Die Insel der schwarzen Schmetterlinge
- Goldmann
- Erschienen: Januar 1998
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- Helsinki: Kirjayhtymä, 1991, Titel: 'Tummien perhosten koti', Seiten: 321, Originalsprache
- München: Goldmann, 1998, Seiten: 285, Übersetzt: Angela Plöger
- München: Goldmann, 2000, Seiten: 285
- Augsburg: Weltbild, 2001, Seiten: 285
- München: btb, 2014, Seiten: 288
Angst und Gewalt in einer unwirklichen Welt
Der Roman beginnt mit einer amtlichen Mitteilung über den mutmaßlich gewaltsamen Tod der Viehmagd Tynne Amanda Koskinen. Dann wird die Geschichte des Jugendheims auf der Insel in den finnischen Schären erzählt, wo Koskinen getötet wurde. Und die damit verbundene Geschichte von Juhani Johansson, der als Neunjähriger von Jugendamt erstmals ihn ein Erziehungsheim gesteckt wird. Seine Alkohol-abhängigen Eltern sind mit der Erziehung ihrer Kinder völlig überfordert, die Mutter hat sogar versucht, seinen jüngeren Bruder zu ertränken. Leiter des Jugendheim auf der Insels, in dem Juhani schließlich landet, ist Olavi Harjula. Er leitet das Heim mit harter Hand - wer beim Fluchen erwischt wird, muss beispielsweise schwere Arbeit am Viehstall verrichten. Unter den Jungen gibt es einen heimlichen Anführer, der zur Strafe ausgepeitscht wird, als er mit den anderen gemeinsam Juhani gequält hat.
Der Leser erfährt, wie es schließlich zu der Tötung von Tynne Amanda Koskinen kommt – und was danach noch passiert. Die düstere Geschichte um eine tragische Liebe und die Verhältnisse in dem Jugendheim hat dann ein überraschendes Ende.
Gesellschaftskritik im Roman verpackt
Der bereits Anfang der 90er Jahre erschienene Roman von Leena Lander wurde jetzt neu aufgelegt, weil Finnland Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2014 war. Einen Kriminalroman im klassischen Sinne bekommt der Leser nicht vor die Nase, wenn er zu diesem Buch greift. Es geht zwar um eine - im weitesten Sinne – Kriminalgeschichte, aber im Kern hat Leena Lander bestimmte Aspekte ihrer Biografie zu einem gesellschaftskritischen Roman verarbeitet. Die Autorin ist bekannt dafür, Themen aufzugreifen, über die in Finnland eher nicht geredet oder geschrieben wird. Es geht um Arbeitslager, Alkoholismus, Gewalt. Die Insel der schwarzen Schmetterlinge beschreibt dabei die Zustände und Vorgänge in einem Erziehungsheim für kriminell gewordene Jungen. Der Vater von Leena Lander war Leiter einer solchen Einrichtung, und die Autorin hat über ihre Jugend in dieser fremdartigen Umgebung ein Tagebuch geführt. Dort schmückte sie die Wirklich etwas bunter und dramatischer aus. Als sie Jahrzehnte später ihre damaligen Notizen wiederfand und las, inspirierte das die Autorin zu diesem Buch.
Brutaler Sadist oder hoffnungsloser Idealist?
Leena Lander zeigt mit diesem Roman, dass sie eine Geschichte gut erzählen kann. Der Leser ist ziemlich dicht an Juhani Johansson dran, der lange braucht, um sich auf der Insel einzuleben – aber schließlich doch zu sich selbst findet. Authentisch und mit starken Bilder beschreibt Leena Lander die Eigendynamik in der Gruppe von Jungen, die jeder ihre ganz eigene Biografie haben. Kriminelle Energie ist da reichlich vorhanden, und auch mangelndes Unrechtsbewusstsein. Harjula versucht, den Jungen Disziplin und Anstand notfalls einzubläuen. Man fragt sich zunächst, wie ein solcher Sadist die Leitung eines Kinderheimes übernehmen kann, aber im Laufe der Ereignisse wird deutlich, dass er eher ein Idealist ist, der an seinen eigenen Anschauungen scheitert, weil er sie ständig konterkarieren muss.
Ein durchaus fesselndes Lesevergnügen
In Rezensionen zu diesem Buches ist die Rede davon, dass Lander nicht nur ihre eigene Kindheit aufarbeitet, sondern auch der finnischen Gesellschaft den Spiegel vorhält. Das Heim auf der Insel mit seinem Direktor Harjula soll dabei für Urho Kaleva Kekkonen und ganz Finnland stehen. Er war von 1956 bis 1981 Staatspräsident, und legte großen Wert auf die Neutralität zwischen Ost und West. Auch Kekkonen galt als Idealist, der mit harter Hand die Segnungen eines Sozialstaates durchsetzte, den sich Finnland in Zeiten wirtschaftlicher Krisen dann kaum noch leisten konnte. Der zunehmende Alkoholismus und die steigende Selbstmordrate in der Präsidentschaft Kekkonens werden von der Autorin in ihrem Roman geschickt thematisiert. Wie gut das Buch insgesamt recherchiert ist, über die autobiografischen Anteile hinaus, kann man als deutscher Leser jedoch nur schwer beurteilen. Leena Lander hat auf jeden Fall ein spannendes Buch geschrieben, dass für Leser klassischer Kriminalromane allerdings ziemlich gewöhnungsbedürftig ist. Es gibt einen Mord, und am Ende wird auch enthüllt, wer der Mörder war. Ermittlungen im eigentlichen Sinne gibt es allerdings nicht, aber kriminelle Handlungen werden vielfältig geschildert. Das Buch ist dennoch spannend, und wer auf krachende Action verzichten kann, wird hier ein durchaus fesselndes Lesevergnügen finden.
Leena Lander, Goldmann
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