Die Unbarmherzigkeit des Augenblicks
- Heyne
- Erschienen: Januar 2015
- 4
- New York: Crown, 2014, Titel: 'Peter Pan must die', Originalsprache
- München: Heyne, 2015, Seiten: 576
Kurzweiliges Mainstreamprodukt
Zwei Tage nach dem Tode seiner Mutter wird Carl Spalter bei deren Beerdigung erschossen. Zahlreiche Zeugenaussagen belasten Ehefrau Kay, die ihren Mann nicht nur betrog, sondern auch das millionenschwere Erbe alleine zugesprochen bekommt. So wird sie zu 25 Jahren Haft verurteilt, doch offenbar gab es einige Lücken bei den polizeilichen Ermittlungen. Jack Hardwick, einst Ermittler bei der New York State Police bevor er diese unfreiwillig verlassen musste, wendet sich an Dave Gurney, Ex-Topermittler in Mordfällen beim New York Police Departement, der ihm noch einen Gefallen schuldet. Während Hardwick nur darauf aus ist, die Verfahrensfehler zu beweisen und somit Kays Freispruch zu erwirken, willigt Gurney in den Fall nur ein, weil ihn die Wahrheit interessiert.
"Ich bin beeindruckt davon, wie Sie Entscheidungen treffen."
"Ich treffe sie, sobald mein Hirn und Bauch einer Meinung sind."
Denn schon eine erste Besichtigung der Wohnung, aus der angeblich der tödliche Schuss abgegeben worden sein soll, macht Gurney stutzig. Von dort, wo ein Stativ gestanden hat und Schmauchspuren gefunden wurden, kann der tödliche Schuss unmöglich abgegeben worden sein. Carls Tochter sowie dessen Bruder hatten zudem ebenfalls Grund genug, Carl nach dem Leben zu trachten. Zwar war Kay die Alleinerbin, aber nur in dem Fall, dass sie das Erbe auch antreten kann. Gurneys Jagdfieber ist geweckt und schon bald gerät er auf die Spur eines gefährlichen Serienmörders...
Große Action, viel Tempo, ordentlich Verwirrung
Der vierte Fall der Dave-Gurney-Reihe steht seinen Vorgängern in puncto Tempo und Action in nichts nach und so verwundert es kaum, dass der Protagonist einmal mehr einen hochgefährlichen Serienmörder jagt und dabei sein eigenes Leben nur allzu freiwillig aufs Spiel setzt. Sehr zum Leidwesen seiner Frau Madeleine, aber auch das kennt man ja schon zur Genüge. Neu ist, dass Madeleine sich Hühner zugelegt hat, für die umgehend ein Stall mit Außenfläche gebaut werden muss, damit diese Auslauf haben. Auch so kann man vom eigentlichen Thema ablenken und dem geneigten Leser auf die Nerven gehen.
Zunächst wird sehr schnell klar, dass der Mord so, wie er vor Gericht verhandelt wurde, nicht stattgefunden haben kann, da bei dem Schusswinkel ein Hindernis im Wege stand. Auch einige Zeugenaussagen scheinen nicht zu stimmen und schon bald ist klar, dass das Gerichtsverfahren fehlerhaft war und allein deshalb schon ein Freispruch winkt. Nun könnte man also vor Gericht ziehen, die Freilassung Kays bewirken und das Buch wäre nach hundert Seiten zu Ende, doch wäre dies ja nur der halbe Spaß. Wenngleich zusätzlich schnell klar wird, dass ein besonders gerissener und skrupelloser Serienmörder seine Hand im Spiel hat, so bleiben immerhin zwei Fragen bis zuletzt offen: Wie dem Mörder mit dem Künstlernamen "Peter Pan" das Handwerk legen und – vielleicht noch interessanter – wer war dessen Auftraggeber? Hier käme Kay als Alleinerbin durchaus wieder ins Spiel, ebenso Carls drogenabhängige Tochter und Carls ehrgeiziger Bruder, der dringend einen größeren Millionenbetrag benötigt.
Lockerer Erzählstil, viel Buch für wenig Geld
John Verdon ist für jene Krimifans eine Empfehlung, denen es vor allem um Verwirrung (nicht nur bei der Auflösung), große Action und noch höheres Lesetempo geht. Im lässigen, mitunter holzschnittartigen Plauderton erzählt Verdon seine Geschichte, die tatsächlich einige überraschende Wendungen aufweist - womit hier nicht ein Todesfall unter dem bereits erwähnten Federvieh gemeint ist. Wer sich nicht an der inflationären Benutzung von Wörtern die mit SCH... anfangen stört und die wahlweise für eine Körperausscheidung oder für die vulgäre Beschreibung einer ebensolchen Frau stehen, kann bedenkenlos zugreifen. Hier gibt es noch viel Buch für kleines Geld. Zudem fallen zahlreiche Menschen dem gesuchten Killer durch Anschläge zum Opfer, am Ende wird durch ein hollywoodeskes Finale die Zahl der Opfer gar dreistellig.
Nach dem Ende des Romans, den man schnell wieder vergessen hat, zumal auch der Protagonist nicht wirklich sympathisch ist, bleibt jedoch eine Frage, die sich schon bei den Vorgängern stellte: Wie kommt man beim Heyne-Verlag auf die Buchtitel oder anders formuliert, wie kann aus "Peter Pan must die" der sperrige deutsche Titel Die Unbarmherzigkeit des Augenblicks werden?
John Verdon, Heyne
Deine Meinung zu »Die Unbarmherzigkeit des Augenblicks«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!