Missing. New York

  • Alfred A. Knopf
  • Erschienen: Januar 2014
  • 7
  • New York: Alfred A. Knopf, 2014, Titel: 'Missing New York', Originalsprache
  • München: Droemer, 2018, Seiten: 394, Übersetzt: Chris Hirte
Missing. New York
Missing. New York
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Andreas Kurth
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2014

Ein Cop mit richtig Biss

Nebraska ist einer der amerikanischen Bundestaaten im so genannten mittleren Westen. Lincoln, zweitgrößte Stadt und Sitz der Verwaltung, ist also weit entfernt von den Verbrechen in den großen Metropolen der USA. Und doch verschwindet dort innerhalb von wenigen Minuten die siebenjährige Hailey. Ihre Mutter geht nur kurz ins Haus, danach ist das Kind weg. Eine verzweifelte Suche bleibt erfolglos, erst nach einer halben Stunde alarmiert die Mutter endlich die Polizei. Deren Bemühungen bleiben jedoch ebenfalls ohne Erfolg. Hunde, Hubschrauber, endlose Befragungen – Hailey bleibt unauffindbar. Ein weiteres Mädchen wird Tage später entführt und anschließend ermordet aufgefunden. Die Polizei geht davon aus, dass es Hailey ähnlich ergangen ist, man nur die Leiche nicht finden konnte. Detective Frank Decker lässt die Sache keine Ruhe, zudem hat er Cheryl, der Mutter des kleinen Mädchens, versprochen, ihre Tochter zu finden. Seine Ehe steht kurz vor dem Bruch, und Decker beißt sich an dem Fall fest. Er legt seinen Vorgesetzten die Kündigung auf den Tisch und macht sich auf die Suche nach Hailey – die ihn durch das ganze Land und bis zum Big Apple führen soll.

Ein eigenwilliger und hartnäckiger Ermittler

Don Winslow wird von Kritikern und Publikum teilweise gefeiert, zum Teil aber auch ziemlich verrissen. Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen, der Start einer neuen Reihe bot sich daher zum Einstieg geradezu an. Und ich muss sagen, es hat sich mehr als gelohnt. Mit Frank Decker begegnet man hier einem ungewöhnlichen, ebenso eigenwilligen wie hartnäckigen Ermittler. Er ist Polizist aus Überzeugung, kniet sich auch in diesen Fall richtig rein. Die Aussicht, demnächst Polizeichef von Lincoln zu werden interessiert ihn ebenso wenig wie der Zustand seiner Ehe. Decker geht den äußerst ungewöhnlichen Schritt, und reicht seine Kündigung ein, um auf eigene Faust nach der entführten Hailey zu suchen. Denn anders als alle Kollegen ist er davon überzeugt, dass das kleine Mädchen noch am Leben ist. Dabei spielt es auch eine große Rolle, dass nach einem Mischlingskind offenbar nicht so intensiv gesucht wird, wie das bei einem weißen Mädchen der Fall wäre. Decker will sich damit nicht abfinden, und fährt daher kreuz und quer durch die Staaten, um auch kleinen Hinweisen zu folgen. Diese Verbissenheit macht den Protagonisten sehr sympathisch, als Leser fiebert man mit seinen Bemühungen intensiv mit.

Rasanter Plot fesselt den Leser

Etwas seltsam fand ich das zeitliche Loch, das der Autor dabei entstehen lässt. Ein Jahr lang kommt bei Deckers Ermittlungen nichts heraus, und dann wird es wirklich heiß bei der Suche nach Hailey. Den ungewöhnlichen Zeitsprung bewältigt Don Winslow mit wenigen Sätzen – etwas merkwürdig, aber für den Leser problemlos zu verkraften. Denn eines Tages bekommt Decker eine Zeugenaussage, die richtig Schwung in seine privaten Ermittlungen bringt – und jetzt geht es in eine ganz neue Richtung. In Kursivschrift werden während der ganzen Zeit auch einige Gedanken der kleinen Hailey geschildert. Der Leser ist also darüber informiert, dass die Entführte noch am Leben ist. Für die Lösung des Falles sind diese Informationen zwar weitgehend irrelevant, aber immerhin hilfreich bei der Beurteilung der Schritte von Frank Decker. Mit seinem insgesamt rasanten Plot gelingt es Winslow, den Leser von Beginn an zu fesseln. Der Spannungsbogen nimmt ständig zu, dazu tragen auch die erwähnten Gedanken und Erlebnisse des kleinen Mädchens bei.

Gut recherchierte und packende Geschichte

Die Auflösung des Falles im dramatischen und sehr dynamischen Finale ist ziemlich schockierend, vor allem auch deshalb, weil ich fürchte, dass es solche Dinge nicht selten wirklich gibt. Ob es allerdings Polizisten gibt, die ihre Rentenansprüche und ihr Erspartes über Bord werfen, um wie ein Privatdetektiv ein entführtes Mädchen zu suchen – das scheint dann doch zu unwahrscheinlich. Aber man möchte als Leser durchaus gerne glauben, dass es so selbstlose Menschen wie Frank Decker auch in der Wirklichkeit gibt. Die Geschichte wirkt insgesamt gut recherchiert und wird von Don Winslow packend erzählt. Der Leser ist ständig "mittendrin", und neben Decker sind auch die Neben-Figuren gut gezeichnet. Die Dialoge wirken auf mich authentisch, und so habe ich mich insgesamt ausgezeichnet unterhalten gefühlt. Ein guter Einstieg als neuer Leser von Don Winslow – und auf die Fortsetzung im kommenden Sommer freue ich mich schon jetzt.

Missing. New York

Don Winslow, Alfred A. Knopf

Missing. New York

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