Der Eismann
- DAV
- Erschienen: Januar 2015
- 6
- Berlin: DAV, 2015, Seiten: 6, Übersetzt: Götz Schubert
Ein atmosphärischer Kriminalroman alter Schule
Dezember 2005. Es ist kalt in Berlin. Die Temperaturen sind teils zweistellig im Minus. Weihnachten steht vor der Tür. Eigentlich eine ruhige Zeit für Hauptkommissar Bruno Kahn und sein Team, doch dann wird eine Leiche in einem Schrebergarten in Lichtenberg entdeckt. Ein alter, offenbar in ärmlichen Verhältnissen lebender Mann, nackt, gefesselt in seiner kleinen Laube (Datsche). Er starb an Unterkühlung. Mehr als den Namen des Toten können die Ermittler zunächst nicht herausfinden, da ereignet sich ein weiterer Todesfall. Eine bekannte Opernsängerin stürzt aus ihrer Wohnung. Ein Selbstmord? Die Obduktion ergibt, dass das Opfer kurz zuvor Besuch hatte und ein Betäubungsmittel injiziert bekam.
"Immer das Gleiche, dachte er. Am Ende geht es darum, etwas zu bekommen, das der andere nicht kriegt - Geld, Liebe, einen alten Brotkanten. Seit Urzeiten schlugen Lebewesen sich deswegen die Köpfe ein. Die Tiere wussten es nicht besser. Die Menschen anscheinend auch nicht."
Die Weihnachtstage scheinen plötzlich ungemütlich zu werden, unabhängig von der Wetterlage. Als wenig später in der Nähe von Frankfurt / Oder ein weiterer Mord entdeckt wird, dessen Opfer, ein früherer Manager der Deutschland Bank, genau so ermordet und hergerichtet wurde wie der Tote in der Gartenlaube, müssen sich die Ermittler beeilen, denn auch die Presse springt auf die Morde an...
Detaillierte Polizeiarbeit und ein Ausflug in die deutsch-deutsche Geschichte
Der Eismann von Silja Ukena ist, dies vorab, eine klare Empfehlung für Freunde traditionell geschriebener Kriminalromane. Ausführlich und detailliert wird die mitunter monotone polizeiliche Ermittlungsarbeit beschrieben und obwohl die Ermittler lange Zeit nicht voran kommen, schafft es die Autorin ihre Leser von Beginn an zu fesseln. Man kann sich in den Einzelgänger und Protagonisten Bruno Kahn sehr gut hineinversetzen und das macht die Lektüre dieses Romans so packend.
"Ungläubig betrachtete Kahn sich in dem kleinen ovalen Spiegel, der über dem Waschtisch hing. War das wirklich er? Tiefe Furchen zogen sich über Stirn und Wangen, und mit seinen schweren, blutunterlaufenen Augen erinnerte er mehr denn je an einen Bernhardinerhund. Einen, der sein Fässchen selbst geleert hatte."
Kahn, ein mürrischer Einzelgänger, der sich gerne Zeit zum Nachdenken nimmt, ist Single, leicht introvertiert und ein Freund fester Tagesabläufe. Morgens ein kurzes Frühstück in der kleinen Cafe-Bar um die Ecke, abends gerne ein Menü in seinem Lieblingsrestaurant, sofern es die Arbeit zulässt. Hier muss er sich mit der jungen Laura Conti in seinem Team anfreunden, von der er zunächst nicht weiß, warum sie in seiner Truppe arbeitet. Hat man sie ihm zugeteilt, damit der Chef des Morddezernats einen besseren Einblick in Kahns Arbeit erhält? Die verschworene Truppe wird kritisch beäugt, doch ihre Erfolge waren bislang beeindruckend. Im vorliegenden Fall tappen sie hingegen lange im Dunkeln, da zumindest die männlichen Opfer keine Vergangenheit zu haben scheinen. Später, viel später, werden dann die grausamen Details einer verhängnisvollen Geschichte bekannt, die die Leser in einen dunklen Teil der bedrückenden ostdeutschen Nachkriegsgeschichte versetzt.
Der Erzählstil der Autorin ist angenehm unspektakulär. Neben der Tagesroutine und der Ermittlungsarbeit wird die Stadt Berlin umfangreich vorgestellt, ohne dass der Plot dabei zum Stadtführer mutiert. Das Privatleben von Bruno Kahn ist derzeit wenig spektakulär, wobei erste Ansätze aufblitzen, dass es in möglicherweise folgenden Fällen doch die eine oder andere Frau in Kahns Leben geben könnte. Traditionelle Krimiliebhaber, die auf Actionsequenzen und Computer-High-Tech verzichten können, werden an diesem atmosphärischen Setting ohnehin ihre Freude haben.
Silja Ukena, DAV
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