Montecristo
- Diogenes
- Erschienen: Januar 2015
- 16
- Zürich: Diogenes, 2015, Seiten: 6, Übersetzt: Wanja Mues
Für Freunde von Verschwörungstheorien ein Pflichtroman
Jonas Brand arbeitet als Videojournalist für die Boulevardpresse und hofft seit einigen Jahren auf den großen Durchbruch als Filmregisseur. Ein Exposé seines vermeintlichen Meisterwerkes Montecristo, eine moderne Fassung des bekannten Historienfilms, wurde jedoch vor etlichen Jahren einhellig abgelehnt. Ein wenig frustriert geht er seinem Beruf nach, in dem er sich unterfordert sieht, bis er eines Tages über die größte Story seines Lebens stolpert.
Zunächst sitzt er in einem Zug nach Zürich als dieser wegen eines Personenschadens plötzlich in einem Tunnel zum Stehen kommt. Instinktiv filmt er ein paar Fahrgäste und fängt einige Stimmen ein. Drei Monate später, inzwischen ist er schwer verliebt in die Eventmanagerin Marina Ruiz, passiert ihm ein nahezu unmöglicher Zufall. Beim Auslegen des Geldes für seine Haushälterin entdeckt er zwei Hundert-Franken-Scheine mit der gleichen Seriennummer. Er fragt bei seiner Bank nach und recherchiert bei der Firma Coromag, die die Geldnoten für die gesamte Schweiz herstellen, und erhält die Bestätigung, dass beide Noten echt sind. Kurz darauf wird seine Wohnung durchsucht und er selber überfallen. Er wendet sich an einen alten Kollegen, Max Gantmann, der einst als Wirtschaftsexperte im Fernsehen ein Star war. Beide beginnen sich für die seltsamen Geldscheine zu interessieren und Jonas beschäftigt sich nochmals mit dem Personenschaden im Intercity.
"Glauben Sie, das hat miteinander zu tun?"
"Wie kommen Sie darauf?"
"Könnte ja sein."
"Dass es miteinander zu tun hat?"
"Nein. Das Sie das glauben."
"Ich glaube es nicht."
Aber während der ganzen Protokollaufnahme ging ihm die Frage nicht aus dem Sinn.
Denn der vermeintliche Selbstmörder war ein Top-Trader bei der größten Schweizer Bank, so dass die beiden Ereignisse in einem Zusammenhang stehen könnten. Und plötzlich sind hinter Jonas und seinem Freund Max scheinbar übermächtige Gegner her ...
Die Heuschrecken kämpfen mit allen Mitteln
Martin Suter hat mit Montecristo einen spannenden Finanz-Thriller geschrieben, der in die aktuelle weltweite Finanzkrise bestens passt. Es gilt eine Katastrophe zu verhindern, die die Finanzmärkte in ihren Grundfesten erschüttern würden. Doch wie skrupellos sind die Drahtzieher der Bankimperien, wie korrumpierbar sind Politiker und lassen sich sogar die Medien kaufen? Für Freunde von Verschwörungstheorien ist Montecristo eine Offenbarung und für Krimifreunde eine willkommene Abwechslung vom genreüblichen Mord und Totschlag, wenngleich auch hier mehrere Menschen zu Tode kommen.
Die Handlung erscheint an manchen Stellen ein wenig vorhersehbar, nur Jonas erkennt mitunter einige Zusammenhänge nicht, was daran liegen mag, dass zum einen die Ausmaße der Ereignisse selbst die damalige Pleite von Lehman Brothers wie ein Kinderspiel erscheinen lassen, zum anderen mag es auch an der attraktiven Marina Ruiz liegen. Dabei fiebert man mit einem sympathischen Protagonisten mit, der immer tiefer in einen kaum durchschaubaren Abgrund gezogen wird, wobei immer unklarer wird, wer Freund und Feind ist. Je mehr sich Montecristo seinem unvermeidlichen Ende nähert desto mehr scheint Martin Suter zu überziehen. Doch wie weit würden in einem viele Milliarden schweren Business die Verantwortlichen tatsächlich gehen; am Ende gar über Leichen?
"Weißt du, dass bei der letzten Finanzkrise ein wesentlicher Teil der risikogewichteten Aktiven gewisser internationaler Großbanken aus sogenannten Subprime-Papieren bestand? Dass diese teilweise sogar die harten Eigenmittel überstiegen? Subprime-Papiere! Eine Art Wertpapier aus einem Cocktail aus Hypotheken einiger solventer Schuldner und vieler anderer, die ihre Zinsen kaum aufbringen. Und diese Papiere wurden von den internen Risikomodellen gleich hoch eingestuft wie zum Beispiel so sichere Werte wie Staatsanleihen der USA! So haben sie sich und uns an den Rand des Ruins manövriert."
Ein packender Plot, eine Prise Erotik, gutes Essen und das alles garniert mit einem pointierten Humor machen Montecristo zu einem ebenso empfehlenswerten wie anspruchsvollen Wirtschaftskrimi. Hinzu kommt die feine Sprache des Autors, die sich schon aus dem Titel erahnen lässt. Bereits eine beinahe unauffällige Abänderung des Klassikers "Monte Christo" (ähnlich gefangen kommt sich der Protagonist im Machtgefüge der Finanzwelt vor) in Montecristo (der beliebten kubanischen Zigarre, die auch sinnbildlich für Macht und Einfluss steht, womit wir wieder bei den Kapital- und Finanzmärkten wären) ist ein erster Fingerzeig, wie gekonnt der Autor zu formulieren versteht.
Martin Suter, Diogenes
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