Die Möglichkeit eines Verbrechens
- Zsolnay
- Erschienen: Januar 2015
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- Jerusalem: Keter, 2012, Titel: 'Efsharut shel alimut', Originalsprache
- Wien: Zsolnay, 2015, Seiten: 336, Übersetzt: Markus Lemke
Langsamer, aber intensiver Erzählstil
Tel Aviv, Anfang September. Eigentlich hat Inspektor Avraham "Avi" Avraham noch Urlaub bis zum Neujahrsfest. Er kehrte soeben erst aus Brüssel zurück, wo er eine intensive Zeit mit Marianka verbrachte. Marianka will bei der Brüsseler Polizei kündigen und Avraham nach Israel folgen, der schon einmal seine Wohnung vorbereitet.
Dennoch führt ihn ein freier Tag ins Revier, denn der neue Distriktkommandant Benny Saban soll offiziell vorgestellt werden. Da es überall an Personal mangelt und die Feierlichkeiten erst am Nachmittag stattfinden, erklärt sich Avraham bereit, angesichts des Personalmangels ein Verhör zu übernehmen.
Vor einem Kindergarten wurde eine Sprengstoffattrappe gefunden, doch dessen Leiterin Chava Cohen will von Schwierigkeiten nichts wissen. Der Kleinkriminelle Amos Usen wird verdächtigt, aber Avraham hat kein Druckmittel zur Hand und lässt ihn wieder laufen. Da eine Mitarbeiterin des Kindergartens später von einem weiblichen Drohanruf berichtet sowie einem kürzlichem, lautstarken Streit zwischen Cohen und Chaim Sara, Vater von Schalom, der in den Kindergarten geht, ermittelt Avraham hartnäckig weiter.
Er fürchtet, dass die Attrappe womgölich nur die Vorstufe eines Ernstfalls gewesen ist. Nachdem Cohen kurz darauf bei einem nächtlichen Übergriff schwer verletzt wird, kann sie nach ihrem Erwachen aus dem Koma den Tätern benennen. Doch Avrahams Bauchgefühl sagt ihm, dass der wahre Täter ein anderer sein muss...
Interessantes Psychospiel
In seinem vielbeachteten Debüt "Vermisst" verschwand ein Junge. Bei den Ermittlungen unterliefen Avraham einige auffällige Fehler, die ihm nun in einem Gutachten von Ilana Liss, der ersten weiblichen Dezernatsleiterin im Distrikt Tel Aviv, aufgezeigt werden. Noch einmal soll ihm dies nicht widerfahren und so verbeißt sich Avraham zunehmend in die Person des kleinen Cateringunternehmers Chaim Sara, der beim Verhör auf die Fragen zum vermeintlichen Sprengstoffanschlag ausführlich antworten kann, bei vermeintlich simplen, allgemeinen Fragen jedoch auffallend zögerlich agiert. Insbesondere über den Verbleib seiner Frau Jenny macht er fragwürdige Angaben, die Avraham schnell wiederlegen kann. Doch warum lügt Sara?
"Die Möglichkeit eines Verbrechens" von Literaturprofessor Dror Mishani, der sich auf die Geschichte der Kriminalliteratur spezialisiert hat, ist ein sehr ruhig angelegter Roman, der sich ausführlich dem Seelenleben seiner Protagonisten widmet. Das sind Inspektor Avraham sowie besagter Chaim Sara. Avraham hadert mit seinem letzten Fall, denn er weiß, dass er da was versemmelt hat, dass ihn sein Bauchgefühl in die Irre führte. Zudem ist er irritiert, dass sich seine Marianka plötzlich nicht mehr meldet und auch die Zusammenarbeit mit Ilana Liss gestaltet sich aufgrund ihres Gutachtens schwierig.
Auf der anderen Seite Chaim Sara, der ähnlich viel Platz in dem Roman einnehmen wird. Was hat es mit dem Verschwinden seiner Frau auf sich, was verschweigt er Avraham aber auch seinen beiden kleinen Söhnen Eser und Schalom? Wieso scheint Eser einen Teil der Wahrheit zu kennen und was meint er, wenn er von seinem früheren Vater spricht?
Für Fans von Friedrich Ani
Der Leser weiß recht bald, was mit Jenny passiert ist und verfolgt gespannt, wie sich Avrahams zähe Untersuchungen in die Länge ziehen, und wie Sara mit der Situation umzugehen versucht. Der ohnehin bedächtige, oft zu detailverliebte Erzählstil scheint auf ein offensichtliches Ende hinauszulaufen. Doch Dror Mishani hat womöglich eine Überraschung für den Leser parat.
Der Spannungsbogen ist allerdings in den meisten Kriminalromanen deutlich höher und dennoch - oder gerade deswegen - kann Dror Mishani allen Fans von Friedrich Ani wärmstens empfohlen werden. Ja, der Vergleich mag hinken, dennoch zeigt Dror Mishani - ähnlich wie Ani - einen großen Hang zur Empathie und zu vermissten Personen.
Die Hintergründe und menschlichen Schicksale sind ihm dabei alle Mal wichtiger als temporeiche Action nur um des Effekts willen. So überrascht es wenig, dass sich an etlichen Stellen die Gedankengänge der Protagonisten doppeln, scheinbar unnötige (Wiederholungs-)schleifen eingebaut werden.
Dror Mishani, Zsolnay
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