Das Lächeln des Bösen
- Knaur
- Erschienen: Januar 2015
- 4
- München: Knaur, 2015, Seiten: 448, Originalsprache
Licht und Schatten
Es waren einmal zwei Schwestern. Die eine war schön, erfolgreich und zielorientiert, die andere engagierte sich sozial. Dreimal dürfen Sie raten, wer die beliebtere von beiden war. Nach dem das geklärt ist, überrascht es nicht, dass Nina Bach's Kindheit und Jugend unter dem Schatten ihrer Schwester Frauke stand. Der gelang offensichtlich alles, berufliche und sportliche Erfolge fielen ihr ebenso wie die Liebe ihrer Eltern zu und so begünstigt gehörte sie zu denjenigen, die sich alles nehmen konnte, was sie wollte. Unglücklicherweise gehörte auch dazu die erste große Liebe der Jüngeren. Als Nina mit dem Tod ihrer Schwester konfrontiert wird, dürfte sie damit eine späte Genugtuung erfahren. Dennoch wirft Fraukes Tod diverse Fragen auf: Warum nimmt sich eine Frau, der alles gelang, ohne erkennbaren Grund das Leben? Und warum reichte ihr dieser Verzweiflungsakt offensichtlich nicht aus? Warum verstümmelte sie sich vor dem Tod noch selbst? Obwohl das Verhältnis der beiden Frauen nicht durch besonders schwesterliche Gefühle geprägt war, lassen diese Fragen der rebellischen Nina keine Ruhe. Sie beginnt nach Motiven für den Suizid der älteren zu suchen und das bleibt nicht ohne Folgen für ihre eigenes Leben.
Petra Busch beschäftigt sich in ihrem neuesten Werk mit einer Serie von mysteriösen Selbstmorden, denen jeweils eigenhändig durchgeführte Verstümmelungen der Täter hervorgingen. Bereits zum Auftakt des Romans wird der Leser Zeuge einer Tragödie und wenn auch die Wortwahl der Todeskandidatin durchaus den Schluss zulassen, dass tatsächlich ein Freitod gewählt werden sollte, sprechen diverse andere Umstände auch dafür, dass "im Staate Dänemark etwas faul" war. Hier offenbaren sich auch schon Petra Busch' Stärken in der Erzählung ihrer Geschichte: Die Konstruktion von Psychogrammen, das Spiel mit der Sprache, die das eine sagt, aber etwas anderes meint, je nachdem welche Bühne vorausgesetzt wird. Diese Stärken tragen auch den eigentlichen Spannungsbogen dieses Buches. Personen, die eingangs als Sympathieträger aufgebaut werden, zeigen Charaktereigenschaften, die zunehmend ein Gefühl der Bedrohung aufbauen, belegen, wie der Wahnsinn langsam von ihnen Besitz ergreift. Beunruhigend ist auch die Darstellung, wie diese Entwicklung dennoch in der Gesellschaft übersehen wird, wie lange ein psychisch kranker Mensch dennoch ein gesellschaftlich und beruflich anerkanntes Leben führen kann.
Genauso deutlich wie die Stärken des Buches treten aber auch seine Schwächen zutage. So erscheint die Schwarz-Weiß-Zeichnung der beiden Schwestern teilweise als zu dick aufgetragen. Die 14jährige präsentiert zuhause stolz ihre sportlichen Urkunden, die 11jährige hat dagegen am Tag des Wettkampfs einen Mitschüler seelisch und moralisch gestützt, dessen Mutter gerade verstorben war. Die Ältere wurde erfolgreiche Ärztin, die jüngere prostituiert sich, wenngleich sie auch diese Tätigkeit aufgrund der besonderen Bedürfnisse ihrer Kunden wieder als soziale Betreuung bewertet. Soviel Schwarz-Weiß-Malerei machen jedoch Personen außerhalb von Märchen unglaubwürdig. Niemand ist nur gut oder nur oberflächlich. Unglaubwürdig erscheint auch die Entwicklung der Nina, die eingangs den Tod ihrer Schwester mit sarkastischen Worten kommentierte, sich aber alsbald – und ohne besonderes einschneidendes Erlebnis – zur Ermittlerin in Sachen Frauke mausert.
Regelrecht unglücklich dagegen ist dagegen die Konstruktion, die die Motive des Urhebers der Selbstmorde erklären soll. Ließe ein erlittenes Kindheitstrauma möglicherweise noch eine nachvollziehbare Erklärung zu, erscheint die Verstrickung mit der Person, die als Nutznießerin der Verstümmelungen angedacht war, schon absurd und absolut lebensfremd. Die Bibel mag von Personen berichten, die allein durch die Gnade Gottes gekleidet, ernährt und untergebracht wurden, dennoch sind diese Phänomene in der Realität bedauerlicherweise eher selten anzutreffen.
Dennoch ist als Fazit festzuhalten, dass diese eigenwilligen Arabesken nicht komplett die spannende und ansonsten schlüssige Atmosphäre zu torpedieren vermögen. Somit lächelte nicht nur das Böse, sondern auch die Rezensentin.
Petra Busch, Knaur
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