Kälteeinbruch
- Goldmann
- Erschienen: Mai 2024
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Durchschnittlicher Thriller, aber mit einem starken Ende.
Sarpsborg, 14. Dezember: Der Winter hat Norwegen fest in seinem Griff, als der Osloer Kriminalkommissar Anton Brekke zu einem brutalen Mordfall hinzugezogen wird. Der kurz vor der Rente stehende Lehrer Viggo Holm wird in seinem Keller tot mit aufgeschnittener Kehle aufgefunden. Wer hasste den unscheinbaren 66-Jährigen Pädagogen derart, dass er ihn kaltblütig töten musste? Anton Brekke macht sich gemeinsam mit Polizeikommissar Ole Kval und dem jungen Kollegen Magnus Torp auf die Suche nach dem Mörder. Während der Ermittlungen kommt ihnen ein fürchterlicher Verdacht, der selbst für den abgebrühten Brekke nur schwer zu ertragen ist. Auch wenn das Team dem Täter immer näher kommt, beschleicht den erfahrenden Kriminalkommissar das Gefühl, das Offensichtliche nicht zu sehen - weil er es auch nicht sehen will.
Norwegischer Bestsellerautor
In Norwegen zählt Jan-Erik Fjell längst zu den aktuell erfolgreichsten Autoren. Seine Reihe um den in Oslo ermittelnden Kommissar Anton Brekke stürmt in Norwegen nicht nur regelmäßig die Bestsellerlisten, sondern wurde auch mehrfach ausgezeichnet. Da kommt es nicht überraschend, dass Fjell aktuell mit Jørn Lier Horst einen ersten gemeinsamen Thriller („Skriket“) in Norwegen veröffentlicht.
„Kälteeinbruch“ ist der zweite Teil der Anton-Brekke-Reihe und erschien bereits 2013 in Deutschland beim Rowohlt Verlag. Erst 2023 veröffentlichte der Goldmann Verlag mit „Nachtjagd“ (Band 6) und „Dunkelhaus“ (Band 7) weitere Fälle um den Osloer Ermittler. Nun wurden zeitgleich die ersten beiden Teile „Nebelstille“ und „Kälteeinbruch“ als eBook bei Goldmann neu aufgelegt. In Norwegen erschien im letzten Jahr bereits der 10. Fall um Anton Brekke.
Skandinavische Spannung
Der Münchner Goldmann Verlag hat wahrlich einen Glücksgriff getan, den norwegischen Autor Jan-Erik Fjell in sein Programm aufzunehmen. Allerdings sind die aktuellen Bände was Plot und Erzählweise betrifft deutlich stärker als der Beginn der Reihe. Wer den Autor kennt, der wird auch etwas verwundert sein, dass es diesmal nur eine Zeitebene gibt, auf der die Handlung spielt. Allerdings gibt es drei parallele Geschichten, die erzählt werden. Neben den Ermittlungen rund um den ermordeten Lehrer steht vor allem der Kleinkriminelle Bernandas Mielkos im Mittelpunkt des Thrillers. Dieser erhält den Auftrag, eine unbekannte Ladung von Litauen nach Norwegen zu bringen. Als er entdeckt, wobei es sich dabei handelt, gerät er in ein moralisches Dilemma. Während er nach einer Lösung sucht, setzt ihn nicht nur sein Auftraggeber unter Druck. Auch Adam Miller, Sicherheitschef sogenannten „Leutnants“ kommt Mielkos aus ganz egoistischen Gründen in die Quere. Auf den letzten Handlungsstrang hätte der Autor aber besser verzichtet. Zum einen wirkt er überzogen und hat für die Handlung - auch wenn es natürlich zu Überschneidungen kommt - letztlich keinerlei Bedeutung.
Alt und Jung
Kriminalkommissar Anton Brekke ist wahrlich kein Sympathieträger. Während das noch in Ordnung geht, wirkt sein Vorgehen und Verhalten anderen gegenüber doch oftmals recht unglaubwürdig. Dies betrifft auch seine Reaktion darauf, dass seine Ex-Frau mit ihrem neuen Partner, dem Investor Herlov Langgaard, unerwartet zusammenzieht. Für Brekke ist dies eine persönliche Niederlage. Er setzt alle Hebel in Bewegung, um etwas Negatives über den Kerl herauszufinden. Dieses Verhalten ist exemplarisch für den extrovertierten, impulsiven Ermittler, der nur schwer zwischen Beruf und Privatem trennen kann. Seine oftmals arrogante, überhebliche und vor Hybris strotzende Art bekommt diesmal vor allem der ehemalige Polizeistudent Magnus Torp zu spüren. Dabei schätzt Brekke diesen eigentlich, erkennt er sich doch selber im jungen Ermittler wieder. Torp, den man auch aus späteren Bänden der Reihe kennt, wird aber zunehmend selbstbewusster und steht nicht nur während der Ermittlungen seinen Mann.
Bewegendes Ende
Jan-Erik Fjell versteht es jedoch, die Spannung allmählich zu steigern. Man merkt dem Autor seine beinahe kindliche Freude daran an, Schurken und düstere Gestalten aufeinander prallen zu lassen. Dies wirkt zwar manchmal etwas arg konstruiert, unterhält aber weitestgehend. Auch wenn das ewig gleiche, hochnäsige Verhalten Brekkes auch mitunter etwas ermüdend wirkt, ist der Roman insgesamt kurzweilig. Vor allem das beklemmende Thema geht unter die Haut, auch wenn der Autor zum Glück wenig ins Detail geht. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie grotesk erst die Realität auszusehen vermag. Die besondere Stärke des Romans ist aber dessen Ende, das nicht nur überraschend ist, sondern einen mit voller Wucht trifft. Mehr noch: Fjell beschreibt die Ereignisse mit leisen Tönen, zeigt eine menschliche Tragödie auf und lässt den Leser mit dem Täter empfinden. Ein Ende, das nur Opfer kennt und gerade deswegen so bewegt.
Fazit
Jan-Erik Fjell deutet hier nur zum Teil seine große Klasse als Thrillerautor an, die er spätestens mit dem sechsten Band „Nachtjagd“ unter Beweis gestellt hat. Dem Norweger gelingt ein ordentlicher Roman, der aber im Vergleich zum Vorgänger „Nebelstille“ deutlicher abfällt und lediglich mit dem emotionalen und tragischen Ende wirklich zu überzeugen weiß.
Jan-Erik Fjell, Goldmann
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