Die Lügen der Anderen
- GoyaLiT
- Erschienen: Januar 2014
- 9
- London: Little, Brown, 2012, Titel: 'Rush of Blood', Originalsprache
- Hamburg: GoyaLiT, 2014, Seiten: 4, Übersetzt: Stefan Kaminski
Psychologisches Kammerspiel in drei Akten
Wenn einer eine Reise tut ...
In einem Ferienparadies in Sarasota, Florida, lernen sich durch Zufall drei britische Paare kennen, die im fernen England allesamt in und um London leben. Man freundet sich an und verbringt die meiste Zeit vor Ort gemeinsam. Zurück in England treffen sich die Paare reihum zum Dinner. Den Schein wahrend, dass sie mehr verbindet als das gemeinsame Reiseziel ihres letzten Urlaubs, versuchen sie eine Freundschaft aufzubauen, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein können.
Locked-Room über zwei Kontinente
Das zusammenschweißende Erlebnis ist das Verschwinden eines Teenagers während ihres Aufenthaltes in Florida, die Gespräche und Gedanken kreisen immer wieder um das lernbehinderte Mädchen und ihre arme Mutter. Als die örtliche Polizei die Urlauber für weitere Befragungen aufsucht und zudem ein Mädchen in England vermisst wird, weiß auch der letzte Leser, dass einer der sechs Personen etwas mit dem Fall zu tun haben muss.
Mark Billingham springt in seiner Geschichte fröhlich durch Zeiten und Perspektiven. Den Haupterzählstrang bilden die drei Dinnerpartys, die reihum bei den Paaren stattfinden. Die Zwischenräume werden garniert mit Rückblenden in den Urlaub, Passagen in denen nur eine der sechs Personen gezeigt wird und natürlich der Gedankenwelt des Täters. Und das dieser lange Zeit vor dem Leser verborgen bleibt, versteht sich von selbst.
Der schöne Schein
Geschickt säht Billingham dabei Zweifel und Argwohn. Jeder seiner Protagonisten ist nur vordergründig sympathisch, jeder hat etwas zu verheimlichen und das noch nicht mal nur vor den sogenannten Freunden, sondern auch vor dem eigenen Partner. Fast könnte man meinen, man läse einen Doris Dörrie Film, an dessen Ende keiner mehr in sein altes Leben zurückkehren mag. Was als perfekte Partnerschaft anmutete, ist letztendlich nur eine Zweckgemeinschaft, die harmonische Patchwork-Familie die reinste Farce und die Sache mit dem Sex funktioniert ohnehin nur noch, wenn einer von beiden einen Fremden mimt.
Leise und anmutig schraubt sich Billingham dem Ende seines Romans entgegen. Dabei beäugt man als mit-rätselnder Leser alles mit gesundem Argwohn und traut am Ende nahezu jedem die Tat zu. Fast wehmütig schließt man das Buch, gibt Billingham doch ausnahmslos all seinen Figuren ausreichend Raum und Potential mit auf den Weg, um für weitere Verbrechen schuldig gesprochen zu werden.
Wenn actionarm und blutleer gleichzeitig ein solch lesenswerter Kriminalroman sein kann, bleibt nur eine Bitte offen: Mehr davon!
Mark Billingham, GoyaLiT
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