Es geschah in Schöneberg

  • dtv
  • Erschienen: Januar 2016
  • 1
  • München: dtv, 2016, Seiten: 336, Originalsprache
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Jörg Kijanski
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2015

Fünfter Fall für den sympathischen Leo Wechsler

März 1927. Für den Modesalon Morgenstern & Fink sollte es das große Ereignis werden. Eine Modenschau im Romanischen Café, doch kaum sind die ersten beiden Damen auf dem Laufsteg, versuchen sie sich verzweifelt die Kleider vom Leib zu reißen. Die Schau wird ein Fiasko, denn die Kleider waren mit Capsaicin imprägniert. Lotte Morgenstern und ihr Mann Carl Fink können sich zunächst keinen Reim darauf machen, wer ihnen Schaden zufügen wollte. Womöglich ein Konkurrent? Sicher, in der Modebranche wird mit harten Bandagen um Kunden gerungen, aber mit derart drastischen Mitteln bis hin zur Körperverletzung?

Wenige Tage später wird Rainer Vogt in seiner Wohnung erschlagen aufgefunden. Er arbeitete am Institut für Sexualwissenschaft, war bekennender Homosexueller und engagierte sich für die Abschaffung des Paragraphen 175. In seiner Wohnung finden die Beamten einen Prospekt von Morgenstern & Fink, so dass Oberkommissar Leo Wechsler in beiden Fällen ermittelt. Bald steht fest, dass die Ehe zwischen Morgenstern und Fink nur aufgesetzte Fassade war, denn Fink ist ebenfalls homosexuell und Vogt war sein heimlicher Lebensgefährte. Zudem laufen seit zwei Jahren die Geschäfte der Modefirma Janson bedenklich schlecht, nachdem Fink seinen früheren Arbeitgeber verlassen hatte. Wechsler und seine Mitarbeiter ermitteln in alle Richtungen, doch eine Verbindung zwischen beiden Vorfällen will sich zunächst nicht ergeben...

Berlin im Jahr 1927. Da gibt es einiges zu erzählen.

Es geschah in Schöneberg ist bereits der fünfte Fall für den inzwischen zum Oberkommissar aufgestiegenen Leo Wechsler. Sein Privatleben ist seit einigen Jahren wieder geordnet, nachdem er den Tod seiner ersten Frau überwunden hat und das zeitweilige Zusammenleben mit seiner Schwester Ilse beendet ist. Ilse machte ihrer neuen Schwägerin Platz, mit der sie sich bestens versteht. Wie in Serien üblich entwickelt sich das Privatleben der Haupt- und wichtigsten Nebenfiguren weiter, was auch hier zu beobachten ist. Es überwiegen die positiven Entwicklungen, wobei sich im Fall von Leos Sohn Georg leichte Schatten am Horizont aufzeichnen. Erste Vorboten für jenes Unheil, welches unvermeidbar über die Weimarer Republik hereinbrechen wird. Noch hat Hitler Redeverbot, doch erste Schlägereien von SA-Truppen bieten Grund zur Besorgnis.

Modezentrum und Anziehungspunkt für Homosexuelle.

Der Krimiplot ist grundsolide im klassischen Stil aufbereitet, wobei Wechslers Kollegen Walther und Sonnenschein erfreulich viel Platz erhalten, um sich ebenfalls zu entfalten. Der Spannungsbogen ist ansprechend, da die Zusammenhänge der beiden eingangs skizzierten Fälle lange Zeit unklar bleiben. Um dem zeithistorischen Szenario des Jahres 1927 gerecht zu werden, hat sich Susanne Goga neben dem ersten Auftreten rechter Schlägertrupps vor allem zwei Themen angenommen, die für Berlin damals prägend waren. Die Stadt war das Zentrum deutscher Modekonfektionen in den unterschiedlichen Preissegmenten und zudem recht tolerant im Umgang mit Homosexuellen. Beide Aspekte werden umfangreich vorgestellt, so dass man interessante Einblicke erhält, ohne den eigentlichen Plot zu überfrachten. Dies ist auch ein insofern gelungener Schachzug der Autorin, da es mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in beiden Bereichen gravierende Änderungen gab. Viele Modehäuser hatten jüdische Eigentümer, die enteignet wurden und emigrieren mussten oder verhaftet wurden. Den Homosexuellen ging es bekanntlich im Dritten Reich nicht besser.

Auch wenn es am Himmel von Leo Wechslers (noch) beschaulicher Welt langsam dunkler wird und es wahrlich nicht wenige Krimiserien gibt, die in der Weimarer Republik und hier wiederum in Berlin angesiedelt sind (Robert Baur, Paul Grossmann, Gunnar Kunz, Volker Kutscher um nur vier Autoren zu nennen, die in diesem Sujet zuhause sind), so darf man sich doch auf weitere Fälle mit Leo Wechsler freuen. Er hat sich zu einer sympathischen Figur entwickelt, die trotz vereinzelter privater Rückschläge nunmehr hoffnungsfroh in die Zukunft blickt. Das Schlimmste (Erster Weltkrieg, Wirtschaftskrise, Inflation) scheint überwunden.

Es geschah in Schöneberg

Susanne Goga, dtv

Es geschah in Schöneberg

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