Ein Bulle im Zug
- Tropen
- Erschienen: Januar 2014
- 5
- Stuttgart: Tropen, 2014, Seiten: 347, Originalsprache
Selbstreflexion eines guten Polizisten
Robert Fallner ist ein Münchener Polizist, der einige persönliche und dienstliche Probleme hat. Bei einem Einsatz in der Wohnung einer libanesischen Familie glaubt der Kriminalhauptkommissar zu sehen, wie einer der jungen Männer eine Waffe zieht. Er handelt umgehend und schießt auf den Jungen, der dadurch getötet wird. Allerdings kann sich Fallners Partner nicht mehr daran erinnern, eine Waffe gesehen zu haben, und nach dem Vorfall ist auch keine in der Wohnung zu finden. Vom Dienst suspendiert beginnt der erfahrene Ermittler zu grübeln, sucht auch Hilfe in einer Therapie. Nach vier langen Wochen und mehreren Anläufen steigt Fallner schließlich in einen Zug, um mit einer Bahncard 100 kreuz und quer durch das Land zu fahren. Er verwirklicht sich damit einen Jugendtraum, und folgt einem Ratschlag seiner Therapeutin. Von seinen Vorgesetzten hat er außerdem einen Ermittlungsauftrag mit auf den Weg bekommen. Er soll nach einem geheimnisvollen Mörder suchen, der höchst mobil ist, von dem aber vermutet wird, dass er mit der Bahn unterwegs ist. Und so macht sich Fallner auf seine schier unendliche Reise.
Die Polizeiarbeit hat tiefe Wunden hinterlassen
Franz Doblers Roman Ein Bulle im Zug ist ein lesenswertes Buch. Man kann den Roman als Spannungsliteratur im weiteren Sinne betrachten, ein Kriminalroman nach landläufiger Definition ist das Werk allerdings nicht. Wer also Action, knallharte Ermittlungen und Nervenkitzel sucht, greift hier besser nicht zu. Wer sich jedoch auf die Geschichte einlässt, erfährt viel über schwierige Polizeiarbeit, über die Psyche von Polizisten, und nicht zuletzt auch über das Leben im Allgemeinen. Robert Fallner hat bei seiner Polizeiarbeit tiefe Wunde und Macken davon getragen. Allein der Fakt, dass er vier Wochen braucht, um in einen Zug zu steigen, sagt viel über diesen Protagonisten aus. Bei seinen Fahrten im "weißen Hai", wie er die ICE-Züge nennt, hat er Wachträume von einem Begleiter, nämlich dem jungen Libanesen, den er nach eigener Auffassung in Notwehr erschossen hat.
Fallner genießt die Reise mit jeder Faser
Von ihm nahestehenden Personen wird Fallner nicht unterstützt. Sein Partner verweigert ihm jegliche Hilfe, seine Frau – selbst Polizistin – verspottet ihn sogar. Kennengelernt hat er Jaqueline bei einem Nashville Pussy-Konzert – was wiederum viel über das Verhältnis der beiden Eheleute zueinander aussagt. Fallner macht sich zur mangelnden Unterstützung so seine Gedanken, er denkt überhaupt viel nach. Auch über das Verhältnis seiner Frau zu seinem beruflichen Partner. Dennoch genießt er diese Reise kreuz und quer durch das Land mit jeder Faser. In Frankfurt am Main nimmt er schließlich erstmals die Spur des vermeintlichen Serienkillers auf. In der Folge sucht er noch weitere Tatorte auf, aber er hat auch ganz andere Begegnungen zu verarbeiten. Und dabei träumt er immer wieder von dem jungen Mann, den er getötet hat. Denn dieser Vorfall lässt ihn nicht los, er ist sicher, keinen Fehler gemacht zu haben – nur kann er es zunächst nicht beweisen.
Spannende Begegnungen und Erlebnisse
Für etliche der Rätsel, die im Laufe der Handlung auftauchen, gibt es am Ende eine Lösung. Spannung erzeugt Franz Dobler immer wieder durch die Begegnungen und Erlebnisse seines Protagonisten, gewürzt mit Reflexionen zu Musik, Literatur, Antifaschismus und vielem mehr. Fallner darf auch über sich selbst und seine Rolle als Polizist intensiv nachdenken – Zeit dazu hat er mehr als genug. Als literarisches Werk ist dieser Roman sicher hoch einzustufen, als Kriminalroman dagegen eher im Durchschnittsbereich. Dennoch kann ich nur empfehlen, sich darauf einzulassen. Es lohnt sich wirklich.
Franz Dobler, Tropen
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