Mauerriss
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2014
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- Meßkirch: Gmeiner, 2014, Seiten: 273, Originalsprache
Turbulenzen in der Zeit vor der Wende
Im Winter 1979 werden aus einem gut gesicherten Museum in Gotha wertvolle Gemälde gestohlen – mit Wissen und im Auftrage des Staatssicherheitsdienstes der DDR. Bei Wismar sollen die Bilder über die Ostsee außer Landes geschafft und im Westen gegen harte Devisen verlauft werden. Doch zehn Jahre später, die Wendezeit und das Ende der DDR stehen bevor lagert die heiße Ware immer noch in einem auf der Insel Poel. Unterdessen werden auch in der Hansestadt Wismar Proteste gegen die Staatsmacht geäußert. Die Kirche von Pfarrer Laurentius ist eine der Keimzellen des Widerstands. Auf Poel ist die Journalistin Nadine schwer verletzt worden – sie hat wegen der verschwundenen Gemälde aufwändige Recherchen angestellt. Der junge Schriftsteller Christian und seine Verlobte, die Malerin Beata, setzen die Suche weiter. Christian interessiert sich allerdings mehr für die Politik und die Bürgerrechtsbewegung - und für das Mädchen Dorisa, die in der Kirche auf der Insel regelmäßig singt. Die drei jungen Leute geraten bald in das Fadenkreuz einiger Offiziere des Staatssicherheitsdienstes, die ihr eigenes Geschäft unter dem Deckmantel staatlicher Aktivitäten betreiben.
Ausgezeichnet recherchiert
Dieter Bührig hat mit Mauerriss einen wirklich lesenswerten und interessanten Roman geschrieben. Der Aufdruck "Kriminalroman" ist in meinen Augen allerdings fehl am Platze – daher die geringe Bewertung hier auf der Krimi-Couch. Denn Freunde klassischer Kriminalromane in ihren verschiedenen Ausprägungen werden hier eher enttäuscht sein. Noch einmal sei betont: Bührig hat ein gutes Buch geschrieben, aber in meinen Augen ist es kein Kriminalroman. Die verstreut vorkommenden kriminellen Handlungen werden von keinem Ermittler untersucht, es gibt im kriminalistischen Sinne keinen "roten Faden" der durch die Gesamthandlung führt. Der Autor beschreibt vielmehr die politische und menschliche Situation in den Monaten vor dem Fall der Mauer – das allerdings sehr authentisch und mit wirklich berührenden Szenen. Dieter Bührigs Mischung aus Polit- und Liebesroman wirkt ausgezeichnet recherchiert, seine ausführlichen Anmerkungen am Ende des Romans helfen dem Leser bei der Einordnung der Fakten. Beim Lesen wird man förmlich in die damalige Zeit zurück versetzt und kann die spezielle Atmosphäre der Vorwendezeit gut nachvollziehen.
Tiefe Einblicke in die Geschichte
Der Gemälderaub und die insgesamt recht komplizierte Dreicksgeschichte mit Christian, Beata und Dorisa werden von Dieter Bührig perfekt in diese unruhige Zeit eingebaut – mit einem irgendwie doch überraschenden Ausgang. Die drei Hauptfiguren werden dabei von Dieter Bührig relativ ausführlich charakterisiert, aber auch die weiteren Akteure wie der betagte Leuchtturmwächter, der ehrgeizige Zeitungsverleger, der eiskalte Stasi-Mann und der mutige und engagierte Pfarrer. Der Autor hat einen angenehm flüssigen Erzählstil, und er ergänzt seine Geschichte durch kursiv eingesetzte Dokumente und Ausschnitte aus Zeitungen. Mauerriss liefert dem Leser tiefe Einblicke in die letzten Jahre der DDR – wenn man sich denn auf diesen Roman und seine spezielle Mischung einlässt. Staatlich organisierter Kunstraub, willkürliche Enteignungen, zweifelhafte Wahlpraktiken, Verhaftungen aufmüpfiger Bürger und die ebenso unsichere wie auch entschlossene Stimmung des Umbruchs vor der Wende. Dieter Bührig präsentiert ein gut gezeichnetes Bild deutsch-deutscher Zeitgeschichte.
Dieter Bührig, Gmeiner
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