Japantown

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2014
  • 2
  • New York: Simon & Schuster, 2013, Titel: 'Japantown', Originalsprache
  • München: Heyne, 2014, Seiten: 592, Übersetzt: Joannis Stefanidis
Japantown
Japantown
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Andreas Kurth
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2014

Wandler zwischen den Welten

Der in Japan aufgewachsene Jim Brodie hat ein Antiquitätengeschäft in San Francisco und ist gleichzeitig Mit-Eigentümer einer Sicherheitsagentur in Japan, deren Anteile er von seinem Vater geerbt hat. Durch seinen japanischen Background hat er sich auf asiatische Kunst spezialisiert. Aufgrund dieser Kombination wird er von der Polizei zuweilen als Experte zu Kriminalfällen hinzu gezogen, an denen Japaner beteiligt sind, oder bei denen es um Kunst aus Asien geht. Als er jetzt zu einem Tatort in Japantown gerufen wird, ahnt er nicht, in welche Turbulenzen ihn dieser Vierfach-Mord hineinziehen wird. Eine japanische Familie wurde brutal getötet, es sieht nach einer Hinrichtung aus. Als besonderes Merkmal wird ein Blatt mit einem japanischen Kanji gefunden, einem speziellen Schriftzeichen. Brodie sieht sofort, dass er das gleiche Zeichen vor paar Jahren auf dem Pflaster vor dem abgebrannten Haus gesehen hat, im dem seine Frau ums Leben kam. Die Umstände ihres Todes sind bis heute nicht aufgeklärt worden. Er nimmt sofort Ermittlungen auf, die ihn schließlich nach Japan und in ein geheimnisvolles Bergdorf führen. Offensichtlich ist er einer Geheimorganisation zu nahe gekommen, auf deren Todesliste Brodie fortan steht. In der Gemengelage zwischen Wirtschaftsbossen, Geheimgesellschaft und Politiker kommt der Detektiv mehrfach nur knapp mit dem Leben davon und gleichzeitig der Lösung des komplizierten Falles immer näher.

Ein Buch für das Wochenende

Barry Lancets Thriller-Debut ist ein immens spannendes Buch, das man schon nach wenigen Seiten nur noch schwer aus der Hand legen mag. Die ständigen Wechsel von Action, ruhiger Recherche und besinnlichen, gar philosophischen Momenten macht eine Mischung aus, die so einen Roman in meinen Augen geradezu "süffig" macht. Deshalb gleich die klare Empfehlung: Dieses Buch nicht in der Woche, sondern im Urlaub oder am Wochenende lesen. Der Protagonist ist eine Mischung aus nachdenklichem und draufgängerischem Typ hier dürfte Barry Lancet so einige seiner eigenen japanischen Erfahrungen verarbeitet haben. Brodie kommt sympathisch rüber, und trotz seiner eigenen Kampfkünste und sonstigen Fähigkeiten geriert er sich nicht als eine Art "Über-Cop", sondern bleibt was er ist ein charmanter Antiquitätenhändler mit detektivischem Spürsinn.

Spannende und beeindruckende Geschichte

Der Protagonist ist also schon mal ein großer Pluspunkt, wobei auch die Nebenfiguren eindrucksvoll ausfallen. Aber der Plot übertrifft das fast noch. Es dauert ein Weilchen, bis sich die Hintergründe der Geschichte vollkommen entfalten, bis dahin spannt der Autor seine Leser gewaltig auf die Folter. Aber als das Ausmaß und der Charakter der Geheimgesellschaft deutlich werden, ist man schon mehr als beeindruckt. Es mag schon ähnliche Geschichten um solche Zusammenschlüsse gegeben haben, aber die Gesamtkomposition von Barry Lancet hat mir persönlich außerordentlich gut gefallen. Es geht nicht um die typischen japanischen Verbrecher-Syndikate, aber auch nicht um einen beliebigen Geheimbund. Und die Verflechtungen mit der Politik machen die Geschichte dann endgültig komplett. Das Buch wirkt gut recherchiert, der Autor hat offensichtlich den gleichen Wissensschatz wie sein Protagonist, und das merkt man auch. Dabei vermeidet es Lancet sehr geschickt, zu viel Wissen auszubreiten. Er beschränkt sich darauf, seine Erzählung Personen und Dialoge authentisch wirken zu lassen. Neben der großen Spannung ist der Roman dadurch wirklich gut und flüssig zu lesen.

Glück und Geschick des Ermittlers

Der Protagonist glänzt vor allem mit seiner sympathischen und nachdenklichen Art, als eine Art Wandler zwischen den Welten. Die wenigen Male, wo er persönlich in Action verwickelt wird, meistert Brodie mit Glück und Geschick. Dennoch fragt man sich ständig, wie lange das so gut gehen mag. Der Roman wird jedoch aus der Perspektive dieses ungewöhnlichen Ermittlers erzählt, also geht man davon aus, dass er bis zum Ende überleben wird, aber zuweilen ist man sich nicht mehr ganz sicher. Kritiker mögen nun wieder mit dem denkbaren Realitätsgehalt dieser spannenden Erzählung argumentieren, aber das habe ich schon in vielen Rezensionen als Einwand abgelehnt. Ich will von einem Thriller unterhalten werden und das gelingt Barry Lancet hier mehr als ausgezeichnet. Und ob die ganze Geschichte nicht doch näher an der Realität ist, als wir es uns vorstellen können, vermag am Ende des Tages nur der Autor selbst zu beurteilen. Ich freue mich jedenfalls schon jetzt auf den nächsten Fall von Jim Brodie.

Japantown

Barry Lancet, Heyne

Japantown

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