Ich werde töten
- Bastei Lübbe
- Erschienen: Januar 2015
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- Köln: Bastei Lübbe, 2015, Seiten: 352, Originalsprache
Rasantes Tempo, ein paar Macken in der Glaubwürdigkeit
Neben dem psychopathischen Serientäter ist der religiös oder politisch motivierte Täter immer wieder für einen Thriller gut. Man denke an den Mörder aus Sieben oder - weiter ausgeholt - an den verrückten Rächer aus dem Theater des Grauens. Letzterer war sicherlich eher kulturell motiviert - aber auch das soll es ja geben. Sei es wie es ist - im dritten Fall ihrer gemeinsamen Kooperation treffen die Profilerin Fran Miller und der Ermittler Sascha Herz auf einen Täter, der ein atemberaubendes Tempo vorlegt: Ein erschlagener Professor, ein ertränkter Chef einer Entsorgungsfirma, ein verstümmelter und erstochener Delikatessenimporteur machen den Anfang und lassen die Ermittler fragen, wo das denn noch alles enden soll. Der Leser allerdings fragt sich das nicht, denn für ihn hat der Autor die Antwort schon im ersten Kapitel preisgegeben - in einem Großanschlag auf eine harmlose Kirmes, deren Ausmaße den Vergleich mit dem Anschlag auf das World-Trade-Center nicht zu scheuen brauchen.
Conraths Kriminalroman lebt in der Tat von dem einem atemberaubenden Tempo, das es deswegen schafft, die Spannung fast im kompletten Buch aufrechtzuerhalten. Innerhalb der kürzesten Zeit passieren nicht nur diverse Morde sondern die Handlung entwickelt sich auch in zwei unterschiedlichen Strängen. Da sind zum einen die Untersuchungen des Journalisten Rudger Krüger über mögliche Seilschaften der Polizei, die den Stuhl diverser Beamten erschüttern könnten. Parallel dazu entspinnt sich die Handlung um Fran Miller als Protagonistin des Buches, die einerseits in die Mördersuche verwickelt ist, andererseits aber auch Gegenstand des investigativen Journalismus wird. Erfreulich ist hier, dass Conrath seine Heldin nicht als ständig gebeutelte Persönlichkeit präsentiert, die an ihrem persönlichen Schicksal zu zerbrechen droht, sondern dass diese Frau tatsächlich in der Lage ist, großen Enthusiasmus in ihren Job zu investieren. Natürlich ergeben sich auch in Frans Leben Haken und Widrigkeiten, doch nehmen diese nicht den Hauptanteil ihrer Aufmerksamkeit ein. Familienprobleme können so tatsächlich geklärt und gekittet werden - ein seltenes Phänomen in der Welt der zuletzt vorgestellten literarischen Ermittler.
Dennoch drängt sich das Gefühl auf, dass es ein paar Fässer zu viel sind, die der Autor hier öffnet. Die Handlung streift Neonazis, Verstrickungen in der Polizei nebst der Problematik der internen Ermittlung, die Mordserie des "Henkers" (wie der Serienmörder in der SoKo tituliert wird), die Ankündigungen und Hinweisen auf seine Taten, kurz vor Schluss die Aufklärung im noch laufenden Roman und dann zu wirklich ganz zum Schluss doch noch das persönliche Motiv des Täters mit dem tatsächlich wirklich allerletzten Mordversuch. Damit werden sehr viele Einzelelemente in eine einzige Geschichte gepackt und was auf der einen Seite die Spannung fördert, reduziert auf der anderen Seite die Glaubwürdigkeit. Kann eine Person, die einen terroristischen Anschlag mit erheblichem Ausmaß plant, tatsächlich so unter dem "Radar fliegen", dass ihre Aktivitäten keinerlei Verdacht erregen? Drängt sich diese dann auch noch in das Umfeld der Polizei, um angeblich zur Klärung eines Verbrechens beizutragen? Hier wird dem Täter eine Chuzpe angeschrieben, die schwerlich einem Vergleich mit der Realität standhält. Ähnlich verhält es sich um körperliche Gegebenheiten: Ein Mann, der eine finale Krebsdiagnose erhalten hat, kann sich sicherlich kaum auf der Höhe seiner Kraft befinden und einen Sprung über rund sechs Meter überwinden - mag ihn auch ein mörderisches Motiv antreiben. Eine Frau, die mitsamt einem schweren Gegenstand eine mehrstöckige Hausfassade überwindet, dürfte wohl in ihren Ausmaßen dem schrecklichen Hulk ähneln und würde vermutlich allein deswegen schon den einen oder anderen irritierten Blick auffangen. Hier ist Conrath mit seiner "Superliga der Bösen" über sein Ziel hinaus geschossen. Immerhin geht es nicht nur den Unholden so - auch das geliebte Auto der Heldin zeigt sich am Ende des Buches nur von ein paar Bagatelle-Schäden lädiert, wenn es auch eine tragende Rolle im zentralen Showdown der Geschichte spielte.
Dennoch, wer einen atemberaubenden und temporeichen Krimi abseits von düsteren nordischen Atmosphären und problemgeschüttelten Ermittlern sucht, der ist hier sicherlich richtig und auch das dankbare Publikum eines James Bond fragt sich selbstverständlich nicht, ob dessen wilde Aktivitäten einem Realitäts-Check standhalten können.
Martin Conrath, Bastei Lübbe
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