Totenkranz

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2015
  • 0
  • Berlin: Aufbau, 2015, Seiten: 258, Originalsprache
Totenkranz
Totenkranz
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Jörg Kijanski
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2015

Merkwürdige Todesfälle in Hanoi

Das Tet-Fest, die mehrtägigen Feiertage zur Begrüßung des neuen Jahres, sind im vollem Gang. So kommt es, dass der seit zehn Wochen wegen einer Tigerknochenpaste suspendierte Kommissar Pham Van Ly zu einer Leiche gerufen wird, da alle anderen Polizisten nicht verfügbar sind. Eine alte Frau wurde nach einem Sturz auf einer Baustelle von einer Metallstange aufgespießt. Vieles spricht für einen Unfall, doch was wollte die betagte Frau nachts auf der Baustelle? Die Untersuchung von Dr. Quang in der Leichenhalle stützt indes die Unfalltheorie und so bleibt Ly weiterhin suspendiert - mangels Mordfall. Wenig später informiert ihn Dr. Quang, dass ein toter Chinese offensichtlich vergiftet wurde. Dieser hatte in einer Karaokebar ein mit Rattengift versetztes Katzenfleisch gegessen. Nun hat Ly seinen Mordfall und stürzt sich in die Ermittlungen, die ihn auch in ein kleines Dorf führen, in dem vor einigen Wochen der Gemeindevorsteher unter mysteriösen Umständen zu Tode kam. Bei allen drei Toten findet sich ein Weidengeflecht, das in früheren Zeiten als Totenkranz diente, um Leute einzuschüchtern und auf ihr baldiges Ende hinzuweisen. Eine alte Frau auf einer Baustelle, ein vergifteter Chinese und ein von Schweinen in seinem Stall zerfressener Ortsvorsteher. Ly steht gleich vor mehreren Rätseln...

Grandiose Kulisse belebt die Ermittlungen

Nach Schwarze Schiffe und Der letzte Tiger ermittelt Ly in seinem bereits dritten Fall, der es wahrlich in sich hat. Nicht nur ist völlig offen, was die drei Toten miteinander verbinden könnte. Auch die Umstände unter denen Ly arbeiten muss sind bedrückend. Zehn Wochen war er suspendiert und arbeitet nun unter besonderer Aufsicht seines ihm verhassten, inzwischen 80-jährigen Parteikommissars Hung.

 

Lys Blick fiel auf ein Foto mit Trauerbanderole, das neben den Blumen auf dem Tisch stand. Es war ein Foto von General Giap. Seit seinem Tod stand in fast jedem Wohnzimmer ein Foto von ihm. Der Mann wurde vermutlich mehr verehrt als Ho Chi Minh. Er war es gewesen, der die Truppen zum Sieg gegen die Franzosen und Amerikaner geführt hatte. Aber es überraschte Ly doch etwas, das Foto im Büro seines Chefs zu sehen. General Giap hatte die Partei bis zuletzt immer wieder heftig kritisiert, nicht zuletzt wegen Korruption in den eigenen Reihen. Korrupte Kader aber waren eine Realität, die Parteikommissar Hung standhaft ignorierte. Für ihn waren die Partei und alles, was mit ihr zu tun hatte, heilig."

 

Zudem vermisst er seine langjährige Mitarbeiterin Lan, die den Polizeidienst quittiert hat, nachdem ihr Freund im Dienst erschossen wurde. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, so hängt auch noch der Haussegen ordentlich schief. Zwar ist das Verhältnis zwischen Ly und seiner Frau Thuy schon länger stark abgekühlt, aber dass Thuy jetzt mit dem jüngsten Sohn nach Singapur ziehen will, um dort einen gut bezahlten Job anzunehmen, ist zu viel. Zumal sie Ly erst gar nicht nach seiner Meinung gefragt hat, sondern ihn nun vor vollendete Tatsachen stellt. Ein Umstand, der womöglich mit Lys lockerem Umgang mit alkoholischen Getränken zu tun hat.

 

"Warum mussten der Chinese und Ihr Gemeindevorsteher sterben? Wussten sie zu viel? Wollten sie bei den miesen korrupten Geschäften nicht mehr mitmachen?"
"Korrupte Geschäfte durch Mord vertuschen. Wozu? Das ganze Land ist korrupt. Na und?"

 

Der mit seinem Vorgesetzten und seiner Frau hadernde Ly flüchtet in seinen Fall, immerhin einen Dreifachmord, und muss dabei erkennen, dass die Motive in den bedrückenden gesellschaftlichen Gegebenheiten von Vietnam ihren Ursprung haben. Konkret geht es um die Landgewinnung für große Bauvorhaben. Immer wieder werden Landarbeiter, die nur ihre Felder zu ihrem Lebensunterhalt bestellen wollen, enteignet, um deren Grundstücke für Großbauprojekte zu nutzen. Dafür erhalten diese nur eine minimale Entschädigung, von der sie sich keine neuen Grundstücke kaufen können. Ziehen sie vor Gericht, so wird ihr Fall erst gar nicht verhandelt.

Gut recherchiert und raffiniert in die Krimihandlung eingepackt erzählt Nora Luttmer vor der grandiosen Kulisse Hanois ihre Geschichte. Mit einer gelungenen Finte legt sie dabei geschickt eine falsche Spur und wie schon bei den Vorgängern, läuft einem bei den zahlreichen Besuchen der verschiedenen Restaurants und Garküchen das Wasser im Mund zusammen. Sülze mit Schweineohr; wer kann dazu schon nein sagen?

Totenkranz

Nora Luttmer, Aufbau

Totenkranz

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