Die schwarze Insel
- Piper
- Erschienen: Januar 2003
- 4
- Turin: Einaudi, 1999, Titel: 'L´isola dell insula caduto', Seiten: 224, Originalsprache
- München; Zürich: Piper, 2003, Seiten: 269, Übersetzt: Monika Lustig
- München; Zürich: Piper, 2005, Seiten: 268
Das Blatt wendet sich
Selten habe ich ein Buch gelesen, dem ich fast bis zum Ende nichts abgewinnen konnte und das ich dann doch gar nicht so schlecht fand. Wie geht das? Umgekehrt scheint es logischer zu sein: Eine gute Geschichte wird von einem rasch zusammengestrickten oder unlogischen Ende verdorben. Carlo Lucarelli aber reißt die Story mit dem Ende raus. Der Mann ist einfallsreich!
Doch beginnen wir am Anfang: Wir schreiben das Jahr 1925. Mussolini ist an der Macht und jeder, der nicht für das Regime ist, ist dagegen. Ein junger Kommissar, sein Name scheint unwichtig zu sein, wurde auf eine Insel versetzt, die eine Strafkolonie beherbergt. Schon seit zwei Jahren ist er dort, obwohl er seiner Frau Hana bei der Ankunft versprach, dass der Aufenthalt bestimmt nicht lange dauern würde. Hana ist psychisch instabil, sitzt im abgedunkelten Haus und lässt das Grammophon tagein tagaus das gleiche Lied spielen. Der Tagesablauf des Commissario wird durch eine erschreckende Nachricht gestört: Einer der Gefolgsleute des Leiters der Miliz wird tot aufgefunden. Der ortsansässige Arzt hält sich gar nicht mit langen Untersuchungen auf und attestiert einen Unfall als Ursache. Doch Valenza, Insasse der Strafkolonie, in seinem früheren Leben Angestellter am Lehrstuhl für Pathologische Anatomie an der Universität von Neapel, macht den Polizeibeamten auf einige Ungereimtheiten aufmerksam, die gegen die Unfalltheorie sprechen. Vorsichtshalber lässt er den Toten in ein Kühlhaus bringen.
Dann erhält er überraschend ein Telegramm: Er soll sich für eine Versetzung an einen neuen Standort bereithalten. Endlich! Aber es kommt zu einem weiten Todesfall. Zecchino, sein Informant, kommt ebenfalls auf mysteriöse Weise ums Leben. Und der Commissario fühlt sich hin und her gerissen von seinem Pflichtbewusstsein, die Todesfälle zu untersuchen und der nahenden Abfahrt, die er so stark herbeigesehnt hat.
Der Stoff ist nicht einfach
Was recht banal klingt, ist keine Geschichte, die man leicht nebenher lesen kann. Schon der Einstieg fällt sehr schwer. Die Schreibweise von Carlo Lucarelli erfordert erhöhte Aufmerksamkeit, was einerseits an der Sprache bzw. dem Satzbau liegen kann, andererseits aber auch an den vielen Andeutungen - alles ist sehr mysteriös. Dies drückt sich meines Erachtens schon darin aus, dass wir den Namen des Kommissar gar nicht erfahren.
Merkwürdige Personen reichern die Geschichte an, so dass man sich nur über Sinn und Unsinn wundern kann, z.B. ein Mann, der von den Einheimischen als Engländer bezeichnet wird, obwohl er vielleicht doch Italiener ist und der jeden Tag ein Telegramm mit demselben Inhalt verschickt: "Kehr zurück". Richtige Ermittlungen sucht man ebenso verzweifelt wie den Sinn. Obwohl mir das alles nicht gefallen will, packt mich die Atmosphäre während des Lesens immer mehr. Es scheint fast so, als nehme einen der düstere Ort mehr und mehr gefangen.
Die Hamburger Morgenpost urteilt: "Das dämonische Finale alleine lohnt schon die Lektüre". Da muss ich dieser Zeitung recht geben, auch wenn die Lobeshymnen, die auf den Buchrücken oft abgedruckt werden, meistens an den Haaren herbeigezogen sind: Das Ende hat was. Und der Rest des Buches ist erträglich, da das Buch erfreulich kurz ist - 268 Seiten sind schnell gelesen. Meine negative Einstellung ist jedenfalls verflogen.
Carlo Lucarelli, Piper
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