Die Tote im Siel
- Ostfriesland
- Erschienen: Januar 2013
- 2
- Norden: Ostfriesland, 2013, Seiten: 272, Originalsprache
Doppelmord im Pflegeheim
Im kleinen und beschaulichen Ferienort Carolinensiel an der ostfriesischen Küste wird in der Harle eine junge tote Frau entdeckt, der eine Hand und ein Fuß fehlen. Eigentlich ist die Kreisstadt Wittmund für die Aufklärung zuständig, doch aus Personalmangel wird die Mordkommission in Person von Tomke Evers mit ihrem Kollegen Carsten Schmied an den Tatort beordert. Tomke, die aus dem Ort stammt, kommt mit Carsten bei ihrer Oma und Tante Fienchen unter, um Kosten zu sparen.
Schnell werden von den Kollegen eine Hand und ein Fuß gefunden, doch wird bald festgestellt, dass diese nicht zur Leiche gehören, daher muss es eine zweite gegen. Die Tote stellt sich als Mitarbeiterin des Pflegeheims Haus "Abendrot" heraus, im Dorf unter der Hand auch Haus "Abendtot" genannt, wo niemand freiwillig seine letzten Tage als Insasse verbringen würde. Dem schlechten Ruf des Hauses folgend, starten Tomke und Carsten ihre Ermittlungen und stossen auf unsägliche Zustände im Pflegeheim. Und Verdächtige gibt es im Haus auch genügend, neben einigen Mitarbeitern die Heimleiterin, Frau Böttcher. Da wird die zweite Leiche gefunden. Wird es noch eine dritte geben, ehe der Fall aufgeklärt wird?
Ermittlungen im beschaulichen Carolinensiel
Die Autorin Gaby Kaden stammt eigentlich aus Hessen, lebt seit 2011 aber in Carolinensiel an der Nordseeküste und hat mit ihrem ersten Roman um das Kommissar-Duo Tomke Evers/ Carsten Schmied dem kleinen Ort ein kriminalistisches Denkmal gesetzt. Dabei nutzt sie geschickt die Vergangenheit von Tomke, die in Carolinensiel aufgewachsen ist, als Brücke für die Erzählung.
Der Kriminalfall beginnt mit einem Knall, als in dem beschaulichen und betulichen Ferienort eine Leiche in der Harle gefunden wird, die durch den Museumshafen des Ortes fliesst. Die tote Frau stellt sich schnell als Meike Petersen heraus, die Nachtdienst im Pflegeheim Haus "Abendrot" hatte. Im Pflegeheim stellen Tomke und ihr Kollege Carsten fest, dass nicht nur Meike Petersen, sondern noch eine zweite Pflegekraft, Petra Meister, fehlt. Sie ermitteln im Pflegeheim, treten aber bald auf der Stelle, zumal die Heimleiterin sich weder als freundlich noch als kooperativ erweist.
Durchhänger in der ersten Hälfte
Der Fall plätschert eine Weile vor sich hin und die Ermittler kommen nicht voran. Während dieser Phase liegt der Fokus der Autorin auf den Ermittlern und deren Privatleben. Tomke ist bei ihrer Oma und Tante Fienchen untergekommen, die vor allem für den nötigen Lokalkolorit sorgen und die auch friesisch schnacken. Man erfährt einiges über Tomkes Vergangenheit und auch über den Ort und die Ostfriesen im Allgemeinen. Dabei ist die Sprache der Autorin recht einfach gehalten, was aber durchaus zur Örtlichkeit passt und somit den Leser in die einfachen Verhältnisse an der Küste holt.
Der Roman plätschert in der ersten Hälfte ein wenig vor sich hin und man fragt sich, wann es denn nun endlich mal voran geht mit dem Mordfall, so braucht der Leser bis ungefähr zur Hälfte des 270 Seiten starken Romans, bis endlich Bewegung in die Sache kommt. Nachdem sich Tomke und Carsten die Heimleiterin noch einmal ordentlich zur Brust genommen haben (worin sich auch sprachlich bestimmt viele Leser wiederfinden werden), gibt es endlich ein paar neue Aspekte, die die Ermittler voranbringen und auch für den Leser endlich wieder mehr Spannung bringt. Ab diesem Zeitpunkt kann die Autorin das Tempo konsequent durchhalten und die Lektüre des zweiten Teils vergeht wie im Flug.
Lesenswerter Lokalkolorit
Neben den Ermittlern und den Hauptverdächtigen hat die Autorin eine Reihe von Nebenfiguren geschaffen, die den Leser für sich einnehmen. Das sind natürlich Oma und Tante Fienchen, die trotz ihres bereits betagten Alters auch noch eine Sitzblockade auf der Hauptstrasse in Carolinensiel anzetteln. Dazu kommt Klein-Hajo, ein junger und aufstrebender Polizeibeamter, der gerne zur Mordkommission gehen würde und nun die Chance für seinen Aufstieg wittert, wenn er sich nicht gar zu unbeholfen anstellt. Und dann ist da noch Michaela, eine weitere Pflegekraft aus dem Heim, die eine kleine und vorwitzige Tochter Marie hat und die den Ermittler Carsten recht sympathisch findet.
Insgesamt ist Gaby Kaden ein Krimidebüt gelungen, das vor allem durch sein Lokalkolorit besticht und für jeden Besucher des Ortes Carolinensiel einen Wiedererkennungswert haben wird. Friesische Bockigkeit trifft auf herzliche Begegnungen, hinzu kommt ein Kriminalfall mit einem originellen Ermittlerteam, bei dem auch für Folgefälle noch Fragen offen bleiben, die aber bereits einen sympathischen Einstand geben. Der Fall selber hat gerade in der ersten Hälfte einen Durchhänger, und wer wie bei einem klassischen "Whodunit" irgendwann auf den Täter unter den Verdächtigen tippt, wird am Ende vielleicht nicht überrascht sein. Hier könnte der Autorin für kommende Fälle noch ein paar Winkelzüge mehr einfallen, die den Leser länger auf die falsche Fährte bringen sollten.
Der Roman ist nebenbei ein Plädoyer für belegte Butterbrote, die in diesem Masse wohl nicht in vielen Krimis vorkommen dürften. Aber das macht nichts, das ist ja auch gute und solide Nahrung, wie eben der ganze Roman. Er bietet solide Unterhaltung mit ein wenig friesischem Flair und einer Partie Humor, die durch den Roman "Küsten-Haie" bereits eine Fortsetzung erfahren hat. Auch die versteckte Gesellschaftskritik an den Zuständen in so manchen Pflegeheimen ist leider immer wieder aktuell und die Autorin somit am Puls der Zeit.
Bei Die Tote im Siel bekommt man Lust auf Mee(h)r und darauf, mal wieder einen Ausflug an die Küste zu machen und die Orte des Lokalkrimis zu besuchen. Dass Fachleute dem Roman attestieren, dass die Polizeiarbeit authentisch dargestellt wird, spricht ebenfalls für den Kauf des Romans. Weiter so.
Gaby Kaden, Ostfriesland
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