Das Küstengrab
- Random House Audio
- Erschienen: Januar 2014
- 7
- Köln: Random House Audio, 2014, Seiten: 1, Übersetzt: Nana Spier, Bemerkung: ungekürzte Lesung
- München: Blanvalet, 2015, Seiten: 432, Originalsprache
Stille Wasser gründen tief
Romane um Leute, die unter Amnesie leiden, haben immer eine besondere Wirkung: Im maßgeblichen Moment fehlen wichtige Informationen – so als wäre ein Wanderer mit einer Wanderkarte unterwegs und an der alles entscheidenden Gabelung starrt er nur auf weißes Papier (oder – für die Technikfreaks unter uns - das Navi verliert das Signal). So oder so – ohne die Leistungen des Gedächtnisses, das alle wichtigen Informationen über Leben und Tod ordnet und verwaltet, tappt der Mensch herum wie ein Blinder.
Die Suche nach der verlorenen Erinnerung
Diese Erfahrungen muss auch Lea machen, als sie sich wiederum auf die Ostseeinsel Poel begibt, auf der sie seinerzeit mit ihrer älteren Schwester Sabina aufwuchs. Dem Zusatz "Wiederum" kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn die Heldin der Geschichte hatte die Insel bereits vor einigen Monaten vor der jetzt einsetzenden Handlung gemeinsam mit ihrer Schwester besucht. Die Reise endete aber in einer Katastrophe, bei der Sabina durch einen Autounfall ums Leben kam und die neben ihr sitzende Lea zufällig überlebte, aber weite Teile ihres Gedächtnisses verlor.
Bergs Krimi beschreibt die Suche seiner Heldin nach Wahrheiten in der Vergangenheit. Offenbar ranken zum einen sich düstere Geheimnisse um den Tod ihrer Schwester, deren Unfall diverse Fragen aufwirft. Zum anderen bleibt die Frage, warum sich die beiden entfremdeten Frauen nach jahrelangem Schweigen überhaupt auf der Insel trafen. Diese Fragen könnte die als Ich-Erzählerin auftretende Heldin recht einfach beantworten, wäre da nicht ihre partielle Amnesie, die die Informationen über das letzte Zusammentreffen der Schwestern offenbar sorgfältig weggepackt und verschlossen hat.
Der Leser begleitet Lea auf ihrer mitunter schmerzhaften Forschungsreise. Dabei handelt es sich nicht nur um die Ursachen, die zu dem Tod Sabinas führten, sondern auch um Ereignisse, die sich kurz nach dem Eintritt der beiden Schwestern in das Erwachsenenleben ereigneten und die untrennbar miteinander verwoben zu sein scheinen. Hier löst Eric Berg stilistisch geschickt die Frage, wie Gedächtnislücken der Erzählerin dem Leser offenbart werden können, indem er in diversen Kapiteln Wechsel der Erzählebenen konstruiert. Berichtet Lea hauptsächlich aus der Ich-Position werden, wenn die Handlung es erfordert, Stränge über die Vergangenheit eingefügt, die dann aus dem Blickwinkel eines neutralen Berichterstatters erfolgen und somit neue Tiefen in die Handlung einbringen. Lea bleibt somit der Spielball der Ereignisse. Ihr eigenes Erfahren kann sich nur an den Handlungen der alten Bekannte und Freunde orientieren und so ist sie bis zuletzt der Frage ausgeliefert, wer denn nun tatsächlich Freund oder vielmehr der Feind ist.
Auch hier ist die Welt nicht in Ordnung
Eric Berg ist es in seinem Roman gelungen, einerseits den ruhigen Rhythmus der Ostseeinsel Poel einzufangen, andererseits aber darzustellen, dass auch hier nicht unbedingt die Welt in Ordnung sein muss und Rivalitäten, Feindschaften und auch blanker Hass durchaus Zutritt in diese heile Welt gefunden haben. Durch diesen ruhigen Erzählfluss ist Das Küstengrab nicht zwingend ein Krimi geworden, den der Leser nicht mehr aus der Hand zu legen vermag, der aber dennoch fesselt und immer wieder zum Weiterlesen verlockt. Als kleines Manko – oder als Meckern auf hohem Niveau – könnte höchstens noch angemerkt werden, dass bereits alsbald relativ vorhersehbar ist, wie sich ein Rätselbaustein aus Leas Leben auflösen dürfte, wenngleich die endgültige Lösung als Showdown am Ende doch noch überrascht. Hier hätte sich die Autorin dieser Zeilen auch noch eine kurze Bewertung von "Schuld und Sühne" gewünscht, aber wie gesagt, hier wird schon auf hohem Niveau gemeckert.
Eric Berg, Random House Audio
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