Ostfriesenschwur
- Fischer
- Erschienen: Januar 2016
- 13
- Frankfuirt am Main: Fischer, 2016, Seiten: 512, Originalsprache
Bullen-Memoiren als Killer-Fahrplan
Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag. Ubbo Heide, pensionierter Chef der ostfriesichen Kriminalpolizei bekommt ein mysteriöses Paket zugestellt. Seiner Frau und ihm fährt der Schreck mächtig in die Glieder, als sie im Paket einen abgetrennten Kopf finden. Ubbo schaltet sofort seine Kollegen ein, und als ein zweiter Kopf im Kofferraum seines Fahrzeugs auftaucht, wird deutlich, dass der Mörder dem erfahrenen Ex-Kriminalbeamten eine Botschaft schicken will.
Ubbo Heide kennt die beiden Toten, er hat einst gegen sie ermittelt. Ann Kathrin Klaasen und ihr Team - einschließlich ihres neuen Vorgesetzten - merken schnell, dass ihnen der Killer irgendwie immer einen Schritt voraus ist. Deshalb kommt der Verdacht auf, dass es sich um einen Täter aus den Reihen der Polizei handeln könnte.
Es gibt weitere Tote - und während der Leser dem Mörder längst über die Schulter blickt, tappen die Ermittler völlig im Dunkeln. Klaasen und ihre Kollegen ahnen, dass die Mordserie irgendwie mit Ubbo Heides Buch über ungelöste Fälle zusammen hängt, aber sie müssen zu ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden greifen, denn es gibt weitere Morde. Erst im dramatischen Finale wird der ungewöhnlichen Fall doch noch gelöst.
Abgetrennter Kopf sorgt gleich für Volldampf
Um es gleich zu sagen, mit Ostfriesenschwur hat Klaus-Peter Wolf einen weiteren Band seiner Klaasen-Reihe vorgelegt, der den Leser mit einem perfekten Spannungsbogen bis zur letzten Seite fesselt. Der Autor braucht dabei keinen großen Anlauf, mit dem abgetrennten Kopf in der Post geht es gleich mit Volldampf los. Schon früh wird auch die Tätersicht eingeführt, gemeinsam mit dem Mörder ist der Leser den Ermittlern immer ein paar Schritte voraus.
Dennoch bleibt lange unklar, ob es sich um einen oder mehrere Täter handelt, und auch die tatsächliche Motivlage ist zwar irgendwie klar - aber dann eben doch nicht so wirklich. Man merkt dem Roman die Fabulierlust von Klaus-Peter Wolf an, kann sich beim Lesen fast vorstellen, wie er mit seiner Kladde am Strand oder in einem Café sitzt, und beim Schreiben vor sich hin lächelt. Ruperts amouröse Abenteuer, Klaasens messerscharfe Schlüsse, und auch die zeitweise Hilflosigkeit des neuen Kripochefs Büscher - der Autor bietet dem Leser neben der eigentlichen Kriminalgeschichte so einiges an Unterhaltung.
Vorwurf des unpassenden Marketings ist unsinnig
Klaus-Peter Wolf wird immer wieder vorgeworfen, dass er in seinen Romanen seine Frau, gute Freunde, Lokale, Schwimmbäder oder was auch immer erwähnt. Sicherlich kann man das durchaus kritisieren, aber die überzogenen Vorwürfe, er würde hier unpassendes Marketing betreiben, halt ich für ziemlichen Unsinn. Jeder Autor sucht sich für seine Romane einen Schauplatz oder eine Region aus, in der sich seine Protagonisten bewegen. Wer in Berlin spielenden Romanen den Zoo, eine bestimmte Bar oder ein Café erwähnt, erntet solche Vorwürfe eher selten. Warum das bei Ostfriesland-Krimis anders ist, erschließt sich mir in keiner Weise.
Wenn sich die Kritik an dieser Reihe vor allem auf derart billige Vorwürfe stützt, ist das schon seltsam. Man könnte umgekehrt einen Schuh daraus machen. Durch die Erwähnung bekannter Orte, Lokale und Personen gewinnt das Buch enorm an Authentizität. Dass sich Norden und andere Orte in Ostfriesland über diese Schiene geschickt für den Tourismus vermarkten und so interessanter machen wollen, kann ich nicht verwerflich finden. Wolf hilft sicherlich ein wenig dabei mit, aber das ist in meinen Augen durchaus im Rahmen.
Schwieriger Start für den neuen Kripo-Chef
Neben der Spannung durch den rasanten und ungewöhnlichen Kriminalfall lebt der Roman - wie so oft in dieser Reihe - von seinen Protagonisten. Ann Kathrin Klaasen und ihr Team sind den Lesern dieser Reihe bereits bestens vertraut, interessant ist daher vor allem die aktuelle - und künftige - Rolle des neuen Kripo-Chefs Martin Büscher. Er ist nicht so ganz freiwillig aus Bremerhaven nach Ostfriesland gekommen, man hat ihm diesen Wechsel mit der Aussicht auf Beförderung schmackhaft gemacht. Nun muss er nicht nur gegen die berühmte Kommissarin Klaasen "anstinken", sondern auch noch gegen seinen Vorgänger, der bei diesem Fall plötzlich wieder mitten drin ist, allerdings auch eher unfreiwillig. Büschers Probleme ziehen sich als Dauerthema durch dieses Buch, und Klaus-Peter Wolf hat noch weitere nette Nebengeschichten eingebaut.
Vor allem aber hat er reichlich falsche Fährten, Sackgassen für die Ermittler und zusätzliche Rätsel in den Roman verpackt. Wenn man mehrfach glaubt, den Fortgang der Handlung voraussehen zu können, wird man schnell eines Besseren belehrt.
Im dynamischen und dramatischen Finale trägt Klaus-Peter Wolf ziemlich dick auf, aber das ist ja auch kein Tatsachenroman, und der Autor hat eben seine dichterische Freiheit genutzt. Insgesamt ist Ostfriesenschwur ein rasanter und fesselnder Roman - ideale Lektüre für ein langes Wochenende. Es muss ja nicht an der Nordsee oder auf einer der ostfriesischen Inseln sein ...
Klaus-Peter Wolf, Fischer
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