Power Down - Zielscheibe USA
- Festa
- Erschienen: Januar 2013
- 2
- Leipzig: Festa, 2013, Seiten: 608, Übersetzt: Alexander Amberg
- New York: St. Martin's Press, 2010, Seiten: 449, Originalsprache
Terroristenjagd: nur tot, niemals lebendig!
Vor zehn Jahren wurde Elitesoldat Dewey Andreas unehrenhaft aber ungerechtfertigt aus der Armee entlassen. Verbittert hat er einen anderen Weg gefunden, den USA zu dienen: Er leitet die Ölbohrungen auf einer Förderplattform im Pazifik. Diese Quelle sprudelt so reichlich, dass Amerika den gierigen Saudis bald den verdienten Tritt in den Hintern geben kann! Noch besser: Teddy Marks und Nick Anson, zwei gütige Konzern-Herren, tun sich patriotisch zum zweitgrößten Energielieferanten der Welt zusammen. Auch Strom muss nicht mehr von unzuverlässigen Verbündeten, Neidern und Feinden aus dem Ausland gekauft werden!
Doch im Nahen Osten planen feige Wüstenvipern einen apokalyptischen Gegenschlag. Fanatische Terroristen haben die Gastfreundschaft der Vereinigten Staaten missbraucht und sich dort eingenistet, wo sie am effektvollsten zerstören und meucheln können. Das Endziel lautet Power Down - die USA sollen von ihren Energie- und Rohstoffquellen abgeschnitten werden. Super-Sprengstoff liegt versteckt unter Staudämmen, Stahlfabriken - und Deweys Bohrinsel!
Deren Zerstörung kann er nicht verhindern. Voller Zorn auf die niederträchtigen "towel heads" begibt sich Dewey im Alleingang auf die Suche nach den Hintermännern. Der Präsident zählt auf ihn, auch der Geheimdienst drückt dem rasenden Krieger die Daumen, weil Dewey sich nicht an lästige, die Fahndung störende Gesetze und Menschenrechte halten muss. Eine breite Spur zu Tode gefolterter, zerschlitzter oder in Stücke geschossener Strolche hinterlassend, nähert sich Dewey rachedurstig der Spinne im Zentrum des Terror-Netzes.
Aber wehe! Ein ehrloser Amerikaner, der diesen Titel nicht tragen dürfte, hat sich mit Alexander Fortuna, dem bestens vernetzten Ober-Lumpen, zusammengetan. Gemeinsam hetzen ihre Schergen den inzwischen vielfach durchlöcherten Dewey, der unbeirrbar seiner heiligen Mission folgt ...
Auch Holz- und Hohlköpfe brauchen Märchen
Hat man einen Wälzer wie Power Down gelesen bzw. sich bis zum Ende durchgekämpft, braucht es einige Zeit, um verstehen zu können, wer sich da wieso über sein immerhin zahlendes Publikum ausgekotzt hat. Dieses Buch ist nicht einfach schrecklich, weil es so schlecht geplottet und stumpf geschrieben wurde: Es wird getragen von einer Botschaft, die je nach Interpretation aufrüttelt oder Abscheu weckt.
Ben Coes ist kein liberaler Zeitgenosse; man könnte ihn als Militaristen, Rassisten und Dummkopf bezeichnen. Er fabriziert Romane, die immerhin definieren, wie breit die Schultern einer echten Demokratie sind: Auch primitive Gewaltfantasien müssen toleriert und dürfen verbreitet werden! Darüber hinaus bieten Bücher wie Power Down die Möglichkeit, einen Blick auf jenen Urzeit-Sumpf zu riskieren, in dem sich erstaunlich viele Menschen noch heute wälzen.
Selbst betrachtet Coes sich als Patriot, der voller Sorge mahnt und warnt, weil das Land, das nach seiner ehrlich empfundenen Meinung dem Paradies auf Erden am nächsten kommt, die ihm von Gott gegebene und über viele Jahre erkämpfte Vormachtstellung zu verlieren droht. Für Coes steht Amerika - womit er stets nur die Vereinigten Staaten zwischen Mexiko im Süden und Kanada im Norden meint - vor allem militärisch und wirtschaftlich unter Druck. Auch kulturell liegt vieles im Argen, aber dieses Problem ist nicht so dringlich. Fünf vor zwölf ruft Coes seine Leser - nein, sein Volk! - auf, zu den alten Werten sowie zu den Waffen zurückzukehren, die das gemeinsame Land groß und großartig gemacht haben! Seit 2001 stehen die USA im Krieg: Für Coes hat sich daran überhaupt nichts geändert.
Wie die Welt derzeit funktioniert und wie man sie mit US-Power besser machen könnte, spielt Coes in seinen Action-Thrillern durch, in denen Ex-Elitesoldat David ("Davidh"; hebräisch für "Liebling Gottes") "Dewey" Andreas ("andreia"; altgriechisch für "Tapferkeit, Heldentum, Mannesmut") die USA stellvertretend für diejenigen seiner Landsleute, die es wert sind, vor ausländischem Gezücht und inländischen Verrätern schützt:
"Mit jeder Minute, die verstrich, je näher der Zeitpunkt rückte, desto mehr stürmten die Empfindungen auf ihn ein: das Gefühl stählerner Entschlossenheit, der Wunsch, die Mission zu Ende zu bringen, die Bereitschaft zu töten und zu sterben, all das." (S. 263)
Sehnsucht nach einer einfachen Welt
Andreas kann schalten und walten, wie er will, während die "offiziellen" USA sich selbst gefesselt haben: Verträge mit ausländischen Staaten sind stets einseitig, denn alle Welt will die Amerikaner nur ausnutzen und betrügen. Hinter ihren breiten Rücken lacht und spottet man über sie. Geleistete Hilfe wird geleugnet und nicht etwa durch das Angebot gedankt, beispielsweise die CIA die Geschicke des unterstützten Landes lenken zu lassen. Stattdessen sollen sich Amerikaner an fremde Gesetze halten, exotische Religionen respektieren und sich wie normale Erdmenschen benehmen!
Für Ben Coes ist dies absolut unakzeptabel. Für ihn und jene, die seiner Meinung sind (aber trotzdem lesen können) gilt diese Weltsicht:
"Ich will verdammt sein, wenn wir uns für unseren Erfolg, für den American Way of Life, auch noch entschuldigen sollen ... Es hilft nicht, sich in eine Ecke zu verkriechen oder unseren Lebensstil zu ändern. Es gibt eine schlichte, einfache Methode, die Terroristen aufzuhalten. Wir müssen sie jagen. Wir müssen sie zur Strecke bringen, um sie dann mit Gottes Hilfe zu töten." (S. 374)
Dass die Welt nach der US-Pfeife tanzt, hat Amerika sich nach Coes verdient. Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Koreakrieg, Vietnamkrieg, Erster Golfkrieg, Zweiter Golfkrieg: Für ihn spiegeln diese Konflikte eine ungebrochene Folge von Kämpfen dar, in denen die USA ehrenhaft gefochten haben. Fehlentscheidungen oder gar Kriegsverbrechen werden ausgeblendet. Stattdessen beschwört Coes voller Pathos die Kraft der Kameradschaft:
"Dieses Gefühl hatte ihn als Soldat am Leben erhalten ... In vielerlei Hinsicht ging er inzwischen allein durchs Leben, doch er spürte die wärmende Kraft von 100.000 Brüdern, die neben im standen. Amerikaner, Veteranen, Männer und Burschen, die lange vor ihm oder auch gemeinsam mit ihm gekämpft hatten und auch nicht davor zurückschreckten, das eigene Leben zu opfern, um ihr Heimatland zu beschützen." (S. 546/47)
Alle Mittel zum guten Zweck
Diplomatie ist Schwäche, politisch bedingtes Zaudern ein Dolchstich in den Rücken der Truppe. Der Soldat ist immer im Recht, denn er leistet seinen Dienst. Der Feind ist böse und muss getötet werden. Um ihn zu besiegen und Unschuldige zu verteidigen, darf oder muss man ihn belauschen, überwachen und selbstverständlich foltern:
"Es machte ihm keinen Spaß, einem anderen Menschen Schmerzen zuzufügen ... Doch wie er Mahmoud so ansah, wurde ihm klar, dass er hier den Feind vor sich hatte. Seinen Feind. Amerikas Feind ... Und obendrein handelte es sich bei dem anderen um einen eiskalten Killer." (S. 453)
Also schlachtet Dewey Gegner, die etwas wissen könnten, lebendigen Leibes langsam ab, was sein geistiger Vater liebevoll detailliert darstellt. Coes krönt diese Gewaltpornografie mit der Schilderung eines US-staatlich praktizierten "Verhörs", aus dem mittelalterliche Folterknechte noch viel lernen könnten. (Dafür hält sich der US-Heimatschutz einen Spezialisten namens "Bismarck": Coes weiß, wo auf dieser Welt man seit 1933 die besten Rohlinge rekrutiert!)
Die verlogene Eindimensionalität seiner Weltsicht entlarvt sich selbst, wenn der Verfasser ausgerechnet Großbanken und Hedgefonds-Manager zu Helden erhebt. In der Realität sind dies habgierige, kriminelle, moralfreie Kreaturen, die sich die eigenen Taschen füllen. Aber Teddy Marks ist Vietnam-Veteran, und Nick Anson immerhin ein echter Patriot und Menschenfreund, der nicht den eigenen Vorteil, sondern das Wohl der US-Bürger favorisiert (und dabei trotzdem Milliarden scheffelt). Deshalb pfeifen sie auf global ausgerichtete Gewinnstrategien, wie es jeder gute König täte, und geben den US-Menschen, was sie am dringendsten benötigen: Energie satt, für die keine guten Dollars an Ausländer fließen! (Coes lässt Marks und Anson ihren historischen Handschlag übrigens in den - für ihn - heiligen Hallen von "Goldman Sachs" vollziehen; dieses Investmentbanking-Haus wurde 2010 wegen Wertpapierbetrugs zu einer Geldstrafe von 550 Mio. Dollar verurteilt. Pech bzw. ein verdienter Nackenschlag für den Verfasser, dass dies kurz nach der Veröffentlichung seines Romans geschah.)
Dummheit im Spiegel
Man kann dem Verfasser nur wünschen, dass es ihm besser ging, nachdem er von sich gegeben hatte, was ihm auf der Seele (bzw. im Dickdarm) brannte. Seine von dieser Bescherung getroffenen Leser fühlen nur dann mit ihm, wenn sie mögen, was ihnen serviert wurde. Dieses Publikum schätzt die Botschaft, die der Autor mit einer Inbrunst verkündet, die dem Fanatismus der verteufelten Nahost-Terroristen mindestens gleichkommt, und nimmt eine Handlung, die dem Logiksektor des Gehirns noch das kleinste Nahrungsbröckchen verweigert, nicht krumm.
Die Figurenzeichnungen wurden mit Kreide auf einer Schiefertafel skizziert. Gut und Böse lassen sich in Sekundenbruchteilen erkennen; seltsam, dass dennoch so viele Schurken sich in Vertrauenspositionen schleichen konnten. Geredet wird viel, doch sich unterhalten wenig; in der Regel werden Phrasen ausgetauscht.
Coes Welt funktioniert auch und gerade außerhalb der USA nach dem Schwarz-Weiß-Prinzip. Mit der Waffe in der Hand trickst Dewey Andreas nicht nur Schurken, sondern auch die Gesetzeshüter jener Länder aus, in die es ihn auf seiner Rache-Odyssee verschlägt; beinahe bewundernswert ist beispielsweise die Leichtigkeit, mit der Dewey sich auf Kuba durchschlägt; Fidel Castros Geheimpolizei ist wohl gerade im Kollektiv-Urlaub.
Womöglich haben sie großes Glück gehabt. Zur Ausschaltung des Gegners gehört für Coes stets dessen Demütigung, denn die Überlebenden sollen zittern und sich fürderhin benehmen:
"Was habe ich getan?", fragte Fortuna und sah Dewey an ... Langsam hob [dieser] die Waffe ... ging leicht in die Knie und durchsiebte den Terroristen. Er hörte erst auf zu schießen, als das Magazin leer war. "Ich kann dir sagen, was du getan hast", meinte Dewey. "Du hast dich mit dem falschen Land angelegt." (S. 577/78)
Wem geht da nicht das Herz auf? Dir nicht, Leser? Dann betrachte dich hiermit als Verräter & Schwächling und zittere vor Dewey Andreas, der dich sicherlich schon ins Visier genommen hat!
Ben Coes, Festa
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