Das Verbrechen - Kommissarin Lunds 3. Fall
- Zsolnay
- Erschienen: Januar 2015
- 1
- London: Macmillan, 2014, Titel: 'The Killing III', Originalsprache
- Wien: Zsolnay, 2015, Seiten: 464, Übersetzt: Barbara Heller und Rudolf Hermstein
Schlussakkord in Moll
Der Abschied von Kommissarin Sarah Lund stimmt traurig, ist aber nur konsequent. Es kann keine weiteren Staffeln (ergo Romane) mit der eigenwilligen Ermittlerin aus Kopenhagen geben. Wer die dritte Staffel der Fernsehproduktion verfolgt hat, weiß warum. Wer diese nicht kennt, wird am Ende dieses Romans eine faustdicke Überraschung erleben. Eigentlich sind wir ja daran gewöhnt, dass erfolgreiche Serien immer weiter fortgeschrieben werden (können), bis irgendwann einmal Einschaltquoten oder Auflagen nicht mehr stimmen. Das hätte man auch in diesem Fall so machen können, aber Drehbuchautor Søren Sveistrup, der Spiritus Rector der Reihe, hat sich für ein konsequentes Ende entschieden, was auch den Seelenzustand der Heldin widerspiegelt.
Wie der Rezensent schon in seinen Besprechungen zu den Vorgängern (Band I) (Band II) schrieb, ist die Kommissarin-Lund-Trilogie Kriminalliteratur vom Allerfeinsten und der hier vorliegende dritte Band bildet den krönenden Abschluss. "Spannung pur", wie man heute so gerne sagt, von der ersten bis zur letzten Seite. Kommissarin Lund jagt einen Mörder und Entführer, der ihr lange überlegen ist und dem sie nicht nur räumlich näher kommt, als ihr lieb ist.
Kommissarin Lund steht kurz vor ihrem 25-jährigen Dienstjubiläum bei der Polizei. Danach soll sie den aktiven Dienst beenden und auf einen Schreibtischjob in einer Analyse-Abteilung wechseln. Ob ihr das gefällt, ist ihr noch nicht so klar. Zunächst einmal muss sie sich mit einer Leiche (besser deren Einzelteile) auf einem Schrottplatz im Kopenhagener Hafen beschäftigen. Das Hafengelände gehört der Firma Zeeland, einem der größten dänischen Mischkonzerne. Das Unternehmen ist seit Jahrzehnten im Besitz der Familie Zeuthen, wenn auch nur noch teilweise. Es ist kein Zufall, dass kurz nach Auffinden der Leiche die neunjährige Tochter von Zeuthen Junior, der gerade das Erbe seines Vaters angetreten hat, entführt wird. Der Entführer meldet sich alsbald, stellt aber nur eine halbherzige Lösegeldforderung. Sarah Lund ahnt bereits, dass es dem Entführer um etwas anderes als Geld geht.Und sie wird Recht behalten. Der Entführer spielt auf Zeit, will Druck aufbauen nicht nur auf die Opferfamilie, sondern auch auf die Ermittler und deren Vorgesetzte. Er will, dass ein Jahre zurückliegender Fall, der unter fragwürdigen Umständen als Selbstmord abgehakt worden war, wieder neu aufgerollt wird.
Während sich Kommissarin Lund mit einem mit allen Wassern gewaschenen Gegner misst, tobt in Dänemark die Endphase des Parlamentswahlkampfs. Die beiden großen Volksparteien liegen Kopf an Kopf und für keine wird es zu einer absoluten Mehrheit reichen. Der amtierende Ministerpräsident Troels Hartmann (ein alter Bekannter aus Band I) versucht mit allen Mitteln, einen Koalitionspartner an sich zu binden. Wie schon bei der Wahl zum Kopenhagener Oberbürgermeister (Band I) ist Hartmann da ganz in seinem Element. Alte Schulden eintreiben, Versprechungen machen und Pöstchen in Aussicht stellen, sind genau sein Ding. Natürlich muss er auch für gute Stimmung im Land sorgen. Da passt der Entführungsfall in einer der wichtigsten Familien Dänemarks überhaupt nicht in sein Konzept. Ihm ist sehr an einer schnellen und vor allem erfolgreichen Beendigung der Entführung gelegen. Deshalb versucht er, seinen Einfluss auf die involvierten Behörden geltend zu machen. So gerät Sarah Lund gleich von zwei Seiten unter Druck und nach den vielen Jahren ihres bedingungslosen Einsatzes für Recht und Gerechtigkeit ist sie nur noch zu wenigen Kompromissen bereit. Zu viel hat sie ihrer Arbeit geopfert – ihre Familie, ihre Ehe, Freundschaften und auch ihr Seelenheil. Sie verabschiedet sich mit einem Ausrufezeichen!
Aus einem Roman oder Romanen einen Film oder eine TV-Serie zu machen, ist gängige Praxis. Der umgekehrte Weg ist bisher selten beschritten worden. Der britische Autor David Hewson hat es gewagt und es ist Einzigartiges herausgekommen. Anhand des Drehbuchs und der filmischen Vorlage hat er drei Romane verfasst, in den die Spannung nur so knistert. Mit relativ wenigen Worten zeichnet er Orte und Personen der Filmvorlage nach, schafft Atmosphäre, wie wir sie an skandinavischen Romanen und Produktionen so lieben. Die Romane sind auf die Hauptprotagonistin Sarah Lund zugeschnitten und werden im Wesentlichen aus ihrer Perspektive erzählt. "Die Lund" ist nun keine Frau, die man sofort ins Herz schließen würde, auch als Leser nicht. Mit ihrer Entschlossenheit und Stärke erinnert sie an diverse männliche (hardboiled) Kollegen, mit denen sie auch das Einzelgängertum teilt. Die einsame Wölfin im Gestrüpp der kriminellen Geld-Elite und deren politischen Wasserträger.
Der Rezensent kann die "Kommissarin-Lund-Trilogie" nur wärmstens empfehlen – spannend, realitätsnah und emotional. Auch diejenigen, die die Staffeln im Fernsehen verfolgt und deren jeweiliges Ende in Erinnerung haben, können die Geschehnisse noch einmal aus einem anderen Blickwinkel erleben. David Hewson setzt die Akzente anders, gerade in Bezug auf das Innenleben der Heldin, das ja das verbindende Element innerhalb der drei Episoden darstellt.
David Hewson, Zsolnay
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