Die Kunst zu sterben
- Atrium
- Erschienen: Januar 2014
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- Kopenhagen: Politikens Forlag, 2009, Titel: 'Kunsten at dø', Originalsprache
- Zürich: Atrium, 2014, Seiten: 448, Übersetzt: Ulrich Sonnenberg
Glattes Familienprogramm zur besten Sendezeit
Es gibt Leute, die kann keiner leiden und daher ist niemand überrascht, wenn sie eines Tages vom Diesseits ins Jenseits befördert werden. Es gibt aber auch Leute, die eigentlich keiner leiden mag, die aber dann dennoch uninteressant und belanglos sind, so dass dann doch jeder überrascht ist, wenn sei eines Tages Opfer eines Mordes werden.
Die Künstlerin Kamille Schwerin kann getrost der zweiten Gruppe zugeordnet werden. Mit ihren Installationen hat sie sich einen gewissen internationalen Ruf erarbeitet – aber warum, weiß niemand so richtig, sie ist Mitglied diverser wichtiger Gremien – nutzt aber ihr Position gerne zugunsten persönlicher Antipathien schamlos aus und geht ihrer Umgebung wegen tatsächlicher oder eingebildeter Allergien mächtig auf den Geist. Kurzum – die Frau nervt. Dennoch ist Justitia auch im Hinblick darauf blind, ob eine ermordete Person nun zu den Sympathieträgern gehörte oder keine sonderlich große Lücke hinterlässt und daher ermittelt die schwedische Polizei und der bereits aus zwei Vorgängerbänden berühmte Detektiv Dan Sommerdahl natürlich auch in diesem Fall.
Als besondere Einzelheiten sind hier noch zu erwähnen, dass Kamille nicht zum ersten Mal mit einem Gewaltverbrechen in Konflikt gerät, wurde doch ihre Mutter bei einer nicht angekündigten "Visite" im Haus der Künstlerin ermordet und die dort ausgestellten Kunstwerke zerstört und sah sie sich auch schon in der Vergangenheit weiteren Anschlägen ausgesetzt. Um das Ganze abzurunden ruht hier das Auge der Öffentlichkeit besonders auf diesem Fall, denn der spätere Mord an der Künstlerin ereignete sich nicht etwa in einer gesichtslosen dunklen Gasse, sondern in einem "Big-Brother"-ähnlichen TV-Format, das bezeichnenderweise eine Mörderjagd zum Inhalt hatte und auf Agatha Christies berühmten Buch Und dann gab's keines mehr / Zehn kleine Negerlein basierte.
In seinem dritten Fall lässt Anna Grue ihren kahlköpfigen Detektiv Dan Sommerdahl in die Welt des "Showbizz" eintauchen. Hier wäre nun eine total verrückte Geschichte nach dem Muster von Ben Eltons Roman Tödlicher Ruhm (Dead famous) denkbar gewesen, bei der sich ein Mord tatsächlich vor laufender Kamera ereignet, aber leider wollte die Autorin dann doch nicht diesen Weg einschlagen. Das Drama entspinnt sich daher doch recht klassisch in einem toten Winkel des ansonsten von Kameras überwachten Schauplatzes und damit ist wieder die gute alte Polizei- und Ermittlungsarbeit gefordert.
Damit ist auch schon das Thema getroffen, was die Kernaussage zu dem Buch ausmacht. Es ist gute solide Unterhaltungsliteratur – also ein klassischer Schmöker - ohne besondere Tiefen aber auch ohne besonders zu nennende Höhepunkte. Wirklich interessante Spannungsbögen ergeben sich hier allenfalls in einem Nebenstrang des Krimis, denn auch in diesem Buch kann der für die Frauenwelt nicht uninteressante Dan Sommerdahl nicht seine Finger von der holden Weiblichkeit lassen. Hier kann dann auch das klassische Sprichwort vom Krug, der so lange zum Wasser geht, bis er bricht, bemüht werden, denn wenn die oberste Regel im Hinblick auf den Ehebruch die Diskretion sein sollte, lässt sich diese in einem von Kameras gespickten Haus nur schwerlich aufrechterhalten zumal Dans eigener Sohn zum Kamerateam gehört. Auch die hauptsächlich interessanten Charakteristika präsentieren sich in erster Linie abseits vom eigentlichen Mordgeschehen. Der durch vorangegangene Fälle leicht lädierte Sommerdahl wird hier auch einmal von seiner verletzlichen Seite präsentiert und auch sein auserkorenes Objekt der Begierde zeigt, dass sie nicht nur eine verführerische Sirene ist, sondern auch durchaus die Härten des Lebens kennengelernt hat.
Von diesen interessanten Verwicklungen abgesehen, halten der eigentliche Mord und die folgenden Ermittlungen keine großen Überraschungen oder "Aha-Effekte" bereit. Geboten werden solide Unterhaltung und einige wenige gruselige Szenen auf der abgeschiedenen und verwilderten Insel, die mit ihren verwilderten Ecken und verfallenen Gebäuden einen interessanten Kontrast zum ansonsten hoch technisierten Filmhaus bietet. Nervig sind allein die Schilderungen der tiervernarrten Drehbuchautorin als Beteiligte des Filmteams, die sich offensichtlich nicht einmal für ein paar Tage von ihrem Fifi trennen kann und die immer wieder kehrenden Hinweise auf Sommerdahls mangelnde Haarpracht. Abschließend sei auch dahingestellt, ob die Auflösung eine besonders Spektakuläre ist. Schön zu lesen ist immerhin, dass die Freundschaft zwischen dem ermittelnden Polizeibeamte Flemming Torp und Sommerdahl, die in den letzten Romanen doch tiefe Kratzer erlitt, wieder hergestellt wird, andererseits – hatte tatsächlich jemand mit dem Ende dieser Männerfreundschaft gerechnet?
Anna Grue, Atrium
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