Bestie
- Folio
- Erschienen: Januar 2014
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- Turin: Giulio Einaudi editore, 2013, Titel: 'Il sogno di volare', Originalsprache
- Wien: Folio, 2014, Seiten: 288, Übersetzt: Karin Fleichanderl
Außergewöhnlicher Plot.
Eigentlich hat Kommissarin Grazia Negro von der Antimafia-Abteilung einen freien Tag, da sie sich über die Chancen für eine künstliche Befruchtung informieren möchte, doch ein Anruf ihres Partners Matera reißt sie in den Alltag zurück. Ein Student ist brutal ermordet worden, was an sich ein Fall für die Kriminalabteilung der Carabinieri wäre, wenn nicht der junge Mann Vincenzo Cardello heißen würde und ein Neffe von Gianello Carmelo, einem der zehn meistgesuchten Mafia-Killer Italiens, wäre. Die zuständige Staatsanwältin möchte die Kompetenzen von Polizei und Carabinieri bündeln, was zwangsläufig zu Konflikten und Kompetenzrangeleien führt. Als wenig später eine Wohnungsvermieterin auf eine ähnlich brutale Weise ermordet wird, bekommt der Fall eine neue Wendung. Zwar sehen beide Mordopfer so aus als hätte sie ein „Kampfhund" angefallen, doch bei der Wohnungsvermieterin ist kein Bezug zum organisierten Verbrechen erkennbar. Der zunächst vermutete Hintergrund eines möglichen Racheaktes innerhalb der „ehrenwerten Familie" scheint somit haltlos. Offenbar ist vielmehr ein Serienmörder in Bologna unterwegs, so dass die Carabinieri unter Führung von Colonello De Zan den Fall übertragen bekommen. Dieser präsentiert fast umgehend einen Verdächtigen, allerdings zu schnell für Grazias Geschmack ...
Anfangs etwas unzugänglich.
Carlo Lucarelli hat mit Bestie einen Thriller vorgelegt, der vor allem jene Leser ansprechen dürfte, die sich für außergewöhnliche Plots interessieren. Die Handlung sowie die hierin enthaltenen Wendungen sind durchaus interessant und sorgen für vereinzelte Aha-Effekte, allerdings erahnt man des Rätsels Lösung bereits sehr früh, wenn man die entscheidende „Hürde" genommen hat. Zudem ist der Einstieg in den Roman recht sperrig geraten, was auch daran liegt, dass der ermordete Student Vicenzo ebenso Enzo und Enzino genannt wird, so dass man zunächst irritiert vermuten könnte, es handele sich um mehrere Personen. Das Fehlen jeglicher Anführungszeichen, die üblicherweise Anfang und Ende einer direkten Rede darstellen, behindert den Lesefluss ebenfalls (wobei dies möglicherweise nur bei dem vorliegenden Rezensionsexemplar der Fall ist, was aber wiederum keinen Sinn ergeben würde).
Kurzum, die Schreib- und Erzählweise ist gewöhnungsbedürftig, entschädigt aber durch einen von Beginn an ausgefallenen Plot, über den hier nur wenig verraten werden kann und soll, denn nach rund 250 Seiten ist der Spaß schon wieder vorbei. Wer aber – und dies sei dann doch verraten – einen Mafia-Roman erwartet, der greift hier zum falschen Buch, wenngleich die Protagonistin, wie erwähnt, für die Antimafia-Abteilung arbeitet. Das Kompetenzgerangel zwischen Polizei und Carabinieri, deren unterschiedliche Zuständigkeiten erst einmal verstanden werden wollen (sofern man mit dem italienischen Krimigenre beziehungsweise der polizeilichen Zuständigkeiten in Italien nicht vertraut ist), werden dezent aber wirkungsvoll aufgezeigt. Überhaupt ergeht sich Carlo Lucarelli mehr in Andeutungen denn in konkreten Hinweisen, was den Spannungsbogen aber naturgemäß hochtreibt. Letztlich darf man das Buch dem Genre „Serienmörder" zuordnen, wobei ... aber lassen wir es dabei. Wer sich traut und neugierig geworden ist, riskiert einen Versuch und lernt einen ebenso interessanten wie fleißigen Autor kennen, der nicht nur in Italien zahlreiche Anhänger hat.
Carlo Lucarelli, Folio
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