Auf ewig dein
- Bastei Lübbe
- Erschienen: Januar 2015
- 2
- New York: St. Martin's Press, 2014, Titel: 'Doing Harm', Originalsprache
- Köln: Bastei Lübbe, 2015, Seiten: 464, Übersetzt: Alexandra Kranefeld
Götterdämmerung im Krankenhaus
In griechischen Tragödien ist die "Hybris" – die Selbstüberschätzung oder der Hochmut - oft der Ausgangspunkt der unglücklichen Verkettung. Im Leben der Hauptperson läuft es so richtig rund und schon meint sie, den Befehlen und Geboten der Götter nicht mehr gehorchen zu müssen oder – noch schlimmer – besser als sie dazustehen. Damit fängt dann das Drama an.
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich im Leben des Chirurgen Steve Mitchell beobachten: Beruflich läuft es richtig super, der Chefarzt wird ihm vermutlich bald eine begehrte, hochdotierte Stelle anbieten und auch das Privatleben präsentiert sich von der sonnigen Seite. Kein Wunder also, dass Steve sich im Stillen den Halbgöttern in weiß recht nahe sieht und eine derartige "Hybris" bietet dem Schicksal doch gerne die Plattform um einen deftigen Schlag zu platzieren. So stirbt zunächst ein Patient aus mehr oder weniger ungeklärten Umständen. Die "mehr" geklärten beziehen sich dabei auf einen Medikationsfehler, der bei einer entscheidenden Operation begangen wurde und auf eine umstrittene Weiterbehandlung, die "weniger" geklärten, warum die Komplikationen denn in dieser Wucht auftraten. Grundsätzlich sollten diese Umstände dazu führen, dass ein Protagonist vorsichtiger agiert oder aber – wie es das Handwerk rät – bis auf weiteres "kleine Brötchen bäckt". Unglücklicherweise sind diese Ratschläge aber in der Götterwelt unbekannt und so hat Steve wegen einer eigenmächtig fortgesetzten Operation die Folgen massiver Komplikationen und erheblicher Schädigungen zu vertreten.
Bei einem derartig angekratzten Ego ist es nicht verwunderlich, dass der junge Arzt nun in die Versuchung gerät, auf einem anderen Gebiet zu punkten und so kommt eine außereheliche Affaire noch zu seinem Sündenregister dazu. Wie bei den Punkteregistern in Flensburg würde nun aber sicherlich ein makelloses Leben über einen überschaubaren Zeitpunkt, eine entsprechende Nivellierung herbeiführen, aber hier beginnen jetzt die eigentlichen Probleme, denn Steve hat für diese Bewährung buchstäblich keine Zeit. Er stellt nämlich fest, dass der erste ungeklärte Todesfall keineswegs "ungeklärt" ist und vielmehr auf das aktive Betreiben einer Person aus seinem Umfeld zurückzuführen ist und diese Person auch noch weitere Untaten ankündigt.
Kelly Parsons schildert in seinem Debütroman die Verstrickungen seines Helden Steve Mitchell aus der Ich-Perspektive. Durch dieses Stilmittel ist der Leser unmittelbar in die Handlung und damit auch in die ärztlichen Entscheidungen eingebunden. Beeindruckend ist dabei, dass Parsons eine Sprache gelungen ist, die dem Fachlatein nur den notwendigen Raum gestattet und dennoch einen leichten Erzählfluss ermöglicht. Besondere Spannungsmomente entstehen dann auch bei der Schilderung der Bemühungen um das Leben der Patienten, so dass der Leser schon fast geneigt ist, ein paar Seiten vorzublättern: Zu unerträglich ist teilweise die Frage, ob der Kampf der Ärzte ein Leben retten kann. Die besondere Dichte dieses Bereiches muss dann auch nicht überraschen, denn Parson ist tatsächlich Arzt und weiß daher wovon er spricht. Daher sind diese Abläufe in sich geschlossen und stimmig. Ungewöhnlich ist auch, dass der Täter bereits früh entlarvt wird und seine Motive offenlegt. Der klassische "Whodunnit" wird somit ausgehebelt, dennoch leidet die Spannung unter dieser frühzeitigen Offenbarung nicht, besteht doch noch die schwierige Aufgabe, dem raffinierten Bösewicht das Handwerk zu legen.
Kleinere Schwächen treten dagegen im Bereich der Handlungsstränge auf. So wird der Gegenspieler des Protagonisten schon fast als das technisch überversierte "Superhirn" aufgebaut, das lange Zeit komplett die Fäden in der Hand hält und offensichtlich die Schritte seiner Gegner vorhersieht oder aber genauestens überwacht. Hier bekommt der Lack der Glaubwürdigkeit einige Kratzer. Blass bleibt auch die eigentlich Motivation des Bösewichts, die relativ eindimensional – da ehrgeizzerfressen und – das das allein nicht ausreicht – als offensichtlich psychopathisch beschrieben wird. Hier wäre ein tieferer Einblick in die Psyche und in die Entwicklung wünschenswert gewesen. Den Gegenpart zu dieser Rolle übernimmt neben dem Helden der Assistenzarzt Luis, der aus dem militärischen Umfeld kommend, den "Gegenschlag" plant, aber auch bei der Durchsetzung seiner Pläne scheitert. Leider ist auch die Geschichte dieses Scheiterns aber auch die folgende Aufklärung dieses Handlungsstranges relativ konstruiert, so dass hier die Glaubwürdigkeit der ansonsten gut erzählten Geschichte leidet.
Abgesehen von diesen kleineren Aussetzern ist Auf ewig dein aber gut gemachte und spannende Unterhaltungslektüre, bei der auch der Held spätestens bei der guten alten "Deus-ex-machina"-Einlage während des Showdowns weiß, dass seine Verfehlungen verziehen sind. Denn so kamen die Götter ja seit altersher dem Helden zu Hilfe und damit ist ja dann alles gesagt.
Kelly Parsons, Bastei Lübbe
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