Gun Street Girl
- Suhrkamp
- Erschienen: Januar 2015
- 12
- Berlin: Suhrkamp, 2015, Seiten: 375, Übersetzt: Peter Torberg
Grandiose Fortsetzung der Sean-Duffy-Reihe
Belfast, 11. November 1985. In Whitehead im County Antrim werden Ray Kelly und dessen Frau ermordet aufgefunden. Zwei Kopfschüsse, kein Abwehrverhalten. Die Arbeit von Profis. Von Sohn Michael fehlt jede Spur. Sollte er, der Waffenliebhaber, ein Mörder sein? Mit seinem Vater war er schon seit längerer Zeit zerstritten. Nach kurzem Kompetenzgerangel übernimmt Detective Sergeant Mc Crabban von der Carrickfergus RUC die Ermittlungen und wird dabei von seinem Chef Sean Duffy unterstützt. Bereits am nächsten Tag scheint der Fall gelöst, Michael Kelly hat offenbar ein Geständnis abgelegt. Ein Abschiedsbrief bevor er sich von einer Klippe bei Blackhead stürzte. Für Duffy und Mc Crabban ist dies zu einfach und als ein weiterer vermeintlicher Selbstmord geschieht wird es zunehmend turbulent. Die Ermittlungen führen zu einem einflussreichen Gewerkschaftsboss mit tödlicher Vergangenheit, in einer Waffenfirma verschwinden mehrere Raketensysteme und selbst die Amerikaner mischen mit. Derweil forcieren die Regierungen von Thatcher und FitzGerald ein Regionalparlament. Die irische Regierung soll fortan bei nordirischen Angelegenheiten ein Mitspracherecht haben. Eigentlich harmlos, doch die Extremisten beider Seiten rüsten zum Bürgerkrieg und rufen zum Widerstand gegen die Polizei auf...
"In einem normalen Land würde ein solch wagemutiger Schritt, einen Mittelweg zu finden, von allen Seiten des politischen Spektrums mit höflicher Zustimmung aufgenommen werden."
"Nur hier nicht."
"Hier wirkt die Politik zentrifugal, nicht zentrierend. Extreme Nationalisten und extreme Unionisten werden das Abkommen als Ausverkauf ihrer Prinzipien verdammen und die Gemäßigten der Mitte, die das Abkommen unterstützen, werden wie Dummköpfe dastehen."
Wechselt Sean Duffy von der Carrickfergus RUC zum MI5?
Eigentlich war die Reihe als Trilogie vorgesehen, doch für alle Irland- und Nordirlandfans gibt es gute Nachrichten. Die Serie geht weiter - und wie! Durch die politischen Unruhen sind Duffy und seine Leute mehr als einmal gefährlichen Situationen ausgesetzt. Immerhin sorgt der Doppelmord an den Eheleuten Kelly dafür, dass sie nicht permanent an die Front müssen, wo sie von Erwachsenen, aber ebenso von Kindern und Jugendlichen, mit allem was sich als Wurfmaterial eignet beworfen werden. Mit Urin gefüllte Milchflaschen sind dabei noch harmlos.
Einmal mehr entführt Adrian McKinty seine Leser famos in die damalige Zeit. Obligatorisch blickt Duffy vor jeder Fahrt unter sein Auto, ob sich dort nicht ein Sprengsatz befindet. Er, der katholische Bulle, ist das legale Ziel der IRA:
"Wäre ich eine alleinstehende ältere Frau oder, noch schlimmer, eine Witwe, dann wäre das Letzte, was ich wollte, einen Polizisten zu heiraten, der eine Woche später schon tot sein konnte. Dass ich Katholik war, verbesserte die Lage nicht gerade. Ein Katholik in Carrickfergus, das war ja schon schlimm genug, aber ein katholischer Bulle? Meine Lebenserwartung rechnete sich in Hundejahren."
Neben dem politischen Geschehen entwickelt sich überraschend Duffys Privatleben weiter, er macht sogar weibliche Bekanntschaft. Und auch beruflich zeigen sich Alternativen auf, denn es gibt ein Wiedersehen mit Kate Albright, der Leiterin des MI5-Büros in Belfast. Sie bietet Duffy einen besser bezahlten Job beim Geheimdienst, denn rund ein Viertel der Mitglieder der IRA arbeiten angeblich in irgendeiner Form für die britische Regierung. Hier werden Kontaktpersonen gesucht, Leute wie Duffy.
Neben der Auslösung des eingangs geschilderten Mordfalles und der politischen Entwicklung in Belfast ist somit fast die spannendste Frage, wie die berufliche Zukunft von Duffy aussehen wird? Folgt er dem titelgebenden "Gun Street Girl" (Kate) zum MI5 oder bleibt er bei seiner RUC-Einheit?
"Es gibt keinerlei Beweis für eine Verschwörung."
"Das völlige Fehlen jeglichen Beweises ist das sicherste Anzeichen, dass eine Verschwörung funktioniert."
"Das sagen die Fanatiker."
"Manchmal haben die Fanatiker recht."
Auf mehrere Ereignisse des Jahres 1985 und den wohl größten politischen Skandal dieser Zeit überhaupt geht McKinty in seinem aktuellen Roman ein. Dabei behält er seine düstere Note konsequent bei. In der Corronation Road, in der Duffy - wie einst der Autor selber - wohnt, gibt es mal wieder Ärger mit den Nachbarn. Duffys private Situation ist ungeklärt und so flüchtet er ein ums andere Mal in eine bunte Mischung aus Whisky und Kokain. Selbstredend achtet er dabei auf die passende Begleitmusik aus seiner umfangreichen Plattensammlung, denn mit der modernen Musik konnte Duffy noch nie etwas anfangen. Ein ungewöhnlicher Protagonist vor einer äußerst lebhaften Kulisse mit überaus interessantem Soundtrack. Hoffen wir auf weitere Fälle dieser Ausnahmereihe!
Adrian McKinty , Suhrkamp
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