Infarkt
- Piper
- Erschienen: Januar 2015
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- Bergen: Vigmostad & Bjørke, 2014, Titel: 'Sudden death', Originalsprache
- München: Piper, 2015, Seiten: 448, Übersetzt: Gabriele Haefs
- München; Berlin; Zürich: Piper, 2017, Seiten: 439
Kicker, Kunsträuber und neugierige Ärzte
Champions League-Finale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund in London. Die norwegische Ärztin Sara Zuckermann ist im Stadion dabei, obwohl sie sich nicht für Fußball interssiert, da ihr Freund Johannes Funkel Team-Manager beim Notting Hill FC ist. Nach Spielschluss bricht ein Dortmunder Spieler, erst vor kurzem von Notting Hill zum BVB gewechselt, mit Herzproblemen auf dem Platz zusammen und wird von Sara gerettet.
Durch den Vorfall wird der Arzt Ola Farmen, dem Sara einen Job bei dem englischen Verein verschafft hat, auf einige Merkwürdigkeiten in den medizinischen Akten der Profis von Notting Hill aufmerksam. Mehrere der durchtrainierten Sportler haben unerklärliche Herzstillstände gehabt, oder sind unter merkwürdigen Umständen ums Leben gekommen. Offenbar gibt es einen Zusammenhang mit ungewöhnlichen Verbesserungen bei der Schnelligkeit einiger Fußballer.
Unterstützt von Sara Zuckermann, versucht Farmen, die tatsächliche Ursache für die bemerkenswerten Vorgänge zu finden. Die Herzspezialistin ist allerdings noch einer anderen Sache auf der Spur. Durch einen Zufall wird sie auf den Kunstraub aufmerksam, der sich vor Jahren im Hause von Najib Aysha ereignet hat. Der Eigner des Fußball-Clubs Notting Hill ist ebenso reich wie undurchsichtig. Und Sara erinnert sich plötzlich an den Besuch eines Mossad-Agenten in ihrem Büro, ebenfalls vor vielen Jahren. Ola und Sara beginnen hartnäckig zu recherchieren - und finden Zusammenhänge, an die sie selbst vorher niemals geglaubt hätten.
Ist Doping im Fußballsport überhaupt sinnvoll?
In ihrem zweiten Gemeinschaftswerk haben sich Anne und Even Holt einigen Themen gewidmet, die unterschiedlich populär sein dürften. Doping im Fußballsport ist dabei ein ziemlich heißes Eisen, Finanztransaktionen und die mögliche Verstrickung des israelischen Geheimdienstes sind ein für Thriller-Fans überaus spannender Bereich. Kammerflimmern war bei Lesern und Rezensenten durchaus umstritten, weil es natürlich mit den vorherigen Werken von Anne Holt verglichen wurde. Mir hat der Roman um die Schummeleien bei Herzschrittmachern gut gefallen, und Infarkt ist mindestens genauso gut gelungen.
Doping ist ein immer noch und immer wieder aktuelles Thema, und Mutmaßungen in Richtung der Profi-Fußballer gab es immer wieder. Ein Argument gegen die Wahrscheinlichkeit, dass es Doping auf im Fußball gibt, war stets: "Das bringt bei Fußballern doch nichts!" Wie fundiert die Beweiskette in Infarkt tatsächlich ist, kann man als medizinischer Laie kaum beurteilen, aber die Lektüre des Romans macht mindestens nachdenklich. Even Holt ist im Hauptberuf ein anerkannter Herzspezialist, daher gehe ich einfach mal davon aus, dass wie bei Kammerflimmern der Recherche-Part über jeden Zweifel erhaben ist - der Rest ist dann eben dichterische Freiheit. Auf jeden Fall wird das medizinische Fachvokabular ausreichend erklärt, und die suche nach dem entscheidenden Puzzle-Teil trägt enorm zur Spannung bei.
Private Aspekte runden den interessanten Plot gut ab
Beim Personal wird eine breite Palette geboten, manchem Leser oder Rezensenten ist wohl wieder zu viel Privates dabei. Aber ich finde, die Geschichte wird so deutlich runder, und manche Aspekte gehören bei diesem Plot einfach dazu. Es ist auch amüsant zu lesen, wie ein Vater seine Kinder mit Geld gehorsam macht, und sich auch sonst mit allerlei Tricks durch sein aufregendes Familienleben mogelt. Und dann die erfolgreiche Wissenschaftlerin und Ärztin, die Bindungsängste kultiviert, aber gleichzeitig ihre Nase neugierig in gefährliche Vorgänge hält. Nebenbei wird Saras Nichte präsentiert, die sich auf jüdische Traditionen besinnt, und dafür auch manchen Konflikt mit ihrer geliebten Tante austrägt. Eine mehr als interessante Nebengeschichte, die aber auch nicht mehr Raum einnimmt, als ihr angesichts der großen Themen des Romans zusteht.
Unterschiedliche Themen werden geschickt miteinander verknüpft
Das Autorenpaar braucht so einige Seiten, um den Leser in die komplexe Geschichte einzuführen, aber die entscheidenden Einzelheiten werden dann Stück für Stück enthüllt. Manche Zusammenhänge bleiben länger unklar, was in der Natur der Sache liegt. Es gibt auch reichlich falsche Fährten, und erst im dynamischen Finale wird deutlich, welche der zahlreichen Spuren tatsächlich brauchbar waren.
Der Plot ist Anne und Even Holt wirklich gut gelungen, sprachlich gibt es in meinen Augen nichts auszusetzen. Dieser Thriller hat mich auch thematisch überzeugt, und die Personen - es wurde eine große Palette an Protagonisten bemüht - wirkten allesamt authentisch. Mancher Leser oder Rezensent mag kritisieren, dass hier zwei höchst unterschiedliche Themenkreise behandelt werden, aber in meinen Augen ist die Verknüpfung gelungen, und wirkt keineswegs überkonstruiert.
Ein abermals gelungenes Gemeinschaftswerk der beiden Holt-Geschwister - die wohlfeile Kritik, Anne habe womöglich nur ihren Namen dafür hergegeben, um auch dieses Buch besser verkaufen zu können, halte ich für ausgemachten Unsinn. Aber das ist natürlich nur meine ganz persönliche, bescheidene Meinung. Ich freue mich jedenfalls auf weitere Bücher mit Sara Zuckerman und ihren Freunden, denn die Geschichte dieser energischen Person ist noch nicht zu Ende erzählt.
Anne Holt, Piper
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