Psyche. Manchem Leser mag das zu viel sein, auch ich habe zuweilen die Stirn beim Lesen gerunzelt.
Aber im Laufe der Lektüre wird deutlich, dass die spezielle Art zu denken, die Emma bei ihren Fallanalysen an den Tag legt, untrennbar mit ihrer Vergangenheit verbunden ist. Sie wurde vor vielen Jahren vergewaltigt, und hat das im Grunde noch nicht verarbeitet. Ihr ehrgeiziger Kollege Felix Schreiner versucht sie mit dem Wissen um die Vergewaltigung beruflich zu diskreditieren, aber Emma Carow wehrt sich mit aller Kraft.
Dem Leser wird ihre Art zu denken, sich in die Köpfe der Mörder hinein zu versetzen, umfassend geschildert. Damit vermochte sie bisher auch stets ihre Kollegen und Vorgesetzten zu überzeugen, trotz aller Alleingänge und Eigenwilligkeiten. Bei den von der Presse "Mumien-Fall" genannten Ermittlungen muss Carow mehrfach an ihre psychischen Grenzen gehen - und darüber hinaus. Die Autoren zeigen hier eindrucksvoll, wie schwierig der Job der Fall-Analytiker im Grunde ist, wie sehr ihr eigenes Wohlbefinden bei der Suche nach einem Mörder schwer geschädigt werden kann.
Spannung wird durch viele Rätsel kontinuierlich gesteigert
Man muss sich als Leser auf die Geschichte, und vor allem auf diese ungewöhnliche Protagonistin einlassen - dann wird man sehr kurzweilig unterhalten. Die Spannung wird durch die vielen Rätsel von Beginn an kontinuierlich gesteigert. Die Schilderung der Tötungsakte ist ziemlich harter Stoff - definitiv nichts für eine Lektüre vor dem Einschlafen. Speziell sind aber auch Emmas Analysen zu diesem Thema. So geht sie beispielsweise davon aus, dass die Inszenierung für die oder den Täter wichtiger ist als der eigentliche Tötungsakt. Dadurch wird deutlich, dass der Tot der Opfer für den Mörder nur ein Mittel zum Zweck ist - was sie ihren Kollegen nur schwer zu vermitteln vermag.
Ein nettes Nebenthema sind die so genannten Urban Explorer, mit denen Emma und ihre Kollegen während der Ermittlungen in Kontakt kommen. Das ist mehr als passend für einen Schauplatz wie Berlin.
Die Rivalität mit Felix Schreiner wegen der Schwangerchaftsvertretung für Emmas Chefin ist zwar ein ebenfalls passende Nebengeschichte, hätte aber etwas weniger ausführlich geschildert werden dürfen. Angesichts der ansonsten rundum stimmigen Geschichte kann man das aber durchaus verschmerzen.
Das Gesamtszenario ist zwar beängstigend, aber der gesamte Plot und das in meinen Augen ziemlich krasse Finale sorgen bei diesem bemerkenswerten Thriller-Debüt für ausgezeichnete Unterhaltung. Insgesamt also ein lesenswertes Buch mit höchst authentisch wirkenden Protagonisten.
Ule Hansen, Random House Audio
Deine Meinung zu »Neuntöter«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!